Christian Werners Fotografie ist ziemlich zeitgemäß. Aber was heißt das, woran liegt es? Dass sie aussieht wie das, was man gerade so macht? Das wäre ja viel zu wenig. Dass er irgendeinen Nerv trifft? Schon eher. Und so etwas passiert heute nicht mehr zufällig, sondern dadurch, dass man sich extrem gut auskennt.
Christian Werner kommt einem fast ein bisschen zu jung für das vor, was er alles kennt. Seine Faszination für Popkultur haben eigentlich Menschen, die 20 Jahre älter sind als er. Menschen, die an dem Hockney-Zitat festhalten: "Surface is an illusion, but so is depth", jene Dinge, die vor 2001 festlegten, was cool war, und danach mit einem großen "Ja, aber" versehen wurden. Dass Christian Werner beide Äras und Generationen kennt und versteht, ist vielleicht sein großer Vorsprung. Als er Bret Easton Ellis in Los Angeles fotografiert, ist er so aufgeregt, dass er die Kamera fallen lässt und das Objektiv sich so verzieht, dass er kaum scharf stellen kann.
In seinem neuen Buch "Everything so Democratic and Cool" zeigt er neben einigen Porträts, die als Auftragsarbeiten, aber auch nebenbei und auf Reisen entstanden sind, auch das Blumenbouquet in der Pariser Oper während einer Modenschau von Berluti; eine vergilbte Ausgabe von Adornos Minima Moralia auf dem Sessel von Nikolaus Kuhnert, dem Begründer des Fachmagazins "Arch+"; ein Motorboot, dessen Motor mit einem Autoteppich abgedeckt wird während einer Biennale in Venedig, und anonyme, zufällig entstande Straßenporträts.
Symbolsprache der Dinge
Gerade in den Aufnahmen ohne Personen zeigt sich sein Gespür für die Symbolsprache der Dinge, die auch immer etwas Skulpturales haben. Was aussieht wie eine zufällig schlüssige Komposition, ist das Ergebnis von intensivem Nachdenken und Selbstbeschränkung. "Fotografie ist für mich auch ein Spiel mit Zeichen, und ich versuche häufig, Verweise und Symbole in meinen Bilder unterzubringen. Je subtiler diese sind, desto lieber ist es mir allerdings", sagt der in Berlin lebende Fotograf. Schließlich geht es darum, mit den Bildern von dort etwas neues zu erzählen, das nicht sofort jeder kennt. Und das ist in dieser von guten Bildern überfluteten Gegenwart tatsächlich harte Arbeit.
Die Anstrengung sieht man den Bildern nicht an, und dennoch merkt man, dass Komposition, Farbzusammenspiele, Kontraste, Brüche und Tonwerte niemals so stimmig sein könnten, wenn sie nebenher im Schnappschussverfahren aufgenommen wären, weil man zufällig gerade da war. Christian Werners Radius als Fotograf ist privilegiert: Balenciaga, Popstars, intellektuelle Prominenz wie Antonio Negri, Heinz Bude, Diedrich Diederichsen. Ein Shooting mit Billie Eilish droht zu kippen, als er ihr einen Vanille-Shake besorgt, denn sie lebt milchfrei. Das Bild von Harun Farocki ist das letzte offizielle Porträt von ihm, sein Werk zählt Christian Werner zu seinen größten Einflüssen. Er weiß nicht nur um die Privilegiertheit, sondern schafft es irgendwie, das in seinen Fotografien mitzuteilen. Was seine fotografische Haltung viel eleganter und feiner macht als ein ungebrochenes Abfeiern von Namen und Orten, oder die ironische Distanz.
Der demokratische Blick
So ist auch die Wahl des Titels dieses Buches viel aufrichtiger, als man denken könnte: "Everything so Democratic and Cool" ist kein mauliger Seufzer der gelangweilten internationalen Bohéme, nur eine Liedzeile aus dem Song "Random Rules" der Silver Jews, den Christian Werner auf Fahrten durch Los Angeles gern gehört hat, wo er sich in den letzten Jahren aufhielt. "Pop-Zeilen und Zitate waren für mich immer schon sehr wichtige Lebensbegleiter", sagt er. "Die besten sind extrem offen gehalten und verdichten dennoch ein präzises Gefühl von etwas, das sich gar nicht anders ausdrücken lässt."
Wer sich fast so gut auskennt wie Christian Werner, dem fällt womöglich auch noch das große fotografische Werk von William Eggleston ein, der mit "The Democratic Forest" den berühmten demokratischen Blick etabliert hat. "Der besagt", so Christian Werner, "dass alles dasselbe Recht hat, ins Bild gerückt zu werden."