Könnte sie noch eingeladen werden, Elsa Schiaparelli wäre wohl der perfekte Gast für das Festival Strike a Pose. Die Entwürfe der 1973 verstorbenen Designerin bewegten sich stets zwischen exzentrischer Mode und tragbarer Kunst, auch durch ihre enge Zusammenarbeit mit Künstlern des Dadaismus und Surrealismus. Schiaparellis berühmtes "Lobster Dress" etwa entstand aus einer von vielen Kollaborationen mit Salvador Dalí. Sie ließ Mode und Kunst miteinander spielen – ohne jede Grenze.
Das ist nicht nur historisch gesehen ein interessanter Ansatz. Auch heute ist es spannend zu beobachten, wie Kunst und Mode sich gegenseitig bereichern können – wenn man sie lässt. Beide Bereiche offen ineinander übergehen zu lassen eröffne einen ganz neuen Blickwinkel, sagt Galeristin Linn Lühn. In ihrer Galerie trifft Pionierin Schiaparelli auf einen alten Bekannten, den avantgardistischen Künstler und Fotografen Man Ray. Er hatte die Designerin immer wieder in ihren eigenen Entwürfen abgelichtet, oft auch trafen sich ihre Arbeiten und wurden zu Projekten, die Kunst und Mode vereinten. Den Raum wird sich Rays Portfolio "Femmes", eine Fotoserie von 26 Drucken weiblicher Akte, mit der Projektion des Films "Elsa Schiaparelli: Mode ist Kunst" von 2015 teilen. Beide Werke stehen für sich, die Schnittpunkte werden sich von allein offenbaren, da ist sich Lühn sicher.
Aus Alt wird Neu
Die Galerie Wildpalms legt ihren Fokus auf Natur und Umwelt und zeigt während des Festivals, wie Mode und Kunst im Bereich Nachhaltigkeit voneinander lernen können. Schnittstellen ergeben sich hier auch im Handwerklichen – ein Thema, das sich durch viele Kooperationen des diesjährigen Strike a Pose zieht. Angelika Kammann, Gründerin des nachhaltigen und innovativen Modelabels Société Angelique, ist darauf bedacht, Materialverluste zu verringern, und verfolgt gerade den Ansatz einer neuen Technologie: aus alten Stoffresten einen ganz neuen Stoff herzustellen. Die Muster der so entstehenden Textilien können selbst gestaltet werden – ein Prozess, der einen Teil der Kollaboration mit der französisch-kolumbianischen Künstlerin Karen Paulina Biswell ausmachen wird. Biswells Fokus liegt auf der Erforschung von Weiblichkeit, Intimität, Natur und Andersartigkeit, insbesondere in Bezug auf indigene Frauen. Das indigene Wissen über Natur und Umwelt beschreibt Galeristin Alexandra Meffert als sehr bereichernd.
Aus Köln kommt die Galerie Clages angereist und mit ihr eine Zusammenarbeit des Künstlers Oliver Husain mit dem nachhaltig arbeitenden Schirmhersteller Fare. Husain, der in Toronto lebt, arbeitet als Maler, Filmemacher und Performance- und Konzeptkünstler: ein Künstler, der alles abdeckt, so wie die aufgespannten Regen- oder Sonnenschirme, denen er sich für die Kollaboration gewidmet hat. Zwischen Gehstock-Ersatz und modischem Requisit bewegt sich das tragbare Dach aus Stoff, das Husain selbst charmant als "Accessoire hinter dem Accessoire" beschreibt. Für Strike a Pose überführt er es zur Kunst und bildet eine Skulptur aus nicht nur einem Schirm, sondern einer ganzen Menge, wie Galeristin Marietta Clages erzählt. Oliver Husains Interesse gilt dazu der Projektionsfläche, die der gespreizte Schirm bildet und die er als Erweiterung einer Leinwand nutzt: Sie sind innen- und außenseitig bedruckt mit Motiven, die sich auf seine Auseinandersetzung mit Tanz und Bewegung beziehen.
Das Künstlerinnenduo Lena Willikens & Sarah Szczesny wird von der Kölner JUBG Contemporary Art Gallery nach Düsseldorf eingeladen. Seit 2015 arbeiten die beiden Künstlerinnen zusammen, als sie eine Serie von Musikvideos zu Willikens' EP "Phantom Delia" entwarfen. Die damals entstandene "Phantom Delia Video Series" bildete den Anfang ihres "Phantom Kino Ballett", das auch bei Strike a Pose zu sehen sein wird: eine stetig wachsende Komposition aus Sound, Text, Video, Grafiken, Kostümen, Installationen und Performances. Die Kleidung spielt als Bildträger eine wichtige Rolle, und so arbeiten Willikens und Szczesny auch exklusiv für das Festival an einer kleinen Edition von Sweatern, die sich auf ihr erstes "Phantom Shirt" bezieht.
