Medienschau

Hat Banksy vor 20 Jahren seinen echten Namen verraten?

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Reaktionen auf die Monopol Top 100, Krise der politischen Kunst und Gerüchte um Banksys Namen nach Interview von 2003: Das ist unsere Presseschau am Dienstag

Monopol Top 100

Unser Ranking mit den einflussreichsten Menschen im Kunstbetrieb des Jahres 2023 ist draußen! "Auf Isa Genzken auf Platz eins der wichtigsten Persönlichkeiten im zeitgenössischen Kunstbetrieb kann man sich sofort einigen", kommentiert Nicola Kuhn im "Tagesspiegel" die Monopol Top 100. "Ihre fulminante Ausstellung zum 75. Geburtstag mit 75 Werken in der Neuen Nationalgalerie demonstriert eindrucksvoll die Bedeutung der Bildhauerin für eine nachfolgende Generation, die ähnlich wie sie Assemblagen aus Alltagsmaterialien schafft (läuft noch bis 27.11.)." Auch Timo Feldhaus findet in der "Berliner Zeitung" Isa Genzken als Nummer eins "eine gute Wahl": "Die Künstlerin gilt seit Jahren als sehr einflussreiche und nie ganz zu enträtselnde Ausnahmekönnerin, die immer wieder mit völlig überraschenden Arbeiten und Werkgruppen überzeugt." Die Nachrichtenagentur APA blickt auf die Österreicher in der Top 100.

Nahostkonflikt

In "Vulture", der Kultur-Sektion des "New York Magazine", rollt Rachel Corbett noch einmal die Geschehnisse rund um den offenen Brief auf, dessen Veröffentlichung dem "Artforum"-Chefredakteur den Job kostete - und welche grundlegenden Verwerfungen in diesem Eklat abzulesen sind. Zur Erinnerung: "Wir unterstützen die Befreiung Palästinas!", hieß es in einem am 19. Oktober in dem US-Kunstmagazin und auf der Plattform "E-Flux" veröffentlichten Aufruf, mit dem mehr als 150 prominente Künstlerinnen und Künstler ihre Solidarität mit dem palästinensischen Volk erklärten - ohne die Massaker der Hamas vom 7. Oktober zu erwähnen. Rachel Corbett beschreibt in ihrem Text, der irritierenderweise nicht das Wort "Antisemitismus" und keinen Hinweis auf den jüngsten Documenta-Eklat enthält, wie die Politisierung der Kunst der letzten Jahre nun zum ersten Mal auf den Widerstand des Kunstmarkts treffen; es waren schließlich auch die gewichtigen Stimmen von Galeristinnen und Anzeigenkundinnen, die sich gegen den "Artforum"-Brief ausgesprochen haben und mutmaßlich zur Absetzung David Velascos geführt haben. Mit dem Nahostkonflikt sei die Abneigung der "Klasse der Kunsteigentümer, die in der Regel älter, weißer und wohlhabender ist" als die der Kunstproduzenten, gegenüber der Politisierung zum ersten Mal in die Öffentlichkeit gedrungen. "Sie fragen sich jetzt: 'Mag ich die Kuratoren in den Institutionen? Mag ich die Pädagogen? Mag ich überhaupt die verdammten Künstler, denen ich mein Leben gewidmet habe, um sie zu unterstützen?'", beschreibt der kalifornische Sammler Stefan Simchowitz die Stimmung. "Das schafft eine echte existenzielle Krise für die Kunstwelt."

Diese Krise hat auch Hito Steyerl am Freitag in einem neuerlichen Interview zum Thema, diesmal auf "Deutschlandfunk Kultur", umrissen: "Kunst hat ihre Unschuld verloren", sagte die Künstlerin. "Was wir momentan sehen, ist, dass die Paradigmen der Gegenwartskunst, die seit etwa 20 Jahren Bestand hatten, in eine Sackgasse geraten sind und immer wieder neu Konflikte reproduzieren. Das heißt, dass wir uns jetzt erstmal alle ganz ruhig überlegen sollten: Was bedeutet Kunst heute? Wie kann sie überhaupt noch mit den Konflikten der Welt umgehen? Und was für Voraussetzungen hat sie momentan?"

Die israelische Künstlerin Bracha L. Ettinger spricht in der "FAZ" zum ersten Mal darüber, warum sie die Findungskommission der Documenta 16 verlassen hat. "Aufgrund der produktiven Arbeit der Kommission war sie sogar zuversichtlich, dass es dieser nächsten Documenta 16 gelingen würde, neue Horizonte zu eröffnen", schreibt Sandra Kegel in ihrem Artikel - und zitiert Ettinger: "Doch dann brach alles zusammen. Unsere Herzen brachen angesichts unvorstellbarer Grausamkeit bei dem Massaker der Hamas, und jetzt kommt noch das große Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung hinzu, ebenso wie das der entführten Israelis und ihrer Familien." Dass Bracha L. Ettinger aus der Findungskommission ausgetreten ist, sei keine "Antwort auf den jüngst bekannt gewordenen BDS-Aufruf ihres Kommissionskollegen, des indischen Kurators Ranjit Hoskoté. Ettinger hatte sich vielmehr bereits zuvor, kurz nach dem 7. Oktober, an Kassel gewandt mit der Bitte, den Prozess wegen der neuen Situation in Nahost zu verlangsamen. Die Israelin stieß auf taube Ohren."

"SZ"-Autorin Nele Pollatschek, die mit ihrer Recherche zu Ranjit Hoskoté den jüngsten Documenta-Eklat ausgelöst hat, lässt der Fall keine Ruhe. In einem neuerlichen "SZ"-Artikel antwortet sie auf einen vor sechs Tagen erschienenen "Zeit"-Artikel. Darin schrieb Thomas E. Schmidt: "Ranjit Hoskoté ist Dichter, Kunst- und Kulturkritiker, Essayist, Kurator, kurz: einer der führenden indischen Intellektuellen. Ihm Antisemitismus nachzusagen, wie es die Süddeutsche Zeitung und daraufhin auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth getan haben, ist eine Unverschämtheit, es zeugt von Unkenntnis seiner Person und ist, nachdem Hoskoté nun wegen dieser Vorwürfe aus der Findungskommission für die Leitung der kommenden Documenta zurückgetreten ist, ein neuer schwerer Schlag für das Weltkunstereignis in Kassel." Nele Pollatschek schreibt nun: "Die Zeit behauptet, ich hätte Ranjit Hoskoté Antisemitismus nachgesagt, und zwar infolge von 'Unkenntnis seiner Person'. Der Verfasser des Textes versucht daher, diesen Antisemitismusvorwurf durch Kenntnis der Person Hoskoté zu entkräften. Tatsächlich habe ich Hoskoté keinen Antisemitismus nachgesagt, sondern geschrieben, dass er eine Petition unterschrieben hat, die antisemitisch ist."

Street Art

Hat Banksy vor 20 Jahren seinen echten Namen verraten? In einem BBC-Interview von 2003, das nun wiederaufgetaucht ist, fragte der Moderator den anonymen Street-Art-Künstler, ob er seinen Namen nutzen dürfe. Der bejaht - woraufhin Banksy gefragt wird: "Ist es Robert Banks?". Antwort: "Es ist Robbie." Wie "Bristol Live" aus Banksys westenglischer Heimatstadt am Dienstag berichtete, nutzte der Künstler Robin Gunningham, den viele seit Jahren für Banksy halten, den Namen Robin Banks. Robbie kann ein Spitzname von Robin sein. Das Portal betonte, Robbie könne aber auch auf andere Identitäten hinweisen, etwa auf Robert Del Naja, Künstler und Mitglied der Band Massive Attack, die aus Bristol stammt. Auch Del Naja gilt seit Jahren als möglicher Banksy. Das Interview wurde vom damaligen BBC-Kulturkorrespondenten Nigel Wrench geführt. Als die BBC nun den Podcast "The Banksy Story" veröffentlichte, in dem Banksys Stimme in einem US-Radiointerview von 2005 zu hören ist, erinnerte sich Wrench an das Gespräch, wie der öffentlich-rechtliche Sender am Dienstag berichtete. Er fand sein gesamtes Interview zu Hause auf einer Minidisc - und die BBC ergänzte ihren eigentlich beendeten Podcast eigens um eine Episode. In dem Gespräch verglich Banksy seinen Kunstansatz mit Kochen. Seine Mutter habe jeden Sonntag einen Braten zubereitet, den typischen Sunday Roast. Das habe lange gedauert, aber sei schnell aufgegessen gewesen. Nun esse sie Mikrowellen-Gerichte und sei glücklicher. "Ich habe diesen Ansatz in gewisser Weise auf die Kunst übertragen. Ich möchte es erledigt haben." Banksy wies zudem Vandalismusvorwürfe zurück. "Ich bin nicht hier, um mich dafür zu entschuldigen. Es ist eine schnellere Möglichkeit, seinen Standpunkt darzulegen, oder?" Der Künstler betonte: "Geht raus! Zerstört Dinge! Habt Spaß!" Andere Menschen könnten die Arbeit ja wieder übermalen, sagte er.

Porträt

"Thomas Bayrle is back", frohlockt Philip Oltermann im "Guardian". Der deutsche Künstler hat schon vor über 50 Jahren das Auto zu Kunst gemacht. Den strahlend roten "VW" (1969) mit der freundlich geschwungenen Stoßstange setzte der Frankfurter zusammen aus unzähligen kleineren VW-Käfern. Ein Versprechen an alle, dank Massenfertigung. Das Auto, dein Freund. Da passt es, dass er  derzeit in einer ehemaligen Fiat-Fabrik in Turin ausstellt, die heutige Pinacoteca Agnelli. Doch der Blick auf das Auto hat sich für den 86-Jährige mittlerweile eingetrübt: "Das Auto hat jeden Aspekt unserer Gesellschaft beschleunigt", sagte Bayrle dem "Guardian". "Aber heutzutage gibt es das Gegenargument, dass Autos nicht mehr fortschrittlich sind, und daran ist etwas dran. Sie sind auch Ungeheuer, verrückte Ungeheuer."