Künstler Martin Schepers über Lithium-Abbau

"Wir wiederholen die Fehler von vor 100 Jahren"

Gerade haben die EU-Staaten das Verbrenner-Aus beschlossen. Doch auch E-Autos sind alles andere als sauber. Der Künstler Martin Schepers zeigt eine Ausstellung zum zerstörerischen Abbau von Lithium, das massenhaft für Akkus gebraucht wird

Martin Schepers, Elektromobilität gilt als einer der wichtigsten Bausteine im Kampf gegen den Klimawandel. Doch für Fahrzeugakkus braucht es Lithium, dessen Abbau nicht nachhaltig ist. Was ist das Problem?

Die Probleme entstehen vor allem dadurch, dass das Lithium im Grundwasser ist. Ich bin gemeinsam mit Mauricio Lara Martínez, einem chilenenischen Anthropologen, nach Chile gereist, in die Atacama-Wüste, eine der größten Lithium-Abbauregionen der Welt. Dort wird Salzlauge aus dem Boden gepumpt und in riesigen Becken zum Verdunsten gebracht. Aus dem Rückstand wird das Lithium gewonnen. Wenn dem Boden Wasser entzogen wird, sinkt der Grundwasserspiegel. In der Atacama-Wüste, einem der trockensten Orte der Welt, ist das ein Problem, zumal Chile ohnehin seit Jahren unter einer Dürre leidet. Betroffen sind vor allem die Oasen und deren Bewohner*innen, die oft nicht an dem wirtschaftlichen Prozess beteiligt sind.

Zusätzlich entnehmen die Firmen für den Lithiumabbau Süßwasser für die Reinigung ihrer Anlagen und den Verarbeitungsprozess, was den Wassermangel verschärft. Was hat Sie denn als Künstler an dem Thema interessiert?

Nach meinem Studium in Düsseldorf 2010 las ich einen Artikel in der "Süddeutschen Zeitung" mit dem Titel "Die Wüste in uns" über die Bergbaugebiete in der Niederlausitz. Danach bin ich in die Region gefahren, habe Videoaufnahmen und Zeichnungen gemacht. Das wurde mein erster Werkkomplex, könnte man sagen, und eines meiner Themen: Orte der Energiegewinnung, das Anthropozän, vom Menschen veränderte Landschaft, Laborsituationen in der Landschaft. Und hier war es ähnlich. Wieder habe ich ein Foto in einem Zeitungsartikel gesehen, von diesem fußballfeldgroßen Becken, die aussehen wie rituelle Orte oder Stätten von Außerirdischen.

Die Becken in der Atacama-Wüste, in denen das Wasser verdunstet, um aus dem Rückstand Lithium zu gewinnen.

Genau. Ihre unterschiedlichen Farben resultieren aus den verschieden hohen Lithium-Anteilen, das hat mich visuell fasziniert, aber auch vom Prozess her. Diese Becken kann kaum jemand besuchen. Ich hatte in Deutschland Kontakt mit einer Firma, die einen großen Lithium-Konzern in Chile vertritt. Die haben gesagt: "Klar, kriegen wir eine Besichtigung hin, gar kein Problem." Als ich dann in Chile war, gab es keine Kommunikation mehr. Ich habe dann Aktivist*innen kennengelernt und bin da irgendwie reingekommen, aber nicht über den offiziellen Weg.

Die Minenunternehmen wollen sich offenbar nicht in die Karten schauen lassen.

Eine Beamte vom chilenischen Umweltamt hat mir erzählt, dass sie einen Wasserzähler an einer Pumpe einer der Lithum-Minen installiert haben, um sie nach einem halben Jahr abzulesen. Da war der Wasserzähler dann aber zerstört und ein Firmenvertreter meinte, das sei letzte Woche passiert, ein LKW sei dagegen gefahren. Sie unterlaufen staatliche Kontrollen, auch die deutschen Firmen. Natürlich hat der Lithiumabbau auch mit Kolonialismus zu tun. Da wiederholt sich Geschichte. Vor über 100 Jahren wurde in der Region Salpeter abgebaut, das für den Ersten Weltkrieg gebraucht wurde. Ruinen von Salpeterwerken in der Atacama erinnern daran. Heute sind deutsche Firmen am Lithiumabbau beteiligt, und auch wenn sie darum bemüht sind, die richtigen Begriffe in die Diskussion einzubringen, ist es wichtig zu betonen, dass die Probleme ähnlich sind wie vor 100 Jahren.

Was kann Kunst zu diesem Bewusstsein beitragen?

Für mich ist es eine Art Suche von Bildern, die unter dem großen Narrativ liegen. Das große Narrativ lautet: Elektro-Mobilität ist umweltfreundlich. Welche kleine Narration gibt es da noch? Neben den eigenen Fotos und Videoaufnahmen, die ich in Chile gemacht habe, haben wir Einwegkameras verteilt an Menschen, die mit dem Lithiumabbau in irgendeiner Weise beschäftigt sind. Wir haben sie gebeten, ihre Perspektive einzufangen. Auch in deutschen Forschungsinstituten, die mit Lithium arbeiten, habe ich Einwegkameras verteilt, der Rücklauf war recht hoch und die Einblicke sehr besonders. Ein Großteil der Fotos ist jetzt in meiner Ausstellung "Im Lithium Dreieck - Wir verdunsten" in München zu sehen und wird auch in der Ausstellung in der Situation Kunst in Bochum präsentiert werden, neben den eigenen Zeichnungen, Installationen und der eigenen Malerei.


Ein bisschen arbeiten Sie wie wir Journalisten, und es waren ja tatsächlich immer wieder journalistische Stücke, die Sie zu Arbeiten angeregt haben. Wozu braucht es recherchebasierte Kunst, wenn es Investigativ-Reportagen gibt?

Beide verbindet der Aspekt der Aufklärung, beide arbeiten daran, bestimmte Zusammenhänge ans Licht zu bringen. Aber die Mittel sind schon sehr unterschiedlich. Ich arbeite nicht dokumentarisch, sondern mit künstlerischen Mitteln und auf der materiellen Ebene, die eine ganz eigene Bedeutung hat. So habe ich etwa über mehrere Wochen bestimmte Bildträger wie Metall oder Leinwand in Salzlösung getaucht und diese verdunsten lassen. Ich sehe darin einen Erkenntnisgewinn, durch das Ereignis im Material. Informationen sind wichtig, aber wichtiger ist die Erfahrung, vor Ort die Trockenheit zu spüren, die Angst, dass einem das Wasser ausgeht. Das sind Momente, die auf der künstlerischen Ebene stärker gewichtet sind. Aktuell mögen die Zeitungen voll von dem Thema Lithium sein. Doch in meiner Arbeit bin ich schnell bei grundsätzlicheren Themen, bei ökologischen Zusammenhängen, bei der Beziehung von Mensch und Landschaft.

Der Lithiumabbau ist ein gutes Beispiel für eine Wirtschaftsweise, in der einfach ein Rohstoff aus einem Ökosystem abgezogen wird, weil er an anderer Stelle gebraucht wird, ohne darauf zu achten, welche Auswirkungen das auf den lokalen Kreislauf hat.

Wir greifen ein in eine "lebhafte Materie", wie der Titel eines bekannten Buches der Philosophin Jane Bennett heißt. Dieser Eingriff hat Folgen, nicht nur 12.000 Kilometer entfernt, sondern auch hier in Deutschland. Und ähnliche Prozesse können wir auch in Deutschland beobachten, dazu muss man nur mal nach Grünheide fahren, wo vor den Toren Berlins das Tesla-Werk entstanden ist und der Entzug von Wasser dadurch ebenfalls zum Problem wird.

Der Bedarf an Lithium steigt, aber gleichzeitig scheint das Post-Lithium-Zeitalter nicht mehr weit entfernt, weil Natrium-Ionen-Batterien und andere lithiumfreie Akkus offenbar bald marktreif sind. Sehen Sie im technologischen Fortschritt die einzige Hoffnung oder kann es auch eine politische Lösung geben?

Dazu müsste man in den Abbaugebieten die Bevölkerung mehr in Entscheidungsprozesse einbinden. Aber die Gefahr ist groß, dass die Firmen nur bestimmte Greenwashing-Begriffe ins Feld führen, dass dann zwar alles gut klingt, aber konkret nicht viel gemacht wird. Wir alle haben einen unglaublichen Hunger nach Energie und sollten den mal ein bisschen runterdrehen. Aber klar, wir sind alle in dieseen Widersprüchen der Realität verstrickt. Und doch ist es deprimierend, wenn man es mit den eigenen Augen sieht, was die Konsequenzen unserer Lebensweise sind. Ich habe selten eine so beeindruckende Landschaft wie die Atacama-Wüste erlebt. Und wir zerstören sie, einfach so. Ich bin kein Politiker und präsentiere keine Lösungen, als Künstler ist es mir wichtig, dass wir nicht die Augen verschließen.