Coronabedingt können bestimmte Ticket-, Hygiene- und Abstandsregelungen gelten. Vor dem Ausstellungsbesuch empfiehlt sich deshalb ein Blick auf die jeweilige Institutions-Website.
"Messe in St. Agnes" (Misa) in Berlin
Auf die Idee muss man erstmal kommen. "Für uns war die zentrale Frage: Warum kaufen Menschen keine Kunst?", sagt der Berliner Galerist Johann König. Nicht nur in der Kunstbranche fragen sich Händler normalerweise im positiven Sinne, wer sich für welche Ware interessiert. Aus diesem umgekehrten Ansatz heraus habe er seine "Messe in St. Agnes", kurz Misa, initiiert, und diese Frage stehe auch im Zentrum aller Weiterentwicklungen seines Formats, das jetzt schon seine dritte Auflage erlebt.
Um eine Kunstmesse im traditionellen Sinn handelt es sich dabei jedoch nicht, selbst nach den sich rapide wandelnden Maßstäben des Kunstmarkts. Zwar gibt es mit Lena Winter jetzt eine Messedirektorin. Die hat jedoch ihre bisherige Karriere bei Auktionshäusern bestritten. Ihre Berufung steht beispielhaft für den hybriden Charakter dieses neuen Formats: Im Grunde ist es eine sehr, sehr große Gruppenausstellung mit über 300 Künstlerinnen und Künstlern und über 500 Werken. Rund die Hälfte davon ist in der Galerie zu sehen, die andere im Internet.
Damit die Besucher nicht den Überblick verlieren, sind alle Werke in "Booths" - Messekojen – gruppiert, 21 insgesamt, aber eben nicht nach Ausstellern, sondern thematisch. Sie tragen Titel wie "Post-Internet", "Post War" oder "Ultra Contemporary", aber auch so launige wie "Stadt Land Fluss". Sogar eine Kategorie "Portrait" gibt es, ein im zeitgenössischen Kunstbetrieb eher randständiges Sujet, das aber durchaus seine Sammler hat. Die Messeleiterin nimmt die Besucher sozusagen an die Hand und führt sie durch die Ausstellung.
"Misa #3", St.Agnes, Berlin, bis 22. August
Sergej Jensen in Bern
Der dänische Künstler Sergej Jensen hat sich immer als Maler verstanden. Zugleich haderte er mit den gängigen Vorstellungen von Malerei. Für seine Werke hat er oft Textilien verwendet, die er bleichte oder als Flicken zusammennähte. In jüngster Zeit greift Jensen wieder zu Farbe und Pinsel. Die Werke, die er nun in der Kunsthalle Bern – in seiner ersten Soloschau in der Schweiz – präsentiert, basieren auf drucktechnischen Verfahren: Halb sind die Bilder maschinell hergestellt, halb handgemacht.
"Sergej Jensen", Kunsthalle Bern, bis 4. Oktober
Gegenwartskunst in Chemnitz
Von Malerei und Skulptur über Videokunst und Soundcollagen bis zur Hologramm-Performance reicht das Spektrum der gezeigten Werke beim 18. Chemnitzer Kunstfestival "Begehungen". Insgesamt 20 Positionen zum Thema "Leerzeit" aus dem In- und Ausland machen bis Sonntag, 15. August, einen ehemaligen Güterbahnhof zum Ort der Gegenwartskunst auf Zeit. Sie entstanden im Zuge von sieben vierwöchigen Residenzen oder wurden von 13 Künstlerinnen und Künstlern aus dem In- und Ausland eingesandt, wie die Vorsitzende des Trägervereins und Kuratorin Luise Grudzinski sagt. Die meisten Arbeiten sind in der Halle, weitere auf dem Gelände zu sehen - und zwei nur digital präsent.
Im Fokus der diesjährigen Ausgabe steht die Auseinandersetzung mit dem Stillstand aufgrund der Corona-Pandemie, der die Kunst- und Kreativszene hart trifft. Die unverschuldete Unproduktivität passe nicht zuletzt auch zum Ausstellungsort, einem "Symbol der Leerzeit", sagte Grudzinsky. Neu sind zwei Remote-Residenzen abseits von Chemnitz: Olek (Agata Oleksiak) schuf in New York eine Strickarbeit, die per VR-Brille sichtbar gemacht wird. Und die Eröffnungsperformance von Nicola Dales kommt als Hologramm aus Michigan (USA).
Das Festival präsentiert seit 2003 jährlich an wechselnden Orten und mit verschiedenem Fokus Gegenwartskunst. Mit mehr als 30 Veranstaltungen vom Podium bis zum Konzert wird diesmal der vor zwei Jahrzehnten stillgelegte Güterbahnhof bespielt, bevor er neu bebaut werden soll. Er ging 1903 in Betrieb, der genau 100 Jahre später eingestellt wurde. Er war einst Drehkreuz für Fabriken im Norden der Stadt. (dpa)
"Begehungen", Güterbahnhof, Chemnitz, bis 15. August
Devan Shimoyama in Erlangen
Seine Malerei strahlt in den Farben des Regenbogens, seine Figuren sind schillernd und selbstbewusst. Der afroamerikanische Künstler Devan Shimoyama schafft Materialcollagen, in denen neben Ölfarben auch Pailletten, Strass, Stoff und Federn zum Einsatz kommen. Freunde, Idole und sich selbst stellt er in den Bildern in unterschiedlichen Rollen mit mythologischem und fantastischem Bezug dar. Das Kunstpalais Erlangen präsentiert den 1989 in Philadelphia geborenen Künstler erstmals in Deutschland.
"Devan Shimoyama: All the rage", Kunstpalais, Erlangen, bis 14. November
In Zeiten von 1,50 Meter Corona-Sicherheitsabstand präsentiert das Essener Museum Folkwang eine große Ausstellung zur Kulturgeschichte des Tanzes als einer Form der auch körperlichen Begegnung zwischen Fremden und Kulturen. Unter dem Motto "Global groove - Kunst, Tanz, Performance und Protest" zeigt das Haus ab dem 13. August bis zum 14. November in elf Räumen Fotos, Filme, Kostüme, Gemälde und Installationen zu 120 Jahren Tanz und Tanzgeschichte in Europa und den USA sowie in Asien, vor allem Japan.
In der Schlussinstallation lädt das Museum selbst zum Tanz: Die niederländische Fotografin Anouk Kruithof hat über Jahre hinweg im Internet Videos mit tanzenden Menschen im Alltag gesammelt und zeigt sie auf acht großen Bildschirmen in einem abgedunkelten Raum. Dazu bekommt der Besucher eine Tonspur mit eigens für die Installation geschaffener Musik in kräftiger Lautstärke über den Kopfhörer.
"Die Besucher können gerne mittanzen", sagt die Folkwang-Kuratorin Anna Fricke. "Wir können uns ja derzeit nicht die Hand geben, eng umschlungen tanzen erst recht nicht", sagt Museumsleiter Peter Gorschlüter. Dabei setze der Tanz Energie frei und verbinde. Die Ausstellung ist damit für Gorschlüter eine "Kulturgeschichte des Kontakts".
Sie zeigt Geschichten von Begegnungen über den Tanz - etwa das Treffen des berühmten Bildhauers Auguste Rodin (1840-1917) mit der Tänzerin Madame Hanako (1868-1945) in Marseille 1906 oder das Treffen von Kurt Jooss (1901-1979), dem Mitbegründer der Folkwangschule, der vor dem Nazi-Regime nach England floh und dort 1934 auf den indischen Choreografen und Tänzer Uday Shankar (1900-1977) traf.
Eine wohl einmalige Begegnung zwischen Tanz und Mode dokumentiert die Ausstellung in großformatigen Fotos des Fotografen Bernd Hartung: Zum 25. Jubiläum des Tanztheaters Wuppertal von Pina Bausch (1940-2009) hatte der japanische Modedesigner Yohyi Yamamoto 1998 eine Kollektion eigens für das Tanzensemble entworfen. Bei der Präsentation trat Yamamoto selbst als Karatekämpfer an und begegnete Bausch in einer kurzen Spontan-Performance auf der Bühne - einem Aufeinandertreffen von Kampfkunst und Tanztheater, das in Umarmungen endete. (dpa)
"Global groove - Kunst, Tanz, Performance und Protest", Museum Folkwang, Essen, bis 14. November
Für eine Installation des US-Künstlers Asad Raza unter dem Motto "Absorption" haben Helfer in einem leerstehenden Bürogebäude in der Essener Innenstadt rund 30 Zentimeter hoch Erde verteilt. Die Helfer graben den Sand-, Lehm- und Kompostboden immer wieder um. Er enthält zahlreiche Substanzen aus dem Ruhrgebiet wie Koks, Taubenkot, Klärschlamm, Kaffeereste, Haare aus Friseursalons oder Gerste von einer Essener Brauerei. All das solle im Boden absorbiert und wieder zu einer einheitlichen Substanz werden, erklärte der Künstler bei der Vorbesichtigung. Damit wolle er die industriellen Trennungsprozesse umkehren.
Die Aktion läuft parallel zur Ruhrtriennale bis zum 25. September. Besucher sind eingeladen, durch das einstige Bürogebäude zu laufen, das zuletzt eine Sparkasse genutzt hatte. Sie können auch ein Säckchen Erde mitnehmen. Am Ende der Aktion wird die Erde komplett verschenkt. Es soll kein Abfall zurückbleiben. (dpa)
"Absorption", ehemaliges Allbauhaus, Essen, 14. August bis 25.September
Meisterwerke im Freien in London
Bewohner und Besucher der britischen Hauptstadt können sich im Londoner Zentrum in den kommenden Wochen im Vorbeigehen an Kunst erfreuen. Die National Gallery stellt Nachbildungen einiger ihrer berühmtesten Ausstellungsstücke auf dem Trafalgar Square aus. Seit Dienstag sind etwa die Sonnenblumen von Vincent van Gogh oder "Venus und Mars" von Sandro Botticelli auf großen Stellwänden auf dem belebten Treffpunkt zu sehen.
Die Repliken der Gemälde sind Teil des "Inside Out"-Festivals und werden noch bis Anfang September den Trafalgar Square zieren. Ein möglichst barrierefreier Zugang zu Kunst und Kultur hat im Vereinigten Königreich Tradition. So gilt in den meisten Museen für die Dauerausstellungen freier Eintritt. Mit mehreren kulturellen Veranstaltungen will der Stadtrat von Westminster wieder mehr Menschen ins Zentrum locken. Wegen der Pandemie war dieses weitgehend verwaist, da viele Menschen nicht mehr ins Büro fuhren und auf ihre üblichen Wege verzichteten.
"Inside Out"-Festival, National Gallery, London, bis 2. September
Klang als Kunst in München
Das Bild ist nicht genug. Sound wird in der Kunst immer wichtiger – so hat das Münchner Haus der Kunst die Arbeit mit Akustik und Musik zum Schwerpunkt der kommenden Jahre erklärt. Das Startprojekt "Tune" ist dort mehr als eine Ausstellung: Die beteiligen Künstlerinnen und Künstler präsentieren im Museum Klanginstallationen, aber auch Live-Performances, die jeweils von Künstlergesprächen flankiert sind. Die beteiligten William Basinski, Beatrice Dillon, Kelman Duran, Lamin Fofana oder Abdullah Miniawy teilen das gemeinsame Interesse daran, wie Sound die materielle Welt durchfließt, sich mit ihr überschneidet und sie verwandelt.
"Tune", Haus der Kunst, München, bis 10. März 2022
Fritz Wotruba in Neustrelitz
Mit einem wichtigen Bildhauer des 20. Jahrhunderts – Fritz Wotruba (1907-1975) – setzt die Galerie in der Schlosskirche Neustrelitz (Mecklenburgische Seenplatte) an diesem Samstag ihre Ausstellungstradition wieder fort. Unter dem Motto "Menschenbild und Architektur" werden etwa 30 Plastiken und Grafiken des Bildhauers gezeigt, wie Organisatorin Dorothea Klein-Onnen erklärt. Die Schau war coronabedingt 2020 geschlossen. Zur Eröffnung werde die Wiener Expertin für die Kunst Wotrubas, Gabriele Stöger-Spevak vom Kunstmuseum Belvedere, erwartet.
Wotruba wird von Kunstkennern zu den bedeutendsten Bildhauern seiner Zeit in Europa gezählt, sagte Klein-Onnen. In Wien erinnern eine Stiftung, eine Kirche und ein Museum an die Arbeit des Künstlers, von dem auch etliche Werke in Deutschland existieren.
Mit der Ausstellung, die bis zum 3. Oktober läuft, setzt die Galerie eine Tradition fort, die die ehemaligen Kuratoren Uwe Maroske und Raimund Hoffmann begründet hatten. Der Bildhauer Maroske war 2020 überraschend gestorben, der Kunsthistoriker Hoffmann plötzlich schwer erkrankt. Beide hatten die Schlosskirche über Jahre zu einer wichtigen Adresse für Liebhaber der Bildhauerei in Mecklenburg-Vorpommern entwickelt. Inzwischen organisiert das Kulturquartier Mecklenburg-Strelitz die Ausstellungen, das Klein-Onnen leitet.
"Menschenbild und Architektur", Plastikgalerie Schlosskirche Neustrelitz , bis 3. Oktober