In Wirklichkeit fließt natürlich kein blaues Blut durch Hortensia Herreros Adern. Trotzdem, bei ihrer grazilen Erscheinung und den toupierten, weißblonden Haaren hätte man ihr die aristokratische Natur durchaus zugetraut. Immerhin: dass die Redewendung des "sangre azul" auf die kastilischen Aristokratinnen und Aristokraten des Mittelalters zurückgeht, verortet uns zumindest geografisch an der richtigen Stelle. Spanien, genauer: Valencia.
Hier hat Mitte November nach einer siebenjährigen Restaurierungs- und Sanierungsphase das Centro de Arte Hortensia Herrero eröffnet, nach Plänen von Erre Arquitectura im ehemaligen Palacio Valeriola.
Der barocke Komplex aus dem 17. Jahrhundert war einst das Zuhause von Don Joan de Valeriola, einem Nachkommen des wohl bedeutendsten valencianischen Bankiers des 14. Jahrhunderts, später dann Verlagssitz der Regionalzeitung "Las Provincias". Seine letzten glanzvollen Tage erfuhr der Palacio als Nachtclub, der von zwei lebenden Löwen am Eingang bewacht wurde. Dann stand er jahrzehntelang leer.
Milliarden durch eine Supermarktkette
Stolze 40 Millionen Euro investierte Hortensia Herrero in den letzten sieben Jahren in die Restaurierungsarbeiten, um das Projekt eines Museums für ihre hochkarätige Privatsammlung zu realisieren. Sie kann es sich leisten: Die Frau des Supermarktgiganten Juan Roig ist eine der reichsten Frauen Spaniens. Als Vizepräsidentin und Miteigentümerin der Lebensmittelkette Mercadona ist sie milliardenschwer.
1981 erwarb sie das Unternehmen gemeinsam mit Juan Roigs Bruder von ihrem Schwiegervater, als es lediglich acht kleine Läden zählte. Über die Jahre konnte die Geschäftsfrau es nicht nur zu einem Supermarktimperium mit rund 96.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und über 1700 Filialen in Spanien und Portugal ausbauen, sondern ist mit ihrer Fundación Hortensia Herrero auch zu einer der wichtigsten Förderinnen kultureller Initiativen ihrer Heimatstadt geworden.
Neben Tanz und zeitgenössischer Kunst konzentriert sich die Stiftung vor allem auf den Erhalt des kulturellen Erbes der Stadt. Unter anderem konnte so die Iglesia de San Nicolás, die "Sixtinischen Kapelle Valencias", mit ihren aus dem 17. Jahrhundert stammenden Deckenfresken restauriert werden. Laut "Forbes" sind es mindestens 10 Millionen Euro, die Hortensia Herrero bislang in die Restaurierung solcher kulturellen Stätten steckte – zuzüglich der 40 Millionen für die Ausgrabung und den Erhalt des Palacio Valeriola.
Kunstmäzenin ihrer Heimatstadt
Der geborenen Valencianerin liegt ihre Heimatstadt am Herzen. Mit der Eröffnung ihres Museums wolle sie nicht nur zeitgenössische Kunst internationalen Niveaus mit den Bürgerinnen und Bürgern teilen, sondern Valencia auch zu einem führenden kulturellen und künstlerischen Zentrum machen, so Hortensia Herrero.
Tatsächlich kann ihr Name spätestens seit der Eröffnung Mitte November in einem Atemzug mit denen der Kunstsammlerinnen Carmen Thyssen und Helga de Alvear genannt werden, die mit ihren Museen in Málaga und Cáceres ebenfalls zur Dezentralisierung der Kunstszene beitragen wollen.
Dass Hortensia Herrero für ihr Haus keinen opulenten Neubau im Sinn hatte, sondern die Ausgrabung und Restaurierung zweier historischer Gebäude veranlasste, scheint aufgrund der bisherigen Arbeit ihrer Stiftung ein logischer Schritt.
Restauriert wurden hierbei nicht nur der Palacio Valeriola an der Calle Mar, sondern auch ein Gebäude in der Calle San Cristobal. Beide Komplexe sind durch eine brückenartige Konstruktion im Innenhof miteinander verbunden und bieten insgesamt 3500 Quadratmeter Ausstellungsfläche für die Arbeiten der rund 50 zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstler aus der Sammlung.
Angefangen hatte es mit einem Gemälde zum ersten Hochzeitstag im Jahr 1974, erklärt Hortensia Herrero. Später kaufte sie Arbeiten auf Biennalen, Messen und in lokalen Galerien. Etwa ein Fünftel der Sammlung stammt aus dem Kunsthandel Valencias, knapp die Hälfte der Künstlerinnen und Künstler sind spanischer Herkunft.
Insgesamt könnte man die Auswahl vernünftig, aber wenig experimentierfreudig nennen. Beraten ließ sich Herrero vom Kurator und Autor Javier Molins, den sie bei einem Studiobesuch des Künstlers Andreu Alfaro kennenlernte. Und der befürwortete allem Anschein nach die bewährte Klassiker der zeitgenössischen Kunstszene. Anselm Kiefer, Tony Cragg, Georg Baselitz, Anish Kapoor, David Hockney und Olafur Elisasson.
Beeindruckend, aber auch ein bisschen langweilig
Bereits beim Betreten des Palasts springen einen die hochkarätigen Namen an. Tomás Saraceno hat für das Foyer eine Arbeit aus monumentalen Glaskugeln geschaffen, die den Raum mit bunten Lichtspielen füllt. Links befindet sich ein Meer aus Buchstaben des spanischen Künstlers Jaume Plensa, das die Glastür zum Innenhof säumt. Im Hof galoppieren KI-Pferde von Mat Collishaw unermüdlich im Kreis. Und im oberen Stockwerk hat die Künstlerin Cristina Iglesias einen Korridor aus Spiegeln und steinigen Säulen geschaffen.
Es ist beeindruckend, was Hortensia Herrero und Javier Molins hier erschaffen und zusammengetragen haben. Aber eben auch: ein bisschen langweilig. Und ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis sucht man auf den vier Stockwerken vergebens. Unter den rund 50 Künstlerinnen und Künstlern sind nur vier Frauen: neben Cristina Iglesias die Belgierin Ann Veronica Janssens und die beiden spanischen Künstlerinnen Blanca Muñoz und Elena del Rivero. Der Hofstaat ist wohl auch im 21. Jahrhundert noch größtenteils männlich.