Rückblick 2023
"Dezeen" bringt einen Überblick auf die größten Architektur- und Designkontroversen des Jahres: von der Diskussion um The Sphere in Las Vegas bis zum neuen "We ❤️ NYC"-Logo.
Die US-Kunstpublikationen "Artnet News" und "ArtNews" sind vollends im "Year-in-review"-Rausch. Herausgehoben sei hier nur ein Artikel von Alex Greenberger über die Flut an Picasso-Ausstellungen 2023: er hat über 50 gezählt, davon allerdings keine einzige Retrospektive, sondern im in Konzentration auf einen bestimmten Aspekt. "Man kann mit Sicherheit sagen, dass das Jahr 2023 aufgrund all dieser Ausstellungen das Jahr des Picasso war. Aber es ist auch sicher, dass wir dabei so gut wie nichts gelernt haben."
Vorschau 2024
Niklas Maak wagt in der "FAZ" jetzt schon einen Blick auf die Biennale in Venedig als eines der großen Kunstereignisse des Jahres 2024. Neben den Details, die man von der Großausstellung bereits mitteilen kann, ist vor allem die Einschätzung interessant, dass die frühen 1920er-Jahre "wohl nicht als goldene Zeit der Gegenwartskunst in die Kunstgeschichte eingehen" werden: "nicht weil es keine gute Kunst geben würde, sondern weil die politischen Verwerfungen alle Diskussionen über die Kunst selbst eigentlich unmöglich machten: Die Documenta 15 wird vor allem wegen ihrer Debatte um Antisemitismus in Erinnerung bleiben, der Terroranschlag des 7. Oktobers und die Bewertung der Situation in Gaza haben die Kunstwelt polarisiert, ideologische Gräben aufgerissen und Freundschaften zerstört: Teile der Kunstwelt legen einen unfassbaren Antisemitismus an den Tag, sagen die einen; das zu sagen, sagen die anderen, sei nur ein Vorwand, um rassistisch, kolonialistisch, antimuslimisch, antipalästinensisch zu argumentieren. Die Schützengräben, die die Kunstwelt sich geschaufelt hat, sind so tief, dass keiner mehr herausschauen kann." Vor diesem Hintergrund lastet viel Druck auf der Biennale.
Der "Tagesspiegel" schaut voraus auf die Top-Ausstellungen 2024 in Berlin, der NDR auf Highlights im Norden, die "Leipziger Volkszeitung" schaut auf Künstlerinnen und Künstler, von denen man im kommenden Jahr in Leipzig hören wird.
Kunstmarkt
Ursula Scheer listet in der "FAZ" die teuersten Kunstwerke des Auktionsjahres 2023 auf. Und zieht Bilanz: "Vorbei sind die Zeiten des pandemisch angeheizten Kunsthandelshypes, als die Großvermögenden nicht wussten, wohin mit ihrem Geld, der Onlinehandel explodierte und Ausnahmesammlungen wie die des Microsoft-Mitgründers Paul G. Allen moderne Kunst auf den Markt brachten, die in dieser musealen Qualität und Fülle so schnell nicht wieder aus einer Hand zu haben sein wird. In einem ökonomisch, politisch wie ökologisch noch unsicherer gewordenen Umfeld greift im Spitzensegment des Auktionswesens nun die viel beschworene Marktkorrektur."
Film
Auch mit seiner aufbrausenden Wut als Graf von Monte Cristo hat es Gérard Depardieu in den Kino-Olymp geschafft. Oder zum "Monstre sacré" ("heiliges Monster"), wie in Frankreich gefeierte und verehrte Kultfiguren genannt werden. Jetzt steht der Schauspieler, der heute 75 Jahre alt wird, im Mittelpunkt einer Geschichte, die zum Titel haben könnte: Der Fall einer Ikone. Ist aus dem "Monstre sacré" ein tatsächliches Monster geworden? Das fragt sich Frankreichs Presse seit der Veröffentlichung einer Fernsehreportage über den Franzosen. In dem Anfang Dezember ausgestrahlten investigativen TV-Magazin "Complément d'enquête" über seine Reise nach Nordkorea schockiert Depardieu mit frauenfeindlichen und entwürdigenden Kommentaren. "Frauen reiten gerne, weil ihre Klitoris am Sattel reibt", sagte er vor laufender Kamera. Dabei wird er bei dem Besuch eines Gestüts gezeigt. Dann wieder Obszönitäten, die seine nordkoreanische Dolmetscherin in Bedrängnis bringen. "Ich wiege 124 Kilo - mit Erektion 126." Seine anstößigen Bemerkungen haben international schwere Irritationen ausgelöst. Seit Jahren schon melden sich immer wieder Frauen zu Wort, die Depardieu der sexuellen Gewalt beschuldigen. 2018 hatte ihn die Schauspielerin Charlotte Arnould verklagt. Seit 2020 wird in diesem Fall ermittelt. An Arnould soll er sich zweimal vergangen haben. Depardieu bestreitet die Vorwürfe vollständig. In einem in der Zeitung "Le Figaro" Anfang Oktober veröffentlichten Brief bezeichnet er sich als Opfer einer "medialen Lynchjustiz". Darin schrieb er, dass Arnould freiwillig mit ihm auf sein Zimmer gegangen sei. Zu den Frauen, die ihn bedingungslos unterstützen, gehören die Regisseurin Josée Dayan und seine Ex-Frau Elisabeth Depardieu, die keine Sekunde lang an die Geschichten glaubt, wie sie in der Fernsehreportage sagte. Die Fernsehreportage, die für Entsetzen sorgte, trägt den Titel "La chute de l'ogre" - "Der Fall des Vielfraßes". Depardieu gilt als unersättlich, vulgär und provokativ. Seine Maßlosigkeit und sein impulsives Wesen sind bekannt und gefürchtet. Schwierige Themen gibt es genügend: Alkoholprobleme, Trunkenheit am Steuer, Steuerflucht, Pinkel-Affäre in einem Flugzeug, seine Liebe zu Russland, dessen Machthaber Wladimir Putin er seinen Freund nennt. Seit den sich häufenden Anschuldigungen wegen sexueller Gewalt, wenden sich immer mehr Menschen von ihm ab. Für den Animationsfilm "La plus précieuse des marchandises" von Michel Hazanavicius sollte Depardieu seine Stimme leihen. Im gegenseitigen Einvernehmen hätten jedoch beide auf die Zusammenarbeit verzichtet, wie Depardieus Agent, Bertrand de Labbey, der Zeitung "Liberation" bestätigte. Auch France Télévisions, Frankreichs öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt, nimmt Abstand zu ihm. Sein Kinodirektor Manuel Alduy erklärte, dass man Sendepläne mit Depardieu überprüfen und erst einmal alle Projekte mit ihm auf Eis legen werde. Das belgische Pendant RTBF hat eine ähnliche Entscheidung getroffen. Man werde Filme mit Depardieu in der Titelrolle vorläufig zurückziehen, teilte die Fernsehanstalt mit. Sendungen, bei denen sein Erscheinungsbild eher "reduziert" sei, würden jedoch weiter ausgestrahlt.