Manchmal zeigen offene Briefe und kollektive Proteste Wirkung. Das ist der Fall beim Wettbewerb für den polnischen Pavillon auf der 60. Biennale von Venedig, die im April startet. Polen hat seit Anfang 2000 eines der demokratischsten Verfahren zur Auswahl seiner Teilnehmer: einen open call zur Einreichung von Vorschlägen, bei der sich jeder professionelle Kurator oder jede Kuratorin mit Wohnsitz im Land bewerben konnte. In den letzten Jahren wurden auf diese Weise die Projekte von Katarzyna Kozyra, Yael Bartana, Krzysztof Wodiczko oder Małgorzata Mirga-Tas ermöglicht. Der Pavillon hat nie enttäuscht.
Unter der rechtsgerichteten PiS Regierung erfolgte eine brutale Übernahme der Institutionen, aber erst jetzt sollte das, was als "guter Wechsel" bezeichnet wurde, auch in Venedig ankommen. Es gab immer noch eine offene Ausschreibung, aber die Jury bestand hauptsächlich aus Sympathisanten des rechten Flügels (Namen, die in der größeren Kunstszene unbekannt sind), sowie wie üblich einem Vertreter des Kunstkritikerverbands Aica, einem Vertreter einer Institution aus Warschau und mir selbst als ehemaliger Kuratorin des Pavillons in Venedig.
Der Gewinner war kaum überraschend der rechtsgerichtete Maler Ignacy Czwartos, der kurz zuvor in der Nationalgalerie Zachęta ausgestellt hatte. Zusammen mit Karolina Ziębińska-Lewandowska, der Direktorin des Warschauer Museums, und Jagna Domżalska, Kuratorin und Aica-Vertreterin, haben wir eine abweichende Erklärung formuliert und unsere Minderheitsstimmen für ein Projekt des ukrainischen Kollektivs Open Group abgegeben.
Die Werte, die es zu verteidigen gilt
Nach den Wahlen im Oktober und dem Amtsantritt der neuen Koalition Mitte Dezember reagierte der neue Kulturminister Bartłomiej Sienkiewicz auf die weiteren Briefe der Kuratorinnen Anda Rottenberg und Hanka Wróblewska sowie auf unsere Erklärung. Er beschloss, den quasi-faschistischen polnischen Pavillon in Venedig zu streichen.
Für einen neuen Wettbewerb reichte die Zeit nicht. Der zweite Vorschlag des ukrainischen Kollektivs Open Group und der Kuratorin Marta Czyż wurde nun zur Realisierung ausgewählt. Ihr Projekt ist eine große Erleichterung, da es formal und ideologisch die Werte vertritt, die es zu verteidigen gilt – Offenheit, Toleranz, Fürsorge, Empathie und Ablehnung von bewaffneten Konflikten. Außerdem gibt es eine Antwort auf das übergreifende Thema der Venedig Biennale "Foreigners Everywhere" ("Fremde überall"). Jetzt sind es nur noch drei Monate Zeit, um es zu verwirklichen.