In dieser Woche haben die englischen Tate-Museen den Klimanotstand ausgerufen. Eine Absichtserklärung mit ganz konkreten Zielen: Die vier Häuser wollen zehn Prozent ihrer CO2-Emission bis 2023 einsparen. An diesem Anspruch müssen sie sich messen lassen. Die Maßnahmen reichen von der Umstellung auf Ökostrom über ein großes Angebot an vegetarischen und veganen Mahlzeiten in den Museumsrestaurants bis zu Dienstreisen per Bahn statt mit dem Flugzeug.
Darüber hinaus arbeiten die Tate-Standorte an einem umfangreichen Richtlinienkatalog für das "grüne Museum". Die Ausrufung des Klimanotstands ist also kein rein symbolischer Akt. Dennoch einer mit großer Signalwirkung.
Der englische Kultursektor scheint gerade fest entschlossen zu sein, endlich angemessen auf die Herausforderungen der globalen Erderwärmung zu reagieren. So haben auch Musiker, Labels und Studios aus dem Vereinigten Königreich den Klimanotstand ausgerufen. Die Serpentine Galleries in London wollen im kommenden Jahr nur Positionen zu diesem Thema zeigen. Und das Arts Council England – eine zentrale öffentliche Fördereinrichtung – hat ein Umweltprogramm ins Leben gerufen, mit dem Workshops finanziert und Einrichtungen zu klimapolitischen Selbstverpflichtungen ermutigt werden sollen. Institutionen, die ihre Klimaziele verfehlen, werden sogar mit Budgetkürzungen sanktioniert.
Wenig Interesse an Klimapolitik in deutschen Museen
Und Deutschland? In den Chefetagen der Museen gebe es eher wenig Interesse an Klimapolitik, sagt Stefan Simon, Direktor des Rathgen-Forschungslabor der Staatlichen Museen zu Berlin. Er berät Ausstellungshäuser von konservierungswissenschaftlicher Seite. Die meisten Museen könnten nicht mal ihre eigene Energiebilanz nach Gewerken auffächern: Wie viel Energie wird für Licht, Klimatisierung, Heizung und so weiter verbraucht? Wie soll man sich mit so wenigen Ausgangsdaten überhaupt Ziele setzen können?
Die Energiebilanz eines Museums dürfe man nicht unterschätzen, sagt Simon. In Yale, wo der Professor in den vergangenen Jahren forschte, habe man erhoben, welche Einrichtungen auf dem Campus den größten carbon footprint haben. Es waren überraschenderweise die Museen und Sammlungen, die den flächenbezogen höchsten Energieverbrauch aufwiesen, und damit noch vor der School of Medicine rangierten.
Klimatechnik als Klimakiller
Das meisten Emissionen verursachen Museen wahrscheinlich durch die Klimatechnik in den Depots und Ausstellungsräumen: die Zufuhr von Frischluft, die Abfuhr von Kohlendioxid, die Regulierung der Luftfeuchtigkeit. In deutschen Museumsdepots wird die Luft standardmäßig über zwei Mal pro Stunde ausgetauscht, wobei die Außenluft je nach Wetter immer wieder be- oder entfeuchtet, heruntergekühlt oder erwärmt wird. Das verbraucht Unmengen Energie.
Hinzu kommen die Beleuchtung, der rege Leihverkehr, Verpackungsmüll und der laufende Energie-Einsatz für Programm und Betrieb der Häuser. Nicht zuletzt schlagen Neubauten – für viele Museen offensichtlich die einzig denkbare Antwort auf die Heraufforderung wachsender Bestände und Besucherzahlen – gehörig ins Kontor: Es braucht Jahrzehnte bis Emissions-Einsparungen durch die besseren umwelttechnischen Standards neuer Gebäude den Energieverbrauch durch Materialien und den Bau des Hauses kompensieren.
Wie können Museen nachhaltiger werden?
Dass Museen zum Klimawandel beitragen, ist eine bittere Einsicht. Schließlich ist das zumeist fragile Kulturgut, das sie bewahren sollen, besonders durch die Erderwärmung und ihre Folgen bedroht. 28 Millionen Euro Schaden meldeten etwa die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden nach der Flutkatastrophe im August 2002. Teile des Louvre mussten in den vergangenen drei Jahren immer wieder wegen Hochwassergefahr schließen. Wer, wenn nicht die Museen, müsste jetzt in Sachen Klimapolitik mit gutem Beispiel vorangehen? Es gäbe auch ihrem Programm mehr Glaubwürdigkeit.
Es sind viele Stellschrauben, und einiges passiert auch schon, etwa der Einsatz von LED-Beleuchtung mit günstigerem Energieverbrauch und längerer Lebensdauer. In Berlin besitzen einige Häuser Photovoltaik-Anlagen und alle städtischen Museen beziehen seit einigen Jahren Ökostrom.
Stefan Simon empfiehlt in konservatorischen Fragen nach der Methode des modernen Risikomanagements vorzugehen, und nicht von starren Regeln und Protokollen, die das Risiko einer bloßen Ritualisierung bergen. Der wichtigste Schritt eines modernen Klimamanagements in Museen ist die Identifizierung und Bewertung von klima-induzierten Risiken.
In anderen Ländern gibt es Museumsdepots, gebaut auf dem aktuellen Stand der Technik, in denen beispielsweise Luftwechselrate und Durchschnittstemperaturen deutlich herabgesenkt sind, was zu beträchtlichen Einsparungen im Energieverbrauch führt. Auch durch einen Übergang von Ein-Punkt- zu Zwei-Punktregulierung bei Feuchte und Temperatursteuerung könne man viel Energie in klimatisierten Sammlungen sparen, ohne das konservatorische Risiko für die Objekte zu erhöhen.
Ein zentrales staatliches Förderprogramm könnte helfen
Es ist vor allem Aufklärung und der administrative Wille, auf den es jetzt ankommt. In Deutschland haben bislang Kommunen den Klimanotstand ausgerufen oder auf andere Weise Klimaziele formuliert. Viele Museen sind Bestandteil der städtischen Infrastruktur und somit auch Teil dieser Bemühungen. In der deutschen Hauptstadt etwa werden die städtischen Museen weitgehend von der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) verwaltet. Die BIM hat mit dem Land Berlin eine Klimaschutzvereinbarung abgeschlossen, in der sie sich verpflichtet, zwischen 2016 und 2025 die CO2-Emissionen um 30.000 Tonnen zu reduzieren. Dieses Ziel bezieht sich auf den gesamten Gebäudebestand, der von der BIM verwaltet wird. Die Museen bilden darin einen kleinen Teil.
Doch die Anforderungen von Kunstinstitutionen unterscheiden sich von denen anderer öffentlicher Häuser, vor allem durch den konservatorischen Bereich, der einen großen Raum einnimmt. Deshalb brauchen wir einen eigenen "Green New Deal" für Museen: ein zentrales staatliches Förderprogramm, das sich einzig den klimapolitischen Herausforderungen in den Museen widmet, vielleicht sogar eine an mehrere Ministerien angedockte Taskforce nach dem Modell "Schwabinger Kunstfund".
In England - auch hier wieder ein Vorbild - gibt es die Organisation Julie’s Bicycle, die den Kultursektor in Umweltfragen berät - allerdings als gemeinnütziger Verein. An wen können sich deutsche Museen wenden, wenn sie etwas unternehmen wollen? Sie sollten aktiv Unterstützung vom Staat einfordern - in ihrem eigenen Interesse.
Hören Sie zum Thema auch Daniel Völzke im Gespräch mit Detektor.fm: