Medienschau

Laut, aggressiv und furchterregend

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Entgleiste Proteste an der UdK Berlin, René Benko versteigert Teile seiner Kunstsammlung und Schriftsteller Clemens Setz über "Glitch Art" in München: Das ist unsere Presseschau am Dienstag

Nahostkrieg und Antisemitismus-Debatte

Absagen, Beschuldigungen, Schweigen: Der Kulturbetrieb ist im Umgang mit dem Nahostkrieg gespalten wie nie zuvor. Institutionen kündigen die Zusammenarbeit mit Künsterinnen und Kuratoren auf, die sich israelkritisch äußern (wie die Philosophin Susan Neiman heute im Monopol-Interview beklagt) und umegkehrt rufen Aktivisten offenbar zum Boykott von Kulturinstitutionen auf, die ihre Solidariät mit Israel bekunden. "Der Spiegel" berichtet von einer Liste, in dem die Reaktion von Kulturinstitutionen aus BDS-Warte beurteilt wird. "Das Google-Tabellendokument trägt die Überschrift 'Index of Cultural Institutions & Collectives' Stance Towards The Current Palestinian Liberation Movement'. Zugänglich über den Instagram-Account index.palestine listet die Tabelle für über tausend Kulturinstitutionen aus aller Welt auf, ob und wie diese sich zum Nahostkonflikt positioniert haben." Der Instagram-Account ist nach der "Spiegel"-Veröffentlichung offenbar offline gegangen. Auf der Liste standen laut Magazin auch die Berliner Akademie der Künste, die Universität der Künste, die Bauhaus-Universität in Weimar, Mousonturm in Frankfurt und die Internationalen Kurzfilmtage in Oberhausen.

Welche Folgen wird die Spaltung für die Kulturszene in Deutschland haben? Darüber diskutiert heute um 17.05 Uhr in der SWR2-Sendung "Forum" Monopol-Chefredakteurin Elke Buhr mit dem Kritiker Wolfgang Ullrich und Schriftstellerin Regula Venske, Ex-Generalsekretärin von Pen-International. 

Claudius Seidl berichtet in der "FAZ" von offenbar bestürzend einseitig israelkritischen Protesten von Studierenden der Universität der Künste in Berlin - "laut, aggressiv und furchterregend" - mit einer Performance, die an einen Lynchmord an Israelis im Jahr 2000 erinnerte. Zudem sei das Existenzrecht Israels in Frage gestellt worden. "Man könnte die Aktion, trotz der Aggressivität, des ungebremsten Hasses auf Israel, gewissermaßen als folgenlose Dummheit werten, schon weil daraus kein politisches Handeln folgt und allenfalls der Lehrbetrieb leidet. Es leiden aber auch die jüdischen Studenten, die sich, ausgerechnet in Deutschland, jetzt mit der Forderung nach Vernichtung Israels konfrontiert sehen."

Ausstellung

Der preisgekrönte Autor Clemens Setz ist dafür bekannt, Poesie in leicht abseitigen Netz- und Pop-Phänomenen zu entdecken und auf einzigartige Art zu beschreiben. In der "Zeit" schwärmt er nun von einer Ausstellung über "Glitch Art" in München - also eine Kunst, in der technische Fehler ästhetisches Programm sind. Setz bedauert, dass viele Patzer in der digtalen Welt sofort behoben werden und so nie ihre wunderbare Seltsamkeit entfalten können. "Auch in vielen Computerspielen existierten einst vergleichbar anmutige, seelentröstende und aufwühlende Fehler. Gerade unerklärlich wieder zum Leben erwachende Figuren kamen gerne vor. Aber sie wurden inzwischen durch irgendein Update behoben, manchmal ohne dass mehr als eine Handvoll Menschen sie je live bewundern konnten. Ich glaube, es muss zu einer Renaissance der Glitches kommen." Die Schau ist ab Freitag in der Pinkothek der Moderne zu sehen.

Kunstmarkt

Wegen der Schieflage der Signa-Gruppe verkauft Investor René Benko offenbar Teile seiner Kunstsammlung. Wie der "Spiegel" berichtet soll unter anderem das Bild "L'Étreinte" von Pablo Picasso und ein Selbstporträt des Künstlers Jean-Michel Basquiat aus der Benko zuzuordnenden "Laura Privatstiftung" versteigert werden. Olga Kronsteiner hat für den "Standard" mal nachgerechnet, auf wieviel Erlös Benko bei der Versteigerung hoffen kann. 

Kulturradio

Die heftig diskutierten Reformpläne für das Kultur-Radioprogramm des Bayerischen Rundfunks (BR) nehmen konkrete Formen an. Künftig soll es auf Bayern 2 in der wichtigen Sendezeit am Morgen jede halbe Stunde Kultur geben, wie der BR-Programmdirektor Kultur, Björn Wilhelm, am Dienstag in München ankündigte. Für den Nachmittag ist werktags eine zweistündige Sendung "Kulturleben" geplant. Kritiker der Reform unter anderem aus der Kulturbranche werfen der öffentlich-rechtlichen ARD-Anstalt dagegen vor, traditionsreiche Sendungen etwa zur Literatur ("Diwan", "radiotexte") aufzugeben. Sie sprechen von künftig weniger Stunden für Kultur. Statt spezieller Kultursendungen werde sie zudem in Einzelbeiträge aufgelöst. Wilhelm betonte erneut, das Gegenteil sei der Fall. Kultur werde beim BR zu besseren Sendezeiten und zudem auf moderneren, digitalen Wegen wie in Podcasts und der Audiothek zum Publikum kommen. Dass Kultur in der Primetime-Show "Welt am Morgen" künftig viel Platz habe, könne sogar zu weniger Reichweite für diese Hauptsendung führen. "Das würde ich ausdrücklich in Kauf nehmen", sagte Wilhelm. Erneut versicherte er, durch die Reform werde kein Euro weniger für Kultur ausgegeben. Im Rahmen der Reform soll es - wie auch in anderen Bereichen - mehr Kooperationen mit anderen ARD-Sendern geben. Die Anstalten wollen künftig aus Kostengründen weniger Inhalte parallel produzieren und mehr gemeinsam machen oder voneinander übernehmen. Der Start des neuen Programms auf Bayern 2 ist für Anfang April geplant. 

Das besondere Kunstwerk

In seiner Dezember/Januar-Ausgabe feiert die französische "Vogue" die Beziehung von Kunst und Mode. Zu diesem Anlass hat Nicolas Ghesquière, Chefdesigner der Damenkollektionen von Louis Vuitton, gemeinsam mit dem Künstler Philippe Parreno ein Cape entworfen, das auch ein Kunstwerk ist. Auf dem Cover des Magazins wird der Umhang, der aus Mosaiksteinen aus Beton und einem Glasfasergitter besteht, von dem Model Ida Heiner getragen. Ist das nicht ein bisschen schwer? Aber so ist das wohl, wenn Kunst Gravität in die Mode bringt.