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Die Kultur-Offensive

Thomas Kiesewetter Kunstwerk "Würfel" vor Schloss auf grüner Wiese
Foto: Christian Dootz, © Thomas Kiesewetter/Courtesy Contemporary Fine Arts, Berlin

Thomas Kiesewetter "Würfel", 2011

Wissenswertes über die Geschichte und das aktuelle Zeitgeschehen in Wolfsburg und Braunschweig

Ein Schloss und seine Bewohner
Wie die Wolfsburg zum Kulturzentrum wurde

Retortenstadt ohne Geschichte? Von wegen! Die Wolfsburg, Namensgeberin der Stadt, ist eine erstmals 1302 urkundlich erwähnte Wasserburg, die später in ein Renaissanceschloss umgewandelt wurde. Heute haben zwischen den dicken Wehrmauern (die das dunkle und vor allem sehr kalte Mittelalter noch erahnen lassen) diverse kulturelle Einrichtungen wie der Kunstverein, die Städtische Galerie, das Stadtmuseum und das Institut Heidersberger eine Heimat gefunden, gibt es Open-Air-Konzerte im Hof und ein Adventsfest. Der Schlosspark ist einer der schönsten Erholungsorte der Stadt – und zugleich ein Freilichtmuseum, in dem eine Reihe renommierter Künstlerinnen und Künstler ihre Spuren hinterlassen haben. Vom Berliner Bildhauer Thomas Kiesewetter stammt diese verspiegelte Großskulptur. Sie lässt Edelstahl schweben, holt den Himmel auf die Erde und die Vergangenheit in die Gegenwart. / Text: Sebastian Frenzel
 

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Das Panorama der Autostadt Wolfsburg
Foto: Rolf Schulten/ mauritius images

Das Panorama der Autostadt Wolfsburg

39 Prozent der Wolfsburger haben einen Migrationshintergrund. Vor allem Italiener zogen ab den 60er-Jahren in die Volkswagenstadt – mehr als 35 000 sogenannte Gastarbeiter schraubten am Wirtschaftswunder mit, zusammen mit den Familien kamen mehr als 60 000 Menschen. 50 Jahre nach Ankunft der ersten Italiener gründete sich im April 2012 der Kunstverein creARTE e. V., der als Schauraum für die Künstlerinnen und Künstler der "Comunità italiana" dient.

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Festival draußen unter gelbem Zelt
Foto: Felix Rühland

Festival unter freiem Himmel 2019

Umsonst und draußen
Die H_LLE vernetzt Braunschweigs Kunstszene 

Ein Kunstverein unter freiem Himmel? Diese Idee verfolgte der Kunstverein DIE H_LLE schon, bevor sie als Open-Air-Hygienekonzept eine Renaissance erlebt: Seit 2018 bespielt er in den Sommermonaten das Außengelände der ehemaligen Holzlagerhalle östlich vom Braunschweiger Hauptbahnhof mit junger, regionaler Gegenwartskunst. Denn vor allem der Wunsch, die vielen jungen Kunstschaffenden der HBK Braunschweig nach ihrem Studium nicht an die immer gleichen, längst übersättigten Metropolen zu verlieren, ließ dieses Projekt zwischen Überseecontainern, Bauschrott und Birkenbäumen entstehen. Der Kunstverein befindet sich auf dem Areal des gleichnamigen Großprojekts DIE H_LLE, das zukünftig die regionale Kreativszene auf rund 1000 m² Lagerhallenfläche mit Arbeits-, Veranstaltungs- und Ausstellungsräumen nachhaltig stärken möchte. Innerhalb dessen begreife sich der Kunstverein als offenes Netzwerk, das primär von regelmäßigen Stammtischen als Plenum für Kunstschaffende und -forschende lebt, erklärt Henrike Wenzel, Mitbegründerin und ebenfalls HBK-Alumna, im Gespräch. Mit ihren Mitstreiterinnen Jennifer Bork, Mareike Herbstreit, Stine Hollmann und Lucie Mercadal richtet sie dort jährlich das zweitägige "Festival unter freiem Himmel" aus. In diesem Jahr fand es unter dem Titel "Input – Export | Schlingensief-Klasse! Projizieren Sie selbst!" als Ausstellungsparcours statt, bei dem sich die Wege ehemaliger Studentinnen und Studenten der Klasse Schlingensief anlässlich des zehnten Todesjahres des HBK-Professors erneut in Braunschweig kreuzten. / Text: Julia Zalewski

kunstvereindiehalle.de

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Schwarz-Weiß-Bild von Freibad
Foto: Heinrich Heidersberger, #9100_25.1.

"VW-Bad", 1961

Dem Himmel so nah
Das Institut Heidersberger ehrt Wolfsburgs Stadtchronisten

Die Architektur schlägt klare Achsen, die Massen werden zum Ornament. Doch oben, auf dem Sprungturm des Freibads, spielen zwei Kinder Fußball mit einer Wolke und sind dem Sommerhimmel so nah wie vielleicht nie mehr später in ihrem Leben … In seinen Fotografien verstand es Heinrich Heidersberger, der 1960 nach Wolfsburg kam und zum wichtigsten Chronisten der Stadt wurde, auf einzigartige Weise, dokumentarische Akkuratesse mit künstlerischer Ausdruckskraft zu vereinen. Das Institut Heidersberger archiviert das Lebenswerk des 2006 im stolzen Alter von 100 Jahren verstorbenen Künstlers und Fotografen. Und es entwickelt Konzepte und Ausstellungen, die ein lange unterschätztes Werk in all seiner Komplexität aufscheinen lassen. / Text: Sebastian Frenzel

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Kunstwerk große Leinwand mit Schrift
Foto: Daniela Nielsen (Stadt Braunschweig)

Malte Bartsch "AUTO MODUS 1", Ausstellungsansicht halle267, 2019

Regionale Vielfalt
Die Städtische Galerie halle267 versammelt Braunschweigs Kunstschaffen

Im Norden Braunschweigs, zwischen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt und der Technischen Universität gelegen, macht die Hamburger Straße 267 sichtbar, dass sich die Stadt nicht ausschließlich als Wissenschaftsort, sondern ebenso auch als Ort der Kunst profiliert: Nach einer Neukonzeptionierung und Umbenennung in "halle267" verfolgt die unter städtischer Schirmherrschaft stehende Galerie seit über zwei Jahren die Idee, in dem ehemaligen Fabrikgebäude einen Raum für die vielfältigen künstlerischen Aktivitäten der Region zu etablieren. Nicht zuletzt auch, um den ständigen Bedarf nach mehr Ausstellungsflächen zu decken, für die sich (ehemals) regionale Kunstschaffende, Kuratorinnen und Kuratoren sowie Institutionen nun bewerben können. Neben Einzelausstellungen – u. a. von Hanna Nitsch, Bjørn Melhus oder Peter Tuma – bekleiden vor allem Gruppen- und Themenausstellungen von HBK-Studierenden, dem Photomuseum oder dem Kunsthaus BBK den weitläufigen White Cube regelmäßig neu. Besonders interessant sei dabei das Spektrum sämtlicher Gattungen zeitgenössischer Kunst sowie das Spannungsfeld zwischen bereits etablierten und sehr jungen Positionen, betont Julia Taut, Geschäftsführerin des Bundes Bildender Künstlerinnen und Künstler Braunschweig (BBK Braunschweig), im Gespräch. Unter dem Motto "Move" wird dieser ab September eine Gruppenausstellung einiger der vom Verein vertretenen Künstlerinnen und Künstler in der halle267 präsentieren. Ab November widmet sich dann die Künstlerin Luciana Tamas der Weiblichkeit im Wandel des postmodernen Lebens. / Text: Julia Zalewski

"BBK Jahresausstellung 2020 / Move", halle267 – städtische galerie, 4. September bis 11. Oktober.
"Luciana Tamas – Kritik der häuslichen Vernunft", halle267 – städtische galerie, 6. November bis 1. Dezember

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Frank Rauschenbach im Stadion
Foto: Hallenbad

Frank Rauschenbach, Geschäftsführer Hallenbad Wolfsburg

Wie tanzt man im Hallenbad, Herr Rauschenbach?

"Im Hallenbad tanzt man ganz ausgezeichnet und in einem einzigartigen Ambiente. Unser Kulturzentrum befindet sich in einem ausgedienten Hallenbad aus den 60er-Jahren, das nach der Schließung für eine multifunktionale Nutzung umgebaut wurde. Tanzen kann man bei besonderen Veranstaltungen im ehemaligen großen Schwimmerbecken zwischen den weißen Kacheln und unter stimmungsvoll beleuchteten Sprungtürmen – ein spektakulärer Ort. Hier finden auch regelmäßig Konzerte innerhalb unserer Reihe ,Jazz im Pool‘ statt. Im ehemaligen Nichtschwimmerbecken ist jetzt unser Veranstaltungssaal, in dem ebenfalls viel und gerne getanzt wird, hauptsächlich bei Konzerten, wie etwa mit den Beatsteaks, Bosse, Madsen oder Wir sind Helden. Am meisten getanzt wird jedoch im Sauna-Klub im Keller des Hallenbades – hier wird gefeiert, bis das Kondenswasser tropft! Und wer nicht tanzen will, kommt bei unseren Comedy-Veranstaltungen, Lesungen, in unserem Programmkino oder bei unserem Kunstschaufenster voll auf seine Kosten!"  

Hallenbad – Kulturzentrum der Stadt Wolfsburg. Weitere Informationen und Programm: hallenbad.de
 

Beleuchtetes Kunstschaufenster bei Nacht
Foto: ALTSCHAFFEL.COM

Kunstschaufenster von Natalie Häusler, Isabel Henn und Axel Loytved, 2020

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Hoffmannvon-Fallersleben-Museum
Foto: Stadt Wolfsburg

Hoffmann-von-Fallersleben-Museum

Der Freiheitskämpfer
Das Hoffmann-von-Fallersleben-Museum erinnert an den berühmten Sohn der Stadt

"Einigkeit und Recht und Freiheit" – etwas behäbig fühlt sich die Nationalhymne heute vielleicht an, doch war Hoffmann von Fallerslebens "Deutschlandlied" zu seiner Entstehung absolut fortschrittlich und zeitkritisch. Das Hoffmann-von-Fallersleben-Museum blickt auf die Bedeutung des Schriftstellers (1798