Das teilte die Documenta gGmbH am Dienstag mit. Darin weist das Kollektiv Archives des luttes des femmes en Algérie (Archive der Frauenkämpfe in Algerien) die erhobenen Vorwürfe zurück. "Wir bedauern, dass diese Bilder auf Unverständnis stoßen und Gegenstand von Fehlinterpretationen seitens der Medien und Besucher:innen geworden sind, die in ihnen antisemitische Darstellungen zu erkennen meinen", schreibt das Kollektiv. Doch die Bilder zielten nicht auf Juden oder Jüdinnen als Einzelpersonen oder als Gemeinschaft ab, sondern sie kritisierten die israelische Armee. Bei der fraglichen Publikation handelt es sich nicht um ein Kunstwerk, sondern um Archivmaterial zur algerischen Frauenbewegung, das im Rahmen der Documenta auf einer Art "Lesetisch" zugänglich ist.
Die in der Broschüre "Presence des Femmes" enthaltenen kritisierten Zeichnungen der beiden Künstler Burhan Karkoutly (1933–2003) und Naji Al-Ali (1937–1987) zeigen unter anderem Soldaten mit Davidstern am Helm als Roboter mit entblößten Zähnen. Sie lösten nach den bereits seit Monaten kursierenden Antisemitismus-Vorwürfen gegen die Documenta und dem Abbau eines Banners mit antisemitischer Bildsprache eine weitere Welle der Empörung gegenüber der Ausstellung in Kassel aus.
Das Kollektiv erläuterte nun, es halte es für dringend geboten, die Kritik an der israelischen Besatzung, die sich in den Darstellungen äußere, nicht mit Antisemitismus gleichzusetzen. Das Heft - 1988 in Algier erschienen - habe sich offen als Fürsprecher des palästinensischen Volkes und der palästinensischen Frauen positioniert. "Es enthält Beiträge von Schriftsteller:innen und Dichter:innen, die die Situation in Palästina, den Widerstand der Palästinenser:innen sowie Publikationen zur algerische Kultur- und Kunstszene jener Zeit thematisieren."
Kontext auch für andere Werke
Dabei betont das Kollektiv die besondere Bedeutung des Jahres 1988 in der Geschichte des unabhängigen Algeriens vor dem Hintergrund des Oktober-Aufstands, der die Weichen für die Entstehung eines Mehrparteiensystems im Februar 1989 gestellt habe. "Es handelt sich um historische Dokumente, die zunächst einmal auch als solche verstanden werden sollten."
Die Begründerinnen des im Kassel gezeigten Archivs äußern sich in dem Statement außerdem zu ihrer eigenen Motivation: "Seit seiner Gründung im Zuge der in Algerien als hirak bezeichneten Protestbewegung im Jahr 2019 verfolgt das Kollektiv Archives des luttes des femmes en Algérie ein unabhängiges Forschungsvorhaben mit dem Ziel, ein frei zugängliches digitales Archiv einzurichten, das die Geschichte der algerischen Frauenbewegung von der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1962 bis in die Gegenwart rekonstruiert. Durch die digitale Sammlung von Dokumenten, die von feministischen Vereinigungen und Frauenkollektiven produziert wurden, wollen wir der Öffentlichkeit eine Geschichte näherbringen, die lange marginalisiert blieb, und den Zugang zu bislang vernachlässigtem und daher kaum bekanntem Material ermöglichen."
Laut Auskunft der Documenta sollen auch andere politische Werke kontextualisiert werden, darunter Arbeiten des indonesischen Kollektivs Taring Padi im Hallenbad-Ost und des Kollektivs Subversive Film, das im Hübner-Areal historische Propagandafilme zum Thema Palästina zeigt.