Die Tomaten, gebündelt an Rispen, haben von unten nach oben einen Farbverlauf von grün zu rot. So sehen sie aus wie Farbproben oder Belichtungstests, was sie gewissermaßen auch sind. In vollautomatischen Gewächshäusern wie diesen, in denen Armin Linke fotografiert hat, ermitteln statt fürsorglichen Gärtnerinnen und Gärtnern allein Fotografien die Bedürfnisse der Tomaten.
Fotos sind schon lange nicht mehr der Papierabzug, der je nach Bildinhalt mehr oder weniger wertvoll ist. Sie werden digital archiviert und vergessen, sie können aber auch mit verantwortungsvollen Funktionen und erheblichen Werten verbunden sein. Dass die Ausstellung "Image Capital" der Deutsche Börse Photography Foundation in Frankfurt stattfindet, ist aus mehreren Gründen spannend.
Zum einen sammelt die Deutsche Börse selbst auf höchstem internationalen Niveau Fotokunst und stellt sie an ihrem Standort aus. Hier ergeben sich – unter den riesigen Anzeigetafeln der Finanzmärkte – oft interessante Bezüge zu den sozialkritischen, widerständigen oder schwer einzuordnenden Themen der Künstlerinnen und Künstler. Dieses Spannungsverhältnis drehen der Fotokünstler Armin Linke und die Fotohistorikerin Estelle Blaschke in eine spannende Richtung weiter, wenn sie den wirtschaftlichen Wert und Nutzen von Fotografie untersuchen – auch mit den Mitteln der Fotografie.
Wie aus einem alten James Bond Film
Die Ausstellungsarchitektur ist mit hellen hölzernen Distanzrahmen und Schubkästen selbst angelehnt an die Strukturen von Archiven. In sechs Kapiteln (Erinnerung, Schutz, Zugang, Bildgebung, Bergbau, Währung) wird die Geschichte der Fotografie als Speicher- und Bildgebungsinstrument untersucht, das in allen Arten von industrieller, wissenschaftlicher und kultureller Produktion eingesetzt wird.
"Image Capital" erzählt die Geschichte der Fotografie als eine von unzähligen Verwendungszwecken und Funktionen: als Informationstechnologie, die den Fluss visueller Daten erzeugt, verarbeitet und sichert. Schutz und Sicherung dieser Werte führen an geheime, verborgene Orte, die selbst wieder gute Bilder ergeben. Denn gegen Datendiebstahl oder Verfall helfen dann doch nur der Tresor oder Bunker. Unterirdische Hochsicherheitslager, wie aus einem alten James-Bond-Film.
Iron Mountain liegt in einer abgelegenen Gegend im Westen Pennsylvanias. Heute arbeiten über 2500 Menschen in diesem Lager unter der Erde. Es beherbergt riesige Sammlungen von Fotos und Zelluloid-Filmrollen sowie wichtige Papierdokumente, darunter die des US-Patentamts und der National Archives. Einst waren hier Fotokopien und Sicherheitskopien einer Tochtergesellschaft von Eastman Kodak eingelagert, heute ist es ein internationales, milliardenschweres Datenmanagement-Unternehmen.
Wie Wertesysteme geschaffen werden
"Image Capital" war zuvor im Museum Folkwang in Essen und im Centre Pompidou Paris zu sehen. Ortsspezifischer Teil der Ausstellung in Eschborn ist eine Videoarbeit, die Armin Linke und Estelle Blaschke mit Experten der Deutsche Börse AG entwickelt haben.
Sie untersucht die visuelle Darstellung von Finanzdatenströmen und die Optimierung des Aktienhandels. Der großen Frage nach der Erschaffung von Wertesystemen durch Fotografie nachzugehen, ist hier besonders gelungen.