Er selbst hatte Autorität gegenüber oft eine eher belustigte Haltung, und gerade das machte Kasper König zur größten Autorität in der Kunst. Als Kurator war er Komplize der Künstler und unbeirrbarer Ermöglicher ihrer Ideen, die er über alles stellte. Hinderliche Instanzen, die sich gegen dieses Möglichmachen wehrten, überzeugte er einfach dadurch, dass es immer viel interessanter und inspirierender war, auf der Seite von Kasper König zu sein als auf der anderen. Dafür sorgte er in all den rund 60 Jahren seines Wirkens gewissenhaft, und es muss ihn ungeheure Energie gekostet haben. Aber das hätte er sich niemals anmerken lassen.
Der 1943 geborene Kurator erreichte die ersten seiner zahlreichen Stationen und Spitzenpositionen ohne formale Qualifikationen, dafür mit großer Begeisterung für gute, neue Ideen. Als Gymnasiast ohne Abschluss ging er von einem Galeriejob bei Rudolf Zwirner in Essen aus in die USA, wurde Gastprofessor in Kanada, gründete die Skulptur Projekte Münster, lehrte in Düsseldorf und an der Städelschule in Frankfurt, wo er nur ein Jahr später Direktor wurde. Anschließend prägte er als Direktor des Museum Ludwig in Köln viele Jahre lang die deutsche Museumslandschaft und kuratierte die vieldiskutierte Manifesta in St. Petersburg.
"Und das ist interessant!" war eine Formulierung, die Kasper König oft verwendete, wenn er etwas entdeckt hatte, wobei das nicht notwendigerweise Kunst sein musste. Es galt generell dem Originellen, noch nicht Dagewesenen, mit der guten Pointe.
"Bei Künstlern nützlich machen"
Dieses Interesse leitete ihn schon als jungen Mann zwangsläufig in die Kunstwelt: Als Jugendlicher sah er bei einem Ausflug nach Essen ein Plakat der Galerie Rudolf Zwirner, das ein Werk von Cy Twombly zeigte. Dass diese Kritzeleien Kunst sein konnten, fand er auch ohne akademische Vorbildung sofort interessant und wurde Volontär bei Zwirner. Als Kriegsdienstverweigerer hätte er einen Ersatzdienst leisten müssen, brachte ihn jedoch nicht zuende und verließ Deutschland offiziell für zwölf Jahre.
Zunächst ging er nach London und mit 22 Jahren weiter nach New York, um sich "bei Künstlern nützlich zu machen", wie er sagte. Für Claes Oldenburg leitete er das Atelier und knüpfte Kontakte nach Europa. Später lud er den Bildhauer zur ersten Ausgabe der alle zehn Jahre stattfindenden Großausstellung Skulptur Projekte Münster ein, die er zusammen mit Klaus Bußmann 1977 ausrichtete. Die großen weißen Steinkugeln am Aasee waren erst ein lokaler Skandal, eine Verschandelung des Postkartenidylls, und wurden später doch zu einem Wahrzeichen seiner Stadt, der König zwiespältig verbunden war und in der er als Jugendlicher mit frisiertem Moped die nationalistischen Studenten der schlagenden Verbindungen provoziert hatte.
1943 wurde er in Mettingen als fünftes Kind einer Fabrikantenfamilie geboren, mit zwei Brüdern und zwei Schwestern. In der Familie waren alle Rollen schon vergeben – die des Stammhalters, der die Firma Brillux erbt, die des Intellektuellen, der später die berühmte Buchhandlung und den Verlag mit seinem Namen, Walther König, gründen sollte. Die Engagierten waren die klugen, gesellschaftskritischen Töchter, die beide in die künstlerische Bildung gingen.
Die Weigerung zu langweilen
So blieb nur noch "Kasper" übrig, so nannte er sich selbst, und so nannten ihn auch seine Geschwister, mit denen er Schlagfertigkeit, Schnelligkeit und eine Art Schabernack übte, den er nie ganz ablegte. Dabei war das Schelmenhafte, das nicht von allen jederzeit als passend empfunden wurde, durch eine tadellose großbürgerliche Erziehung gedeckt. Hinter jedem Haken, den Kasper König den Konventionen schlug, stand die sehr ernsthafte Weigerung, jemals sich selbst oder alle anderen zu langweilen. Eine höchst verantwortungsvolle Aufgabe, zu der auch die grundsätzliche Zuversicht gehört, dass am Ende wieder alle an einem Tisch sitzen können.
Für das Moderna Museet in Stockholm, an das er Oldenburg zuvor vermittelt hatte, konnte König in den späten 1960er-Jahren von New York aus eine Andy-Warhol-Ausstellung kuratieren. Die heute legendäre Schau war extrem knapp budgetiert und kam ohne Leihgaben aus, alles musste dort produziert werden. Es war die Geburtsstunde der Warhol-Tapeten und der Anfang seines Erfolgs in Europa, der sich von seiner Rezeption in den USA unterschied. Das Ticket von New York nach Stockholm tauschte König übrigens ein und kam nicht zur Eröffnung. Der Gegenwert waren drei oder vier weitere Monate in New York, die er zu großen Teilen im Kino verbrachte.
Auch die beispiellose Karriere von Gerhard Richter ist eng mit Kasper König verknüpft: Richter selbst datiert seinen internationalen Durchbruch auf die Ausstellung "Von hier aus", die Kasper König 1984 in Düsseldorf realisierte. Als König Mitte der 1980er-Jahre erst Professor und dann Direktor in Frankfurt am Main an der Städelschule wird, holt er Richter als Gastprofessor. Im von König gegründeten, an die Schule angegliederte Portikus stellt Richter 1989 erstmals seinen "RAF-Zyklus" aus, was sowohl Sympathisanten von Baader und Meinhof missfiel als auch dem Verfassungsschutz. Plötzlich wollte die Stadt den Portikus nicht mehr finanzieren, und Richter stiftete ein Landschaftsbild für eine Benefiz-Versteigerung. Heute ist "18. Oktober 1977" in der Sammlung des MoMA in New York.
Kommunikation per Postkarte
Für den großen japanischen Konzeptkünstler On Kawara, mit dem König befreundet war, bezahlte Kasper König die Briefmarken, damit er seine Mail-Art machen konnte. Er selbst kommunizierte andauernd per Postkarte, immer mit einem aktuellen Anlass oder Gedanken und in unterhaltsam anarchischer Collagetechnik selbst gestaltet. Die versteckt liebevolle Art der Kontaktaufnahme forderte nie Erwiderung, aber ließ doch den Wunsch nach Austausch, Gegenseitigkeit und einer Vergewisserung erkennen, an dieser gemeinsamen Sache dran zu sein in einer ständig bedrohten, gegen alles Unfreie und Öde zu verteidigenden Welt namens Kunst.
Jetzt wurde bekannt, dass Kasper König im Alter von 80 Jahren in seiner Wahlheimat Berlin gestorben ist. "Die Kunst hat einen eigenen Zeitrhythmus, eine andere Dauer", sagte Kasper König einmal in einem Interview. "Es kann tröstlich sein, sich mit ihr zu beschäftigen." Am heutigen Tag ist die Kunst selbst untröstlich.