Unsere Hündin ist nicht gerne allein. Wenn wir fort sind, bellt sie das Haus zusammen, also versuchen wir, sie überall hin mitzunehmen. Zum Glück wirkt sie freudig interessiert an den seltsamen kleinen Sensationen aus Klang, Bewegung, Licht und vor allem Geruch, die Projekträume und Galerien zu bieten haben. Sie hat sich ihren eigenen Zugang zur Gegenwartskunst erschnüffelt, Bodenarbeiten und Performances interessieren sie am meisten, Malerei und Video lassen sie hingegen kalt.
Trotz Vorbehalten gegenüber manchen Medien und Gattungen begegnet sie der Kunst immer mit Respekt. Selbst wenn die Künstlerin Henrike Naumann Knochen auf den Galerienboden auslegt, um auf den Steinzeit-Kult in der DDR aufmerksam zu machen, bewahrt sie die Beherrschung.
Eigentlich ist unsere Hündin bereit für die großen Ausstellungssäle, für immersive Installationen, für Blockbustershows und gigantische Skelette im Naturkundemuseum. Aber: Hunde sind in Museen nicht erlaubt. "Leider sind uns keine Museen bekannt, die Hunde uneingeschränkt reinlassen", heißt es auf Anfrage vom Deutschen Museumsbund. "Es ist aber auch kein Thema, mit dem wir uns intensiver befasst beziehungsweise das wir in den Museen abgefragt hätten."
Dabei wird doch in jüngster Zeit in der Kunstwelt andauernd von speziesübergreifenden Dialog gesprochen. Ständig werden Donna Haraway und ihre Idee von "making oddkin" herbeizitiert: Die Philosophin beschreibt in ihrem "Manifest für Gefährten" unseren Umgang mit Tieren als politisch. Sie fragt, wie wir "durch das Ernstnehmen von Hund-Mensch-Beziehungen eine Ethik und Politik erlernen, die signifikante Andersartigkeit gedeihen lässt".
Wenn es dann aber schon scheitert am Zugang ins Museum, dem öffentlichen Ort schlechthin, ist es vielleicht doch nicht so weit her mit dem Ernstnehmen der Andersartigkeit. Beim Museumsbund kommt der Hund bislang nur im Inklusions-Leitfaden vor: Darin empfiehlt der Verein den Museen, in ihrer Besucher- oder Hausordnung das Mitführen von Assistenz- und Rehabilitationshunde zu erlauben.
Warum sollten Hunde diskriminiert werden?
Dass es auch ganz anders geht, konnte man am vergangenen Wochenende in der griechischen Hauptstadt beobachten: Anlässlich des Welt-Streuner-Tags luden das Nationale Museum für zeitgenössische Kunst (EMST) und die Stadt Athen Haustiere und ihre Halterinnen und Halter zum freien Eintritt in die Ausstellungen. Auch an jedem anderen Tag können Hunde mit ins EMST gebracht werden, das war eines der zentralen Anliegen von Katerina Gregos, als sie 2021 die künstlerische Leitung des Hauses übernahm.
"Es gibt zwei Hauptgründe, warum dieses Thema für mich so wichtig ist", erzählt die Direktorin. "Der eine ist, dass das Museum im Rahmen seines Auftrags, auf die wichtigsten Fragen unserer Zeit zu reagieren, die Themen Umwelt, Tierrechte und Tierschutz ganz oben auf seine Agenda setzt." Deshalb will sie 2024 auch die Ausstellung "Why Look At Animals" kuratieren, in der es um die Entfremdung zwischen Mensch und Tier seit der landwirtschaftlichen und später der industriellen Revolution geht. "Es ist wichtig, dieses Thema in den Vordergrund zu rücken. Je mehr wir über die innere Welt der Tiere erfahren, desto schwieriger ist es, Praktiken zu rechtfertigen, die sie körperlich oder seelisch leiden lassen."
Gerade dieser Blick auf das Empfindungsvermögen von Tieren ist Katerina Gregos wichtig. "Vor allem Hunde sind besonders empfindsam und leiden unter ausgeprägter Trennungsangst, wenn sie zu lange ohne die Gesellschaft ihrer Besitzer allein gelassen werden." Unsere Hündin kann ein Lied davon bellen. "Die Entscheidung, das Museum haustierfreundlich zu gestalten, wurde also zum Zweiten deshalb getroffen, um das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass es nicht gut ist, Haustiere stundenlang allein zu lassen." Viele Menschen mit Haustier möchten das Museum besuchen, das EMST will ihnen die Gelegenheit geben, sich dabei nicht von ihren Tieren trennen zu müssen. "Warum sollten Hunde – oder Katzen – diskriminiert werden?", fragt die Museumsdirektorin.
Im EMST müssen Hunde an der Leine geführt werden, für Hygiene und Verhalten sind ihre Menschen verantwortlich. Das hat am Wochenende schonmal gut geklappt, wie man auf den Fotos zum Aktionstag sehen kann. Ich wette, unserer Hündin hätte es auch gefallen. Vielleicht demnächst mal in einem deutschen Museum?