Medienschau

"Ein Musterbeispiel, wie so etwas jetzt öfter laufen wird"

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Wie man mit dem Antisemitismusvorwurf Hetze betreibt, ein Porträt von Kurator René Block und ein 14-Stunden-Film über die Documenta 14: Das ist unsere Presseschau am Dienstag

Kunstgeschichte

Schon als 22-Jähriger bereitet René Block der jüngeren Kunstgeschichte den Weg: 1964 eröffnet er in Westberlin seine Galerie mit der Schau "Neodada, Pop, Décollage, Kapitalistischer Realismus", in der er damals unbekannte Künstler wie Joseph Beuys, Wolf Vostell, Nam June Paik, Sigmar Polke oder Gerhard Richter präsentiert. Und auch in den vielen kuratorischen Projekten der Folgejahre zeigt er sich als Entdecker: beim DAAD und dem Institut für Auslandsbeziehungen (Ifa) sowie als Leiter des Museums Fridericianum  in Kassel, des Berliner Kunstraums Tanas und zahlreicher Biennalen von Istanbul bis Sydney. Nicola Kuhn porträtiert den Kurator und Ex-Galeristen jetzt im "Tagesspiegel" anlässlich von drei Ausstellungen und einem Werkverzeichnis rund um den 80. Geburtstags Blocks. "Richter, Polke, Blinky Palermo, Marcel Broodthaers - sie alle produzierten Multiples mit ihm. Von jedem behielt René Block, der heute als einer der kunsthistorisch wichtigsten Herausgeber von Editionen gilt, ein Exemplar zurück, die nun in Nürnberg zu sehen sind. Die Verbindung dorthin besteht seit Eröffnung des Museums; im Jahr 2000 stellte René Block, der nebenher auch noch Sammler ist, rund 150 Werke seiner Kollektion als Dauerleihgabe zur Verfügung."

Antisemitismus-Debatte

Wie unheilvoll der BDS-Beschluss des Bundestags auf die Kulturpolitik wirkt, zeige eine Antisemitismuskampagne gegen das Augsburger Brechtfestival, schreibt Ulrich Seidler in der "Berliner Zeitung": "Es ist ein Musterbeispiel, wie so etwas jetzt öfter laufen wird. Ein Lokaljournalist der Augsburger Zeitung schreibt eine Polemik gegen das Festival, die ironischerweise damit einsteigt, dass Brecht vor dem McCarthy-Tribunal verhört wurde. Dem Autor scheint das ganze Festivalprogramm verschwurbelt, postmigrantisch und gar kommunistisch zu sein; wir sind in Bayern. Er kann sein Urteil nur aus den Programmveröffentlichungen zusammenzimmern, denn das Festival beginnt erst in ein paar Wochen. Der Artikel mit dem Titel 'Geschichte eines Untergangs' endet mit dem Paukenschlag eines Antisemitismusvorwurfs." Der Festivalleiter war 2020 ein Unterstützer der Initiative Weltoffenheit. "Dass die Unterzeichner mit ihrer Warnung recht haben, wird nun dadurch bestätigt, dass ihre Unterschriften schon ausreichen, um Antisemitismusvorwürfe auszulösen", schreibt Seidler. Denn schnell hat die Lokalpolitik den Vorwurf aufgegriffen - und der Antisemitismusverdacht klebt nun an dem renommierten Festival. 

Fotografie

Ein Werbefoto von Tahliah Debrett Barnett alias FKA Twigs in Cavin-Klein-Unterwäsche wurde in Großbritannien verboten, weil es den Popstar zum Sexobjekt herabwürdige. Der Fall zeige, dass man Feminismus vielseitig falsch verstehen kann, kommentiert Julia Lorenz in der "Zeit": "Es ist eine gängige Strategie im lauten, aber letztlich oft allzu kuscheligen Anything-goes-Feminismus des vergangenen Jahrzehnts, alles Mögliche, das sich für benachteiligte Personen gut anfühlt, als politischen Akt zu verkaufen. Auch die Behauptung, sich für ein Modelabel als stolze, selbstbestimmte Frau auszuziehen, imprägniert Darstellungen wie Barnetts Calvin-Klein-Shot, die den berühmten male gaze bei aller kunstfertigen Kantigkeit am Ende doch ganz gut zufriedenstellen, gegen mögliche Kritik. "

Kunstmarkt

Sotheby’s, Yves Bouvier, "Salvator Mundi", Dmitri Rybolowlew: In der "NZZ" skizziert Philipp Meier noch einmal den Streit zwischen dem russsischen Oligarchen und dem Auktionshaus zu dem angeblichen Leonardo-Werk: "Nach Prozessen in Genf, Monaco, Singapur und Hongkong gegen Rybolowlews ehemaligen Berater werfen nun dessen Anwälte dem Auktionshaus Sotheby’s vor, Bouviers Doppelspiel der Preistreiberei unterstützt zu haben: Das Bild sei viel zu hoch eingeschätzt worden, das Auktionshaus habe von Bouviers Gewinnabsichten Kenntnis gehabt. In dem kürzlich am New Yorker Bezirksgericht eröffneten Prozess geht es um weitere Kunstwerke."

Film

26 Stunden dauert die Fahrt mit dem Auto von Kassel nach Athen. Da sind die 14 Stunden Länge der Dokumentation "Exergue" ein Wimpernschlag gegen. Die Berlinale zeigt im Februar den  Film griechischen Regisseurs Dimitris Athiridis über die Documenta 14, meldet der Spiegel: "Exergue" dokumentiert die Vorbereitungen des künstlerischen Leiters Adam Szymczyk auf die Weltkunstausstellung, die 2017 in Kassel und Athen stattfand. 14 Stunden den sphinxhaften und spröden Szymczyk bei der Arbeit zusehen? Könnte sich anfühlen wie 26 Stunden.

Es klingt wirklich unglaublich: Zwischen ausgestopften Tieren in einem Museum in Bonn setzt sich ein Rat - fast nur Männer - zusammen und schreibt das vielleicht wichtigste Schriftstück in der jüngeren Geschichte unseres Landes. Es ist das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Im Mai 2024 wird es 75 Jahre her sein, dass diese Verfassung in Kraft trat. Am bekanntesten ist sicherlich Artikel 1 mit dem Satz: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Der Satiriker Jan Böhmermann (42) und sein Kollege beim "ZDF Magazin Royale", Miguel Robitzky, haben einen 30-Minuten-Animationsfilm über die Entstehung konzipiert. "Das Grundgesetz der Tiere" ist ihr erstes Animationsprojekt, das ZDF strahlt es am Freitagabend (19. Januar, 23.00 Uhr) aus. Der Inhalt ganz knapp beschrieben: Ausgestopfte Tiere in einem Naturkundemuseum sehen, wie sich der Rat dort einrichtet und Tag um Tag über dem Grundgesetz grübelt. Weil es die Menschen nicht richtig hinkriegen, helfen die Tiere nach und schreiben das Werk nachts selbst. Promis wie Bastian Pastewka, Olli Dittrich, Uschi Glas, El Hotzo, Frank Elstner und Carolin Worbs haben neben Robitzky und Böhmermann den Tieren ihre Stimme gegeben. Satiriker Böhmermann sagte der Deutschen Presse-Agentur zu Idee und Angang: "Allem zugrunde lag die Frage: Warum gibt es eigentlich keine Mythen, Legenden und breit erzählte Geschichten rund um den Entstehungsprozess unserer Verfassung? Es ist ein tolles, progressives Schriftstück. Zumal von 1949." Er verwies auch auf seine eigene Schulzeit: "Während meiner ersten Reise nach Bonn in der elften Klasse habe ich diese Plakette gesehen, dass in dem Naturkundemuseum das Grundgesetz verfasst wurde. Das hat mich seither beschäftigt." Robitzky sagte: "Wir haben Fotos von einer Giraffe zusammen im Raum mit dem Parlamentarischen Rat gesehen – da geht automatisch die Fantasie los." Er sei mit Kolleginnen und Kollegen ins Museum gefahren, habe die Tiere angeschaut und alles untersucht. "Dann haben wir festgelegt, welche Tiere es sein sollten und haben uns Geschichten ausgedacht." Zweieinhalb Jahre saß ein großes Team an dem Animationsfilm. Und die Arbeit unterschied sich deutlich von der für die Satiresendung "ZDF Magazin Royale". Böhmermann sagte der dpa über den Entstehungsprozess: "Wir haben währenddessen gemerkt, dass wir den handwerklichen Ansatz unserer Witze ändern müssen." Man habe es zeitloser gestalten müssen. "Alle aktuellen Bezüge oder Referenzen, die wochen-, monats- oder jahresaktuell sind, haben wir aus dem Skript verloren. Das mussten wir korrigieren." Der Animationsfilm ist gespickt mit Witzen, auch Satire und vielen Fakten. Robitzky sagte: "Wir konnten aus einer Anekdotensammlung schöpfen, die quasi in der Realität schon klingt wie ein Märchen oder ein Mythos." Was ist nun faktengetreu und was nicht? Böhmermann sagte: "So Dinge wie, dass Konrad Adenauer der Erfinder des ZDF und der Sojawurst ist oder dass Elisabeth Selbert durch das Verfassen von Briefen an die Frauen der Delegierten des Parlamentarischen Rates es geschafft hat, die Gleichberechtigung von Mann und Frau zum Artikel im Grundgesetz zu machen, genauso der Ort mit den ausgestopften Tieren – all das ist Realität." Der Spaß sei als Zuschauerin und Zuschauer herauszufinden, was aus Fiktionalisierungsgründen vielleicht verkürzt und was im Detail exakt so dargestellt ist. Am Freitagabend bekommt das Animationsprojekt im TV viel Konkurrenz. Auf dem Privatsender RTL beginnt an dem Abend das Dschungelcamp in Australien. Die ARD startet spätabends zugleich die mehrteilige Mystery-Serie "Oderbruch".