Antwan Horfee, Ihre Gemälde wirken auf den ersten Blick abstrakt. Sind sie das auch?
Naja. Ich mag die Art und Weise nicht so sehr, wie manche ein Gemälde betrachten - also, wenn sie tatsächlich einige Formen oder einige Silhouetten des gewohnten Lebens erkennen können. Dann heißt es schnell, dass es figurativ sei, und wenn nicht, dann abstrakt. Für mich geht es mehr um Dynamiken, die entstehen durch Emotionen, Barrieren und Gegner im Bild.
Wie äußern die sich?
Da gibt es viele Stimmungen, wie immersive, wütende, ironische, großzügige oder humoristische. Und gerade das wirft doch die Frage auf, ob man Figuren braucht, um vom Spaß und von der Stimmung berührt zu werden. Im Grunde erfinde ich gerne einen Kontext, der wie eine Art Soße für einen Koch funktioniert, und dann lege ich ein Thema meiner Wahl darin ein. Das Zusammenstellen von Kontext und Thema ist wie ein natürliches Bedürfnis nach dem Erzählen von Geschichten. Man erfindet Konflikte, man beschreibt Empfindungen, die man sich vorstellt und versucht sie physisch darzustellen.
Worum geht es in Ihrer aktuellen Pariser Ausstellung?
Sie heißt "Cosmogol". Es geht darum, dass die Welt neue Energie braucht und wie der Künstler nach dieser neuen Energie buddelt, mit einer Nonstop-Besessenheit, um neue Kunstformen zu schaffen, die dann zutiefst ehrlich sein werden. Es geht aber auch um dieses Cosmogol als Treibstoff. In den 1970er-Jahren gab es da subversive Animationen im Fernsehen, die kurz danach massiv populär wurden, aber zuerst zensiert waren. Der Name der Sendung hieß wie der Treibstoff: "Cosmogol 99". Es gab diese Rakete, der es nie gelang abzuheben. Ihr Planet war krumm, ihr Geist war krumm, keiner sprach, es gab Geräusche und Farbkleckse mit dünnen Linien für Arme und Beine, die sich gegenseitig anschrien, wenn etwas schieflief. Das tat es immer. Es ging aber auch um Vertrauen zu neuen Charakteren, die versuchten neue Wege zu finden, um ihrem Planeten zu entkommen, weil er verrottet war. Ihre Nachbarn hießen Gibi. Die Gibi waren Nerds, organisiert, effizient in ihren Raketenarbeiten. Auch von dem Planeten, auf dem sie lebten, hoben sie ab. Eine gute Metapher.
Referenzen aus dem Fernsehen kommen bei Ihnen oft vor, auch wenn sie meist versteckt sind. Auf einem Bild sehe ich aber deutlich etwas: eine Hexe.
Die Hexe ist eine komplexe Figur, da sie einen historischen Geist darstellt, eine schlecht behandelte Frau, die als bedrohlich galt, weil sie ihre eigenen Vorstellungen von Leben hatte. Das Konzept des Antihelden oder Monsters ist für mich ein ernsthafter Antrieb. Wenn ich einen Film sehe oder eine Geschichte lese und der wütende Dinosaurier stirbt, dann bin ich über diesen Verlust traurig. Ich halte die Schurken und Bösewichte immer für die interessantesten Figuren.
Haben Ihre Bilder auch Humor?
Ja, zum Beispiel "Rayman Souvenir" von 2023. Das war wie ein Versuch, eine verzweifelte Situation mit einem älteren Bild zu retten. Versuche ich das Bild zu öffnen oder die Oberfläche zu reparieren? Lösungen zu finden, also für die Bilder, ist wie ihr Leben zu retten. Man fängt mit einer Situation, also einer Komposition an, da tauchen große und zufällige Kleckse auf, die einem direkt fett ins Gesicht springen. Und dann ist es wie in einem Film: Das Bild ist der verwundete Soldat, ich bin der Arzt, aber schauspielere ja nur. Solch eine Sicht hat für mich auch Humor. Es gibt viele Möglichkeiten, physisch mit dem Gemälde zu interagieren, daher beginne ich manchmal mit einem sehr starken Motiv wie der Hexe, das hat viel Charakter. Sie wird die einzige Figur sein, daher nimmt sie alles auf sich und wird die Betrachter wahrscheinlich am meisten ansprechen. Dabei ist sie wahnsinnig hässlich. In einer Welt, in der die Schönheit das Sagen hat, ist das ziemlich lustig.
Es gab dieses Kinderdoktorspiel: "Doktor Bibber", bei dem man einen Patienten operieren muss, ohne an elektrische Kontakte zu kommen.
Ich vergleiche das Doktorspielen mit dem Finden einer Lösung. Man ist doch sehr engagiert, wenn man ein Leben in Ordnung bringen muss. Und ich bin sehr engagiert, wenn ich eine Lösung für ein Gemälde finden muss. Mein Leben hängt davon ab. Das meine ich natürlich auf lustige Weise. Es ist komisch zu denken, dass man dieses bedeutungslose Objekt der Begierde, das Bild, innerhalb seiner persönlichen Codes zum Funktionieren bringen muss. Es wird dann plötzlich sehr, sehr wichtig für einen, obwohl es eigentlich niemand braucht.
Zu Ihren Bildwelten gehört nicht nur die Malerei.
Es gibt ein Video von einer großen 3D-Landschaft und 3D-gescannten Keramiken, die ich dort implantiert habe. Das Video ist nur eine Oculus-Aufnahme von einem Spaziergang durch diese Landschaft. Sehr langsam, sehr kühl. Die Statuen werden hochskaliert und somit zu gigantischen Golems. Neben der Keramik verwende ich auch meine Malerei im Video, damit legte ich den Boden aus. Das, was im Video vorkommt, sieht man auch analog in der Ausstellung. Ich bin ein großer Fan von Objekten aus der Handwerksgeschichte und auch von billigen oder teuren Waren. Mich interessieren Werkzeuge der Wissenschaft, des Fleischerhandwerks oder der Mode, solange sie Form und Charakter haben. Aber ihr Gebrauch kümmert mich nicht sehr.
Was beeinflusst und inspiriert Sie?
Ich verleibe mir sehr viel ein. Unsere heutige Bilderwelt ist so reichhaltig, dass es für mich beruhigend ist. Wenn ich aufwache, dann weiß ich, dass ich immer wieder Themen hervorholen kann, quasi immer wieder etwas zum ausgraben habe. Oder die bildlichen Spuren, die ich davon noch finde: Beispielsweise Fischer bei der Arbeit in Island oder Roger-Corman-Filme. Für mich kann alles zu allem passen. Es ist nur eine Frage, wie man die Geschichte aufbaut. Wie man sie präsentiert und wie man den Dingen Raum gibt, um zu atmen. Bei Musik ist es wirklich schwer, sie darzustellen. Klänge sind besser. Große Töne, quasi eine Verdauung im menschlichen Kopf, die Atmosphären schafft. Ich mag es, Brücken zu bauen und ich mag es in meinen Arbeiten Dinge durch ein malerisches Handwerk zusammen zu fügen. Genau das interessiert mich, das Zusammenfügen. Beispielsweise auch, wie man Noten zusammen singt, oder verschiedene Architektur zusammensetzt. Ich sehe in allem Kompilationen und verschiedene Komponenten, die sich untereinander bedienen.
Auch Ihre Bildsprache setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen. Ich sehe malerisch Unscharfes, fast wie Nebel, dann wieder sehr Grafisches wie Zeichnungen. Einiges erinnert an schnelles Tagging, anderes an Virtualität.
Es gibt viele ästhetische Tricks, die für einen digitalen Realismus verwendet werden, oder die man aus Videospielen oder Filmen kennt. Das sind einfache Tricks mit großen Effekten. Sie sind wie Roboter, sie aktivieren im Kopf des Betrachters plötzlich Raumvorstellungen oder eine Sensibilität für ein bestimmtes Phänomen. Jedes Gemälde ist eine virtuelle Realität, die derjenige, der es gemalt hat, dem Betrachter als Erfahrung vorschlägt. So können Gesten fabriziert werden, langsam oder schnell, leicht oder aus Eis, Farbmassen können Quallen sein, oder sie zeigen ein Bild von einem sibirischen Hund. Es geht immer um Übermittlung und Zusammenstellung. Aber auch der Kontext, in dem wir leben, kann das Thema sein. Also ja, manchmal ist der Nebel ein Ort, in den ich Emotionen setze. Ich male ihn und baue Abenteuer hinein.
Die abstrakte Malerei hat oft die Zweidimensionalität betont. In der Kunstgeschichte ging es vielen abstrakten Malern, wie den US-amerikanischen Expressionisten, nicht darum, den dreidimensionalen Raum zu öffnen, sondern Farbe und Form in den Vordergrund zu stellen. Bei Ihnen scheint es Räume zu geben, oder die Illusion von Räumen.
So betrachte ich die Oberfläche, auf der ich male, als Fenster und gleichzeitig als Oberfläche. Manchmal sind die Spuren darauf wirklich eine Erinnerung daran, dass der weiße Stoff gespannt ist, um eine Aktion darauf zu empfangen. Es ist ein visuelles Leuchtfeuer. Wenn ich die Leinwand als Fenster sehe, gibt es da ein Off-Feld, das Objekte zeigt, die halb sichtbar oder leicht sind, die helfen, das zu vergrößern, was draußen in diesem Fenster ist. Das ist eine der Vorstellungen, die meine Imagination sehr weit treibt, und es funktioniert jedes Mal. Ich trickse mich selbst aus, indem ich Maßstäbe und Größenregeln überdenke, um Licht und das Zusammenleben von Dingen zu gestalten. Dabei tickt die Uhr, ein Zeitaspekt kommt immer dazu, ich versuche gerne, alles in Bewegung zu bringen. Dann vibriert es oder gleitet von ganz unten an die Oberfläche. Andererseits interessiert mich auch der leere Raum zwischen dem Betrachter und dem Bild. Dieser Abstand.
Was interessiert Sie daran?
Für mich ist er ein wichtiger Teil des Ganzen und ich fange an, mir darin neue Dinge vorzustellen, mir für diesen Raum neue Abenteuer auszudenken. Die Leute könnten darin tanzen oder sich hinsetzen. Es ist eine Interaktionszone. Es ist faszinierend, wie sensationell ein Gemälde sein kann, wenn man seine Tiefe ausfüllt, buchstäblich wie das Durchbrechen der vierten Wand im Kino. Man lädt die Menschen dazu ein, sich selbst in das Szenario einzubringen. Ich denke, dass Gemälde dafür gemacht sind, gelebt zu werden und mit dem Raum, in dem sie aufgehängt sind, und mit der Person, die sie betrachtet, zu interagieren.
Was aus Ihrer Kindheit und Jugend beeinflusst Sie bis heute?
Ich denke an die Zeit zwischen zehn und 14 Jahren. Da blieb die Jugendkultur sehr lokal. Wir spielten in Wohngegenden und toten Industriegebieten. Ich erinnere mich an knackende Zugänge zu Gebäuden oder LKW-Garagen. Wir kletterten auf abgestellte Züge und in Autobahnhotels. Darin suchten wir versteckte, verträumte Schwimmbäder. Wir hatten einen Riesenspaß mit dem Umfeld, das uns umgab, und waren eine Gemeinschaft, die es verstand, sich jeden Tag gegenseitig herauszufordern. Der Nachhauseweg kann das Leben wirklich prägen, also für immer, und eben auch noch für das erwachsene Alter. Bei mir waren es das Abenteuer und der psychologische Druck, alles mit starken Bewegungen zu riskieren. So fühlte ich mich lebendig. Eine Sucht in ihrem schönsten Moment. Wenn man nur eine einzige Chance hat, von diesem Dach auf das andere zu springen, dann bleibt einem nur die Hoffnung und das persönliche Vertrauen, um seine Energie zu konzentrieren und den Sprung zu wagen. Unsicherheit hingegen hätte zu einer schweren Verwundung oder zum Tod führen können. Man meditiert den ganzen Tag über die existentielle Schwelle. Und am nächsten Tag macht man es dann.
Und das wirkt nach?
Manchmal führte die Konzentration von Aufregung und Gruppendiskussionen dazu, dass aus einem seltsamen Zwischenraum zwischen zwei Garagen eine Art Nischenmikrokultur entstand. Nur eine sehr kleine Liste von Leuten hatte Zugang dazu und Spaß daran. Nach der Schule wurden also seltsame Sprung- oder Kletterbewegungen gemacht, so hatte man das Recht in der Gruppe zu existieren. Es ging um diese Minigruppen, in denen wir alles hatten, um kreativ zu sein und uns lebendig zu fühlen. Ich glaube, ich habe das in mir behalten und es für alles andere ebenfalls angewendet.