Spektakulärer Fund

Was über das wieder aufgetauchte Polke-Werk bekannt ist

Die Polizei hat mehrere Jahre nach seinem Verschwinden ein "Vasen Linsenbild" von Sigmar Polke in Mainz gefunden. Die Rede ist von organisiertem Kunstdiebstahl. Was über den Fall bekannt ist - und welche Fragen noch offen sind

Über das "Vasen Linsenbild" von Sigmar Polke, das nach dem Tode des Künstlers in Köln gestohlen worden war und laut Mainzer Polizei in einer Privatwohnung sichergestellt wurde, war bislang nicht viel bekannt gegeben worden. Die Kunstexperten vom BKA hatten aber seine Echtheit bestätigt, bevor die Mainzer Polizei ihre Meldung herausgab: "Erfolgreicher Schlag gegen organisierte Kunstdiebe".

Maße (111 mal 92 Zentimeter, das schließt allerdings auch den Rahmen mit ein) und geschätzter Preis (500.000 bis 600.000 Euro) wurden genannt, aus welchem Jahr das Werk stammt, war allerdings nirgends zu lesen. Das Presseportal machte dazu keine Angaben, eine Mitarbeiterin der Mainzer Polizei wusste aber auch, dass der Künstler im Laufe seines Lebens sehr viele Werke geschaffen habe und da bei weitem nicht immer alles klar sei.

Der Eindruck kann durchaus entstehen, wenn man die Website des Sigmar Polke Estate ansteuert: "Wir bitten alle Besitzer von Werken von Sigmar Polke um Mithilfe. Bitte machen Sie Angaben zu den Werken des Künstlers, die sich in Ihrem Besitz befinden", appellieren die Verwalter des Nachlasses, und bitten, ein PDF-Formular auszufüllen.

Diebstahl länger unbemerkt geblieben

Die letzten unrechtmäßigen Besitzer des wiedergefundenen Linsenbildes hatten im November 2020 Erkundigungen eingeholt, um zehn Jahre nach dem Diebstahl erste Verkaufsgespräche anzubahnen – ein Zeuge meldete es der Polizei. Ein halbes Jahr später wurde das Gemälde dann in einer Mainzer Wohnung gefunden. Zwei Männer und eine Frau gerieten in den Fokus der Ermittlungen, die immer noch andauern. So war der Diebstahl des "Vasen Linsenbilds" offenbar längere Zeit unbemerkt geblieben – irgendwann nach dem Tod des Künstlers im Jahr 2010 in Köln waren insgesamt vier Bilder aus einer Galerie verschwunden.

Zuletzt zu sehen war das Gemälde im Jahr 2009 in der Ausstellung "Lens Paintings" bei Michael Werner in New York, ungefähr zur selben Zeit als Polke sein großes Projekt von Glasfenstern und Steinen für das Zürcher Großmünster vollendete. In der Ausstellung seiner "Linsenbilder" zeigte Polke damals 26 Unikate, in denen viele Motive seiner Ideenwelt aus fast 50 Jahren Kunstschaffen noch mal zusammenfanden. Darunter auch das "Vasen Linsenbild" von 2008.

Nachdem Polke bereits 1999 für einen Leuchtkasten im Berliner Reichstag die 3D-Hologrammtechnik eingesetzt hatte, versuchte er immer wieder, einen ähnlichen Effekt mit rein manuellen Mitteln zu erzielen. Eine Schicht aus Gel, das normalerweise zum Andicken von Acrylfarbe verwendet wird, "kämmte" er mit einer gezahnten Rakel über seine Bilder und bemalte partiell auch diese Oberfläche.

Was sehen wir? Was können wir wahrnehmen?

Die Brechung durch das Acrylglas macht die Linsenbilder zu Vexierbildern. Zu den großen, komplexen Untersuchungen des Künstlers, die er mittels seiner Werke zu klären versuchte, zählten Fragen wie: Was sehen wir? Was können wir wahrnehmen? Sind Betrachter Teil des Bildes?

Die Fotografie, die das die Mainzer Polizei jetzt der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt, schreibt diese Erkundungen fast ein bisschen fort: Das Gemälde in einem kirschholzfarbenen, leicht angeschlagenen Rahmen, ist vor der Fotowand der Mainzer Polizei positioniert. Deren Logo – das Landeswappen von Rheinland-Pfalz, eingebaut in die runde Form des Polizei-Strahlenkranzes – fügt dem an Dimensionen nicht arme Gemälde eine weitere hinzu. Fast denkt man an die berühmten Polke-Punkte. Vor allem aber wollen jetzt alle dasselbe wie der Künstler: Transparenz.