Sammler Nicolas Berggruen

"Kunst ist die ultimative Soft Power"

Kunstsammler Nicolas Berggruen
Foto: Courtesy Berggruen Foundation

Kunstsammler Nicolas Berggruen

Eigentlich bezeichnet sich der Unternehmer und Sammler Nicolas Berggruen als Nomade, trotzdem bringt er jetzt gleich mehrere Projekte nach Venedig. Ein Gespräch über den Zauber der Stadt und die Pläne seiner Stiftung

Der Unternehmer und Kunstsammler Nicolas Berggruen bezieht in Venedig gleich drei Häuser: Im Palazzo Diedo zeigt er Teile seiner Sammlung von Gegenwartskunst, auf der Insel Giudecca residiert seine Stiftung mit angegliedertem Think-Tank und Teilen seiner Sammlung der Moderne, ein weiterer Palazzo am Canal Grande wird seine eigene Adresse sein, wenn er sich in Venedig aufhält.
 

Nicolas Berggruen, Sie sind dafür bekannt, kein Interesse an dauerhaften Aufenthalten an einem Ort zu haben. Sind Sie nach Venedig gekommen, um zu bleiben?

Venedig ist ein Ort, der meiner Meinung nach für jeden, der einmal in Venedig war, oder das Glück hatte, Zeit in Venedig zu verbringen, ein echtes Zuhause werden kann. Das ist vor allem ein mentaler Prozess: Man nimmt diese Stadt in sich auf und gibt ihr den eigenen Geist. Aber das ändert nichts daran, dass ich ein Nomade bleibe. Wird Venedig bleiben? Hoffentlich. Ich selbst bin aber nur ein Durchreisender, ein Besucher auf Zeit.

Was macht es so besonders, worin liegt der Zauber Venedigs?

Venedig ist einfach so, als ob man ein wildes und gleichzeitig wunderschönes Märchen oder einen Traum erschaffen hätte, und dennoch existiert es tatsächlich. Es ist hier, mit seiner ungewöhnlichen Schönheit und Seele. Venedig ist kulturell unglaublich reich, zugleich ist es die Schnittstelle zwischen Zivilisationen und unterschiedlichen Sphären - vom Handel über die Wissenschaft bis hin zur Kunst und zum Denken. Und genau darin ist es bis heute relevant geblieben. Warum sind wir heute noch in Venedig? Es sprudelt vor Lebendigkeit, obwohl es so alt ist. Venedig und die Künste haben eine lange Tradition, und Künstlerinnen und Künstler werden schon immer von Venedig angezogen. 

Würden Sie sagen, dass Künstler besondere Menschen sind, so wie Venedig ein besonderer Ort ist?

Das ist eine schöne Idee. Venedig ist etwas Besonderes und Künstlerinnen und Künstler sind natürlich auch etwas Besonderes. Sie haben eine Affinität zueinander. Venedig hat etwas Ewiges. Künstlerinnen und Künstler wiederum versuchen, denke ich, durch ihre Arbeit das Ewige zu berühren, uns das Ewige zu geben. Es gibt also eine echte Verbindung zwischen den beiden. Und: Venedig ist ein Ermöglicher. Es ist wie ein Gefäß, das Künstlerinnen und Künstler ermächtigt.

Inwiefern greifen Sie diesen Gedanken mit Ihren Stipendien im Palazzo Diedo auf?

Was wir mit unserem Programm zu tun versuchen: Künstler zurück nach Venedig zu bringen, um Werke zu schaffen, ihre Ideen hier zu produzieren, anstatt sie nur hierher zu bringen und sie in Ausstellungen mit der Welt zu teilen. Sie sollen die Werke auch hier kreieren und dauerhaft mit Venedig teilen. 

Was passiert mit einem Kunstwerk, wenn es nach Venedig kommt und in Venedig ausgestellt wird?

Na ja, es bekommt ein bisschen was von Venedig ab. Und weil es etwas Besonderes ist, denke ich, kann es sogar die jeweilige Arbeit oder die Art, wie wir sie betrachten, verändern.

Würden Sie sagen, dass Kunst eine Art "Soft Power" ist?

Ich würde sogar sagen, Kunst ist die ultimative "Soft Power"! Denn was ist das eigentlich? Es ist etwas, das jenseits der Fakten liegt, jenseits von Schwarz oder Weiß. Es ist etwas dazwischen. "Soft Power" ist etwas, das tatsächlich erstrebenswert ist, das Träume zulässt, das Hoffnung zulässt, das Veränderung zulässt. Und in diesem Sinne ist die Kunst vielleicht die beste Verkörperung. Der Grund, warum wir für das Berggruen Institute Venedig als dritten Standort neben den USA und China gewählt haben, liegt darin, dass Venedig eine lange Geschichte hat und die Kunst die wichtigste nach außen gerichtete Repräsentation ist. Venedig ist, wenn man so will, eine Manifestation von "Soft Power".

Sehen Sie sich in einer Art Tradition als Kunstsammler in Venedig?

Es gab schon viele Sammlerinnen und Sammler, die hierhergekommen sind. Jeder, der sich in irgendeiner Weise für Kunst interessiert, sei es als Sammler, Denker, Kritiker oder Künstler, wird wie ein Magnet von Venedig angezogen. Durch die lange Geschichte mit der Kunst besteht ein anhaltender Dialog. Die Kunst hier in Venedig ist nicht isoliert, es ist eine Art Leben, als Teil eines größeren Ökosystems, einer Art größeren Familie. Familien haben etwas Emotionales. Manchmal kommen gute, manchmal schlechte Dinge heraus. Ich würde sagen, Kunst wird hier durch andere Kunst getestet, das macht es so interessant und relevant.