"Men don’t protect you anymore". Das wusste die US-amerikanische Künstlerin Jenny Holzer schon mit vier Jahren, als sie begann einen Tischlergürtel zu tragen, in dem sie eine Schleuder, ein Taschenmesser und weitere Waffen verstaute, um Angriffe aller Art abwehren zu können. Jetzt steht der Slogan auf einer 7,5 x 25,5 cm großen Aluminiumplakette, dauerhaft befestigt an einem Skulpturensockel im Kolonnadenhof der Museumsinsel Berlin vor der Alten Nationalgalerie. Es ist einer von Holzers "Truisms" (Binsenweisheiten), ihrer wohl bekanntesten Werkserie. Sie besteht aus knapp 300 einzeiligen, poetisch-wahren bis klischeehaft-entleerten Feststellungen, von "Stupid people shouldn’t breed" bis "Boredom makes you do crazy things".
Jenny Holzers Kunstwerk folgt auf die Sonderausstellung "Kampf um Sichtbarkeit. Künstlerinnen der Nationalgalerie vor 1919", die am Sonntag zu Ende ging, und soll nun Künstlerinnen im öffentlichen Raum auf der Museumsinsel repräsentieren. Der 8. März, Weltfrauentag, war ein symbolisches Datum für die Finissage der Schau, deren Protagonistinnen zukünftig auch Einzug in die Sammlungs-Präsentation der Alten Nationalgalerie halten sollen. Der Tag passte aber ebenso gut für die Einweihung des neu installierten Werks von Jenny Holzer.
Slogan der #MeToo-Bewegung
"Men don’t protect you anymore" gehört zur "Survival"-Serie der 1950 geborenen Künstlerin. An den "Truisms" auf hölzernen Postkarten arbeitete die Künstlerin schon in den Jahren 1983-85, doch gerade in der heutigen Genderdebatte finden die Leitsprüche erneut Anklang. Neben "Raise boys and girls the same way" ist "Abuse of power comes as no surprise" wohl die bisher bekannteste Parole der Serie. Holzer lieh sie einer #MeToo Ableger-Initiative, die Ende 2017 in einem offenen Brief zum Kampf gegen Machtmissbrauch und Misogynie in der Kunstbranche aufrief - die Künstlerin war eine der Ersten, die unterzeichnete. Die Anhängerinnen und Unterstützerinnen der "We-Are-Not-Surprised"- Kampagne etablierten den Hashtag #notsurprised, unter dem sie von sexuellen Übergriffen gegen Frauen in der Kunst berichteten.
Nach Jonathan Meese und Joel van Lieshout wurde Jenny Holzer nun als erste Künstlerin von der Berliner Nationalgalerie eingeladen, eine Sockelfläche mit ihrer Kunst zu gestalten. Wie ein Etikett prangt die kurze Nachricht dort und erregt vielleicht nicht das gleiche Aufsehen wie eine LED-Tafel am Time Square, an der Holzer ihre Statements auch schon gezeigt hat. Doch die Botschaft bleibt auch im Kleinformat unmissverständlich.