Antisemitismus-Debatte
Deutschland ist bekannt für seine stark geförderte, florierende Kunstszene. Aber eine Reihe von Absagen bedroht diesen Ruf, schreibt Hanno Hauenstein bei "Artnet News". Um die 40 Projekte und Ausstellungen wurden hierzulande seit dem dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober im Zusammenhang mit der Antisemitismus-Debatte abgesagt, zählt Autor Hanno Hauenstein. "Jetzt scheinen viele Leute zu sagen: 'Vielleicht sollte man Deutschland boykottieren!'" Es gebe Anzeichen dafür, dass dies zum Teil bereits geschieht, sowohl innerhalb als auch außerhalb des kulturellen Bereichs. "Ein südasiatischer Künstler, der auf der inzwischen abgesagten Biennale für aktuelle Fotografie ausstellen sollte, stellte fest, dass auch unter den internationalen Kulturschaffenden in Deutschland die Sorge wächst, zu sehr von der deutschen Wirtschaft und insbesondere von ihren Kulturförderprogrammen abhängig zu sein." Hauenstein zitiert einen anonymen Vertreter einer deutschen Kultureinrichtung, der behauptet, dass Künstlerinnen und Künstler in den letzten Wochen Projekte abgesagt hätten: "Es gibt Künstler, die das, was in Deutschland passiert, als eine Form der Zensur ansehen. Und es gibt die Befürchtung, dass einige Künstler nicht mehr mit uns zusammenarbeiten wollen."
Im "Tagesspiegel" berichtet Sebastian Leber über neue Vorwürfe gegen das umstrittene Berliner Kulturzentrum Oyoun, das in den vergangenen Wochen mehr als 80.000 Euro Spenden eingesammelt hat, da es nicht mehr (wie bislang mit einer Million Euro jährlich) vom Berliner Senat gefördert wird. "Tatsächlich ist die Liste der Vorwürfe, die sowohl von außen als auch intern gegen die Betreiber des Neuköllner Kulturzentrums erhoben werden, lang. Die Rede ist von herrischem Führungsstil, Unzufriedenheit von Mitarbeitern und Künstlern sowie einer extremen Positionierung gegen Israel und alles, was sich mit dem jüdischen Staat assoziieren lässt. Hinzu komme ein außergewöhnliches Maß an Sturheit: Denn das Oyoun wusste seit langem, dass der Stopp der Förderung droht, sollte es seinen Kurs beibehalten."
Trotz Kritik der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) Bremen soll die jüdische Publizistin Masha Gessen mit dem diesjährigen Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken ausgezeichnet werden. Der Vorstand des Trägervereins ist sich nach eigenen Angaben einig, dass die Preisverleihung am Freitag wie geplant stattfinden wird. Die DIG hatte nach einem umstrittenen Artikel von Gessen gefordert, die Entscheidung auszusetzen. Die DIG kritisiert Äußerungen von Masha Gessen in einem Artikel im "New Yorker", in dem es auch um den Fall Candice Breitz' geht. Befremdlich sei vor allem ein Vergleich von Gaza mit einem Ghetto in einem von Nationalsozialisten besetzten osteuropäischem Land. Es stehe Gessen frei, solche Auffassungen zu vertreten, heißt es in einem Brief der DIG. "Aber Masha Gessen sollte mit ihren Ansichten nicht mit einem Preis geehrt werden, mit dem der jüdischen Philosophin Hannah Arendt gedacht werden soll." Der mit 10 000 Euro dotierte Preis soll Menschen ehren, die in der Tradition Arendts zu öffentlichem politischem Denken und Handeln beitragen. Über die Vergabe entscheidet den Angaben nach eine unabhängige, internationale Jury. Vergeben wird der Preis von einem Trägerverein, der Bremer Regierung und den Heinrich-Böll-Stiftungen in Berlin und Bremen. Der Vorstand des Trägervereins will weiter an der Auszeichnung festhalten. "Der Artikel von Masha Gessen, ohne den Inhalt teilen zu müssen, passt in die Streitkultur des Hannah-Arendt-Preises", teilte der Verein auf Nachfrage mit. Diese Streitkultur soll auch bei der Preisverleihung am Freitag und bei einem Symposium mit Masha Gessen am Samstag gepflegt werden. Gessen gehört der Jury zufolge zu den mutigsten Chronistinnen und Chronisten der Zeit, wie es nach Bekanntgabe der Entscheidung Anfang August hieß. Gessens Bücher, Essays und Präsenz öffneten neue Sichtweisen, die hälfen, eine Welt im beschleunigten Wandel zu verstehen, teilte der Trägerverein des Preises damals mit. Gessen, 1967 in Moskau geboren, schreibt über politische Strömungen und Konflikte in der US-amerikanischen und der russischen Gesellschaft. Gessen lebt in New York City.
Museen
Im Fall Tausender aus dem British Museum gestohlener Artefakte ist eine unabhängige Überprüfung der Vorfälle abgeschlossen worden. Die Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass schätzungsweise 2000 Gegenstände - vor allem nicht katalogisierte Edelsteine und Schmuck aus den Sammlungen zum antiken Griechenland und Rom - entwendet oder beschädigt worden seien. Davon seien bislang nur 351 Objekte zurückgegeben worden. Die Aufarbeitung gestaltet sich schwierig. Ein mittlerweile entlassener Mitarbeiter, der verdächtigt wird, für die Diebstähle verantwortlich zu sein, kooperiere nicht, sagte Kuratoriumsvorsitzender George Osborne der BBC. "Eines der Dinge, denen wir auf den Grund gehen müssen, ist das genaue Motiv der Person, die wir für verantwortlich halten", wurde Osborne zitiert. Dieser habe sich aber weder geäußert noch kooperiere er. Die Ergebnisse der Überprüfung blieben großteils unter Verschluss wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens der Polizei. Wie die BBC berichtete, wird aber davon ausgegangen, dass der Verdächtige etwa 100 000 Pfund (ungefähr 116 000 Euro) durch den Verkauf gestohlener Objekte machte. Einem Antiquitätenhändler zufolge, der Artefakte des Museums auf der Online-Auktionsplattform Ebay entdeckte und bereits vor zwei Jahren die Museumsleitung alarmierte, sollen sie für durchschnittlich 50 Pfund (etwa 58 Euro) angeboten worden sein. Als der Diebstahl im August öffentlich wurde, trat Museumsdirektor Hartwig Fischer, der das British Museum seit 2016 geleitet hatte, mit sofortiger Wirkung zurück.
Gedenkkultur
In Bulgariens Hauptstadt Sofia haben Sozialisten gegen die eingeleitete Demontage des kommunistischen Denkmals zu Ehren der sowjetischen Armee protestiert. Wie das Staatsfernsehen BNT berichtet, halten sie den Abbau für "gesetzeswidrig" und blockierten am Dienstag aus Protest auch die nahe gelegene Hauptkreuzung Orlow most (Adlerbrücke). Die oppositionellen Sozialisten betrachten das Denkmal der Sowjetarmee als Symbol des Sieges über den Faschismus. Antikommunisten hatten sich in dem einstigen Ostblockland seit Jahren für den Abbau des Monuments der "okkupierenden Roten Armee" eingesetzt. "Es ist ein sehr lange erwartetes Ereignis", jubelte nun die Gemeinderätin Marta Georgiewa. Die Regionalverwalterin von Sofia, Wjara Todewa, begründete die Demontage mit "ernsthaften Rissen" in den Figuren auf dem 37 Meter hohen Sockel. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, verurteilte das Vorgehen: "Die barbarischen Handlungen der bulgarischen Seite haben keine Rechtfertigung und Vergebung", sagte sie Berichten bulgarischer Medien zufolge. Die auf den Sockel montierten Figuren aus Gusseisen eines sowjetischen Soldaten mit Maschinengewehr, eines bulgarischen Arbeiters und einer Mutter mit Kind sind acht Meter hoch. Das umstrittene Denkmal wurde 1954 eingeweiht. Es soll voraussichtlich in das Museum für sozialistische Kunst in Sofia verlegt werden. Seine Demontage gehörte zu den Wahlversprechen des im November neu gewählten Oberbürgermeisters von Sofia, Wassil Tersiew.