Spielerisch und interaktiv
Andy Scherpereel und Andreas Hoyer, Gründer des Kölner Modegeschäfts Heimat, wollen in die Hektik der Mode Ruhe bringen und der Übersättigung entgegenwirken. Für Heimat kaufen sie in Bildern, nicht in Produkten, wie es Hoyer beschreibt. Es geht ihnen darum, eine Essenz der Vision des Designers zu transportieren, nicht bloß einen Namen – gleichzeitig der Kunst des Designers Respekt zu zollen und durch ihre ganz eigene Auswahl von Kleidungsstücken einen neuen Blickwinkel zu schaffen. Mode ermögliche es, einem momentanen Gefühl Ausdruck zu verleihen, und das sei auch der Ansatz ihres Projekts bei Strike a Pose. Heimat wird Illustrationen aus dem Modekontext mit der Idee von Spieltrieb, Rollen und festgelegten Stilen vereinen. Verführung und Spiel seien auch das, was ein Kleidungsstück letztlich von einer Hülle zu einem aussagekräftigen Medium transformiere, wie Hoyer es erklärt.
Spielerisch wird es auch bei der Düsseldorfer Galerie Boa-Basedonart. Sie organisiert für Strike a Pose eine Reihe von Performances in Zusammenarbeit mit Takako Saito. Durch das Leben der 1929 in Japan geborenen Fluxuskünstlerin zieht sich das Spiel mit der Kunst als eine Art Befreiung von Konventionen, auf der Suche nach innovativen, kreativen Ansätzen und Dialogen. Takako Saito verwischt in ihrem Werk Grenzen zwischen Kunst und Leben, Kunst und Handwerk und schließlich auch Kunst und Mode.
So fertigt sie Klangkleider an, die aus aneinanderschlagenden Papierwürfeln bestehen oder zum Xylofon umfunktioniert werden können, ihre Buchkleider enthalten kleine Nachrichten in unzählbar vielen Taschen, Spiele-Overalls laden zum Bemalen ein. Takako Saitos interaktive Kleidungsstücke werden das Herzstück ihrer Performance sein, die gleichzeitig von dem Austausch zwischen Publikum und Performer lebt. Heute noch bemalt die 93-Jährige ihre eigene Kleidung, wie Boa-Basedonart-Direktorin Dunja Evers erzählt – vielleicht interessant für die Herbst/Winter-Saison?
Tradition trifft Fiktion
Japanisches Handwerk ist auch in der Galerie Rupert Pfab zu erwarten. "Wringen, drehen" ist die wortwörtliche Übersetzung der Textilveredelungstechnik Shibori, die seit über 400 Jahren in dem japanischen Dorf Arimatsu praktiziert und von Mutter an Tochter und Vater an Sohn weitergegeben wird. Hiroyuki Murase, Mitglied einer dort ansässigen Familie in der fünften Generation, ist Creative Director des Modelabels Suzusan, dessen Designs auf Shibori basieren. Für Strike a Pose entwickeln er und die Fotokünstlerin Astrid Busch (Licht-)Installationen und Objektkunst, eine gemeinsame Arbeit: Busch ließ nahezu abstrakte Fotomotive auf Stoffe drucken, die Suzusan in Japan in der Shibori-Technik per Hand weiterbearbeiten lässt. Verbindendes Element sei der Schichtungsprozess, erklärt Galerist Rupert Pfab, Stoffschichten stehen geschichteten Fotografien gegenüber. Die fertige Kollaboration wird zusammen mit weiteren Kollektionen Suzusans ausgestellt und bildet so das Finale der Mitte Mai beginnenden Astrid-Busch-Ausstellung in der Galerie Pfab.
Auch die Abschlusskollektion von Modedesigner Valentin Lessner, die auf der Piazza am Fashion Day zu sehen sein wird, nimmt das Motiv der Handwerkskunst wieder auf. In "Resurrectio" treffen traditionelle Werte und Heimatverbundenheit auf ständigen Wandel und den Wunsch nach innovativer Entwicklung. Als "fiktive Zukunftsgarderobe eines Großvaters" beschreibt Lessner seine neun Looks, für die er zum Finalisten in der Kategorie Mode des Internationalen Festivals für Mode, Fotografie und Modeaccessoires in Hyères gekürt wurde.