Auf der Venedig-Biennale im Mai ist sie der schockierende Hingucker. Jetzt stellt das Museo Picasso Málaga rund 80 Skizzen, Zeichnungen, Collagen und monströse Puppen an die Seite der großformatigen, beunruhigenden Gemälde von Paula Rego. Kurz nach der Eröffnung, Anfang Juni, ist sie im Alter von 87 Jahren gestorben.
Gleich ein ganzer Raum widmet sich Nervenzusammenbrüchen. Man wundert sich über das immer gleiche Sofa, auf dem das Modell Lila Nunes jeweils eine andere Pose einnimmt. Sieben Bilder, sieben Tiefs – aber was für welche! Dass das bühnenhafte Möbelstück Paula Regos Therapeuten gehörte, ist natürlich kein Zufall. Die Serie "Besessenheit" (2004) fungiert als zentrales Selbstporträt einer Künstlerin, die selbst oft genug durch die Hölle der Depression gegangen ist.
Die verrenkten Körper imitieren Hysterie-Fotografien vom Ende des 19. Jahrhunderts. Zugleich scheinen sie den Darstellungen von Märtyrerinnen durch alte Meister zu ähneln. Gemalt hat sie Rego mit Pastellstiften. Viele ihrer grausamen "Kurzgeschichten" rund um Unterdrückung und ambivalente Erotik greifen auf literarische Quellen zurück – weshalb sie ihre Charaktere auch Kreaturen nennt und nicht Menschen.
Aktivistin und malende Dompteurin
In ihrer Kindheit erlebte sie in Portugal die Auswirkungen des Militärputsches von Salazar. Frauen in die Küche, die Kirche ist übermächtig, die Militärpolizei foltert. Gleich am Anfang läuft man auf "Verhör" von 1950 zu, das eine erschöpfte Frau zwischen zwei Männern zeigt. Der eine hält eine Bohrmaschine. Regos Vater, ein Regimegegner, ließ sie eine englische Schule besuchen, ein Fundament, das ihr ermöglichte, in London an der Slade School of Fine Art Kunst zu studieren, parallel zu David Hockney und Frank Auerbach. Hier traf sie auch ihren Ehemann Victor Willing.
Anfangs blieben ihre Bilder auf einer abstrakten Ebene anarchisch, die satirischen Figuren wurden mit Papierfetzen, Cartoons und knalligen Farben collagiert. Erst seit den 1980er-Jahren dominierte die Figuration das Bestiarium der Affen und Hunde, es entstanden die meisterhaften Szenen von Peitsche schwingenden Mädchen. Und die in Portugal hochgradig politischen Porträts von Frauen, die abgetrieben, sich aber auch von der "Familie" befreit und etwa ein eigenes Atelier erkämpft haben.
Von irritierender Sprengkraft sind die Konstellationen zwischen Hunden und Menschen: Mal mutieren Frauen zu Schlägen ausweichenden Hündinnen, mal sind es die Männer, die hilflos nach dem Frauchen bellen. Dahinter verbergen sich manchmal auch Rego und ihr an Multipler Sklerose erkrankter Mann. Der einstige Fremdgeher verwandelt sich in ein hilfebedürftiges Wesen, während Rego mit ihrer Frustration allein bleibt und sich einen Racheengel wünscht. Der hängt in einem der letzten Räume, ein Ganzkörperporträt einer maskulinen Frau mit gezücktem Schwert. Der Kampf mag für die Frauen weitergehen, die Aktivistin und malende Dompteurin Rego hatte den ihren auf der kunsthistorischen Relevanzskala längst gewonnen.