Lady Diana Spencer trug sie als eine der Ersten. Im September 1995, bei der Eröffnung einer Paul Cézanne-Retrospektive im Grand Palais in Paris, soll ihr eine brandneue Dior-Tasche mit Namen Chouchou vorgestellt worden sein – noch vor dem offiziellen Release. Kurz darauf wurde die geliebte Prinzessin immer öfter mit der kleinen, eckigen Handtasche gesichtet und fragte bald eine eigens angefertigte, navy-blaue Version des Accessoires an, die zu ihrer Augenfarbe passen würde. Da benannte das französische Modehaus die Tasche offiziell in Lady Dior um, angelehnt an ihren berühmtesten Fan, Lady Diana Spencer.
Als eine "architektonische Hommage an die Exzellenz des Hauses", beschreibt Dior seinen ledernen Klassiker heute, bietet ihn in den unterschiedlichsten Farben, Größen und Materialien an. Das geometrische, eingesteppte Cannage-Motiv und die goldenen Details sorgen für den großen Wiedererkennungswert der kleinen Tasche, selbst wenn sie ein komplettes Makeover erhält.
Eine weiße, zu bespielende Leinwand bietet die Lady Dior dieses Jahr zum siebten Mal dem "Dior Lady Art"-Projekt: In einem Dialog zwischen Kunst und Mode werden Künstler und Designerinnen von überall auf der Welt eingeladen, die Handtasche mithilfe der Techniken und Handwerkskünste des Hauses Dior nach ihren eigenen Visionen zu gestalten. So werden ikonisches Erbe und individuelle Kreativität miteinander verbunden und zehn einzigartige, tragbare Kunstwerke geschaffen. Moderne Interpretationen der Tasche mit Kultstatus kreierten dieses Jahr Ghada Amer, Brian Calvin, Sara Cwynar, Alex Gardner, Shara Hughes, die kürzlich verstorbene Dorothy Iannone, Minjung Kim, Zhenya Machneva, Bouthayna Al Muftah, Françoise Pétrovitch und Wang Yuyang.
Feminismus auf Luxustasche
Die ägyptische Künstlerin Ghada Amer verknüpfte in ihrer Version zwei ihrer früheren Kunstwerke: "Women’s Qualities", eine Skulptur aus Pflanzen aus dem Jahr 2000 und eine Serie von Keramikskulpturen mit dem Titel "Thoughts" von 2013. Die laut Amer Frauen zugeschriebenen Eigenschaften sind im Patchwork-Look auf das Leder der Tasche angebracht, etwa "belastbar" oder "liebevoll". Die Buchstaben "G-H-A-D-A" ersetzen an mancher Stelle den typischen "D-I-O-R"-Anhänger. Mit ihrer Interpretation möchte sie die Position der Frau in der Kunst hinterfragen.
Alex Gardner, amerikanischer Maler, übertrug sein Werk "Malleability" auf das Accessoire. Auf einem Hintergrund von holographischem Leder drückt eine samtschwarze Hand auf einen nicht erkennbaren, samtschwarzen Teil einer weiteren Figur. Das tragbare Kunstwerk erinnert ein wenig an surrealistische Entwürfe von etwa Elsa Schiaparelli.
Der multidisziplinäre Künstler Wang Yuyang verbildlicht auf seinen Taschen den für ihn typischen mit unterschiedlichen Medien experimentierenden Ansatz. Fünf Modelle schmückte er jeweils mit der Darstellung eines seiner Kunstwerke - aufgebracht aus einem Mix von traditionellem Stickmuster und neuen Techniken. Auf einer Tasche wendete er 3D-Druck an und kreierte eine haptische Version seiner Gemälde-Serie "The Moon" – eine Mondlandschaft.
Blick in eine Traumwelt
Eine Ode an die Natur schuf die US-amerikanische Malerin Shara Hughes mit ihren Modellen. Hintergründe aus rotem Samt oder winzigen Musselin-Blumenköpfen rahmen erfundene, aufgemalte Landschaften ein, die einem Blick in eine Traumwelt gleichen könnten. "Ich wusste, dass ich das Licht auf unterschiedliche Art und Weise absorbiert sehen wollte – manche Teile sollten scheinen, andere matter sein oder total absorbierend," erklärt sie.
Die in Kanada geborene Künstlerin Sara Cwynar setzt sich in ihrer Arbeit mit der immer schneller werdenden Verarbeitung von Bildern auseinander - auch auf ihrer Dior-Tasche. Auf die kleinen Stepp-Kissen des Cannage-Musters stickte sie in Museen, Archiven und im Internet gefundene Bilder aus dem 19. bis 21. Jahrhundert, die in Aufnäher verwandelt wurden. Oder bettete sie zwischen transparentem PVC-Blasen und dem Leder der Tasche ein. Eine "Mini-Geschichte" möchte sie so kreieren, die jemand am Arm umhertragen kann.
"Mein Projekt ist allen Frauen auf der Welt gewidmet; es geht um die Freiheit der Wahl und den Stolz, eine Frau zu sein,“ erklärt Zhenya Machneva das Design ihrer Lady Dior. Sie betrachtete die Taschen als eine Art Skulptur, ein Kunstobjekt, und gestaltete sie mit geometrischen Formen wie Dreiecken und Zylindern. Architektur und den Lebensstil von Frauen wolle sie in den so geschaffenen tragbaren Kunstwerken vereinen, "etwas Schönes und Sanftes und gleichzeitig Brutales".
Aufgespannte Regenschirme aus der Vogelperspektive
Minjung Kim aus Korea gestaltete zwei der Taschen angelehnt an ihre Gemälde-Serie "Story", die sie inspiriert von ihrer eigene Bibliothek in Mailand erarbeitete. Viele Reihen unterschiedlicher Farben, wie Buchrücken nebeneinanderstehend, schmücken das Accessoire. Eine weitere Lady Dior ist mit plissierten Kreisen besetzt, die an eine Masse von aufgespannten Regenschirmen aus der Vogelperspektive erinnern und von einer ausgedachten Liebesgeschichte inspiriert wurde. Ihre in Rot gehaltene Version stellt den Klang der Gezeiten dar.
Die Vergangenheit archivieren und durch das aktive Anerkennen und Würdigen der Geschichte ihres Landes und der Menschen in die Zukunft überleiten, das ist die Ambition von Bouthayna Al Muftahs Arbeit. Die Küsterin aus Katar drapierte für die Gestaltung ihrer Tasche viele Schichten von beschriebenem Chiffon, die durch feine Fäden verknüpft sind. Sie stehen dafür, "die Geschichten, die uns als ein Kollektiv zusammenhalten", miteinander zu verbinden.
"Ich habe mich selbst immer eher als einen abstrakten Maler gesehen. Ich bin daran interessiert, immer mit einem Detail zu beginnen, sei es ein Auge, ein Mund oder eine Nase", erklärt der US-amerikanische Künstler Brian Calvin. Auf seinen gestalteten Taschen wird das Haar zu einem Vorhang, drei Nasen stehen nebeneinander, ein Kopf wird gedreht und zu einer Landschaft, die um den gesamten Boden der Lady Dior verläuft. Durch Perlenbilder oder Stickerei wurden seine Werke so auf den Handtaschen verewigt.
Mini Monumente auf der Mini-Tasche
Françoise Pétrovitch heißt auf ihren Taschen ein Motiv willkommen, das in ihrem Werk oft zu finden ist: den Vogel. Ihre Idee war es, eine fragile Figur auf der Lady Dior anzubringen, die sich aus ihr heraus zu bewegen scheint. In Blau, Weiß und Schwarz sind ihre drei Modelle gehalten, die von Pétrovitch gefertigten Malereien wurden in Siebdruck auf das gesteppte Leder aufgetragen.
Die an Weihnachten verstorbene US-amerikanische Künstlerin Dorothy Iannone begann im Jahr 1967 mit dem Bild der Freiheitsstatue zu arbeiten. Für Dior entwarf sie eine Tasche aus einem Denim-ähnlichen Material, auf die drei ihrer persönlichen Interpretationen der "Lady Liberty" gestickt wurden, um die Vielfalt der amerikanischen Identitäten zu verdeutlichen. Die Sterne aus der Krone der Statue finden sich auch auf dem Buchstaben-Anhänger wieder. Auf einer kleineren, schwarzen Version der Lady Dior wurden die Miniatur-Monumente in Perlen aufgestickt.