Die Geschichte der Kunstsammlung des Frankfurter Bankiers Maximilian von Goldschmidt-Rothschild ist exemplarisch: Das Museum Angewandte Kunst hat sie bis ins Detail recherchiert und daraus eine Ausstellung (28. Januar bis 4. Juni) gemacht. Die rund 100 Exponate sind dabei eher Beiwerk - im Mittelpunkt steht die Geschichte um einen jüdischen Sammler, das Unrecht der Nazis, Museen als Profiteure und der Versuch der Wiedergutmachung.
Restituierte Raubkunst, sagte Museumsdirektor Matthias Wagner K bei der Vorbesichtigung am Donnerstag, "erschafft einen neuen Typus des Sammlungsgutes: die Leerstelle. In dieser Leerstelle spiegeln sich die Werte einer Gesellschaft." Die Provenienzforscherin Katharina Weiler - Mitkuratorin der Ausstellung - hatte die Bestände des MAK zwischen 2016 und 2019 nach Raubkunst durchforstet und dabei mindestens 53 Werke aus der Sammlung Goldschmidt-Rothschild entdeckt, die als verschollen galten.
Der jüdische Frankfurter Bankier Maximilian Goldschmidt (1843-1940) wurde nach seiner Hochzeit mit Rothschild-Erbin Minna zum viertreichsten Mann im deutschen Kaiserreich. Kaiser Wilhelm II. selbst erhob ihn 1907 in den Stand eines Freiherrn - "als erste Person jüdischer Herkunft", wie in der Ausstellung nachzulesen ist.
Historische Aufnahmen zeigen einen distinguierten älteren Herren mit Hut, Gehstock, Fliege und Monokel im Park seiner Villa, die im Zweiten Weltkrieg bei einem Bombenangriff zerstört wurde. Das Rothschild-Palais in der Nähe der Alten Oper muss ausgesehen haben wie ein Museum. 1500 Kunstobjekte hatte der passionierte Sammler zusammengetragen und liebevoll arrangiert. Besonderes Steckenpferd waren Trinkgefäße in Tierform, von denen einige in der Ausstellung zu sehen sind: vorne in echt in der Vitrine, hinten als Foto im Palais.
In vier weiteren Ausstellungsräumen sind wertvolle Teppiche, Möbel, Porzellan, Bilder und Skulpturen zu sehen. Als die Nazis 1933 die Macht übernahmen, war der Bankier, Sammler und fünffache Vater 90 Jahre alt. Er wurde gezwungen, sein Haus weit unter Wert an die Stadt zu verkaufen. Als Mieter gewährte man ihm, bis zu seinem Tod wenige Räume weiter zu bewohnen. 1938 wurde er gezwungen, seine Sammlung zu verkaufen. Der Erlös, ein Bruchteil des eigentlichen Werts, wurde auf ein Sperrkonto überwiesen, auf das er keinen Zugriff hatte.
Die Sammlung wurde aufgeteilt: Die Gemälde erhielt das Städel-Museum, die Skulpturen übernahm das Liebighaus, Kunsthandwerkliches - 1350 Stücke - bekam das Kunstgewerbemuseum, das heute Museum Angewandte Kunst heißt. Nach dem Krieg kämpften die überlebenden Erben um die Rückgabe. Die Stadt Frankfurt und die drei Museumsdirektoren versuchten das "vehement zu verhindern", wie Recherchen ergaben. Die Argumentation: Man habe die Sammlung vor der Zerstörung gerettet.
1949 restituierten die Museen schließlich den Großteil der Kunstgegenstände im Zuge eines Vergleichs zwischen den Erben und der Stadt Frankfurt. Vieles wurde 1950 auf Auktionen in New York versteigert und gelangte so in Privatsammlungen und Museen in aller Welt, die nun für die Frankfurter Ausstellung knapp 60 Leihgaben zur Verfügung stellten.
"Die Ausstellung ist von besonderer kunsthistorischer Relevanz und kulturhistorischer Brisanz", sagte Museumsdirektor Wagner K. Die Ausstellung sei "beispielhaft für die Geschichte vieler jüdischer Sammler", sagte Forscherin und Kuratorin Weiler. Angestoßen durch ihre Recherchen stehen das Museum und die Stadt "im Dialog mit den mit den heute Erbberechtigten", sagte Weiler. Man arbeite an einer "fairen und gerechten Lösung".