Der Berliner Künstler Julius von Bismarck hat in Zusammenarbeit mit der Architektin und Künstlerin Marta Dyachenko eine Skulpturenstadt entworfen, die sich aus abgerissenen Gebäuden im Ruhrgebiet zusammensetzt. Im Maßstab 1:25 lassen die beiden ehemalige Wohnhäuser, Freibäder, Kirchen, Bunker, Schulen, Kraftwerke und öffentliche Freizeitstätten als Miniaturen wieder auferstehen. Das Projekt trägt den Namen "Neustadt" und zeigt die Gebäude so, wie sie in verschiedenen Städten des Ruhrgebiets bis zu ihrem Verschwinden nach der Jahrtausendwende existiert haben.
Im Borsighafen Berlin sind die 23 Skulpturen am vergangenen Wochenende per Schiff losgefahren, um in Duisburg voraussichtlich am 3. April anzukommen. Der Transport über den Wasserweg ist als performativer Teil des Werkes gedacht, denn ein wichtiger Punkt in der Frage nach der Entwicklung von Städten und der Bewertung von Architektur ist die Nachhaltigkeit. Die Bedeutung des Transportes über Wasser ist in zweierlei Hinsicht ein Perspektivwechsel: Zum einen wird die Anreise mehrere Tage dauern, also zeitlich entschleunigt. Zum anderen ändert sich die Blickrichtung der Betrachterinnen und Betrachter. Anstatt, dass an ihnen Landschaften vorbeiziehen, wenn sie in verschiedenen Verkehrsmitteln sitzen, schwimmt beim Spaziergang plötzlich eine Stadt an ihnen vorbei.
Die Reise der "Neustadt" wird dokumentiert, Gespräche über die aktuelle Baupolitik mit Architekten und Bauplanern wie Olaf Grawert, Ludwig Engel und Tim Rieniets werden festgehalten. Einmal durch Deutschland fährt das Schiff über den Mittellandkanal, den Dortmund-Ems-Kanal und den Rhein-Herne-Kanal bis nach Duisburg.
Dauerhaft in der Realität installiert
Die skulpturalen Modelle werden anschließend unter der kuratorischen Leitung von Britta Peters und Urbane Künste Ruhe auf einer Brachfläche zwischen dem Landschaftspark Duisburg-Nord und der Autobahn A42 aufgebaut. Hier läuft der Emscherkunstweg entlang, der seit 2019 permanent 18 Skulpturen und Installationen auf über 80 Kilometern zeigt. Hervorgegangen aus drei Emscherkunst-Ausstellungen 2010, 2013 und 2016 reflektiert der Bestand an künstlerischen Arbeiten den Strukturwandel des Ruhrgebiets. Die weit gereiste Ministadt erweitert die Sammlung.
Julius von Bismarck erklärt: "In der 'Neustadt' zeigt sich Gesellschaft und Baugeschichte nicht über Neuschöpfungen, sondern über die Entscheidung, welche Architekturen entfernt werden. Die ganze Anlage wird zu einem Negativ gegenwärtiger Baupolitik – eine Stadt als Antiversion, die durch die verbauten Materialien Stahl, Glas und Beton dennoch dauerhaft in der Realität installiert wird." Der Ort, an dem die Miniatur-Stadt fest installiert wird, zeichnet sich durch Wildwuchs aus. "Nach und nach wird die Natur die Gebäudeskulpturen einwachsen und Fantasien der vergessenen und verlassene Stadt erzeugen."