Wetter-Agenturbilder

Schnee, der auf Statuen fällt

Ignoriert, verrostet, verrottet: Kunst im öffentlichen Raum wird oft übersehen. Doch ausgerechnet bei kalten Temperaturen, wenn die Städte leer und unwirtlich sind, darf sie glänzen: als Illustration fürs Winterwetter

Die Schönheit von Schnee haben die Beatles nie besungen. Wenn überhaupt einmal vom Winter die Rede war, dann als etwas, das – wie in "Here Comes the Sun" – endlich aufhören soll. Auf diesem Bild der Agentur PA Wire aber schreiten die Fab Four gut gelaunt durch einen Schneesturm in ihrer Heimatstadt Liverpool. John hat seinen Mantel sogar ausgezogen und hält ihn lässig im Arm. Das Bild von der langsam verwehenden Beatles-Skulpturengruppe im Hafenviertel Pier Head ist nur eines von vielen Agenturfotos, das zur Illustration einer Winterwetter-Meldungen geschossen wurde: "Weite Teile Großbritanniens müssen sich auf einen weiteren Tag mit kalten Temperaturen und Reiseunterbrechungen einstellen, nachdem die Tiefstwerte über Nacht im größten Teil des Landes unter den Gefrierpunkt gefallen sind". It seems like years since it's been clear.

Gräbt man sich durch Agenturbilder, fällt auf: Verschneite Denkmäler und Kunst im öffentlichen Raum sind eines der beliebtesten Sujets für Winterwetter-News. "Schnee liegt am Morgen auf der Skulptur 'Mann auf Giraffe' des Künstlers Stephan Balkenhol." - "Schnee bedeckt am Morgen das Ernst-August-Denkmal vor dem Hauptbahnhof." - "Schnee umgibt eine der Anthony-Gormley-Statuen namens Another Place am Crosby Beach." - "Antony Gormleys Skulptur Angel of the North ist umgeben von Schnee, während Menschen den Hügel zum Schlittenfahren nutzen." Schnee, Schnee, Schnee, und in der Mitte Antony Gormley.

Überschrieben sind diese Fotos immer mit "Winterwetter in ...". Es geht also nie wirklich um Bildhauerei, und doch sind diese Aufnahmen eine der wenigen Momente, in denen Kunst im öffentlichen Raum endlich einmal in Szene gesetzt wird. Denn egal ob verrostete abstrakte Stelen aus den 1970er-Jahren in Städten der alten BRD, irgendwelche wuchtige Arbeiterdenkmäler im Osten oder das offenbar auf ewig verschobene Einheitsdenkmal - Kunst im öffentlichen Raum geht den meisten Menschen wohl am Arsch vorbei.

Schneebedeckte Niedlichkeiten

Die große Hoffnung, unerwartete Begegnungen, Irritation und Überraschung im Alltagstrott zu schaffen, hat sich nicht wirklich erfüllt. Die Beatles-Bronze von Andy Edwards in Liverpool ist wohl das Maximum an Popularität, das man aus einer public sculture rausholen kann. Vor allem waren Denkmäler in den letzten Jahren als Problem in den Schlagzeilen: als in Stein gehauene Geschichte, die fremd in die Gegenwart ragt und am besten geschliffen werden muss.

Im Winter aber schleichen sich die ignorierten oder gar verhassten Standbilder, die verrottende Brunnenskulpturen, die volkstümlichen Kitschfigur-Ensembles der Fußgängerzonen, aber auch die ambitionierte Kunstkunst auf die Zeitungsseiten und Newsfeeds: als schneebedeckte Niedlichkeiten. Ein bisschen trottelig schauen dann sonst so majestätische Statuen drein, hilflos der Witterung ausgeliefert. Erhaben hingegen, eingefroren in einer menschenleeren Winternacht, wirken andere schneebedeckte Skulpturen. Als hätten sie die Apokalypse überstanden, noch eingehüllt in radioaktiver Asche des atomaren Fallouts. Ein Bildhauer, der eine Skulptur für den Außenraum schafft, sollte sich immer fragen, wie wohl sein Werk auf einem "Winterwetter in ..."-Bild aussehen wird: bescheuert oder nochmal herausgehoben?

Es ist mit diesen Agenturbildern ein bisschen wie in der frühen fantastischen Literatur, wo unsichtbare Körper von Geistern, Magiern oder verrückten Wissenschaftlern mit Hilfe von Staub oder Sand sichtbar werden: Manchmal muss sonst übersehende Kunst erst mit Schnee bedeckt sein, um sie wahrzunehmen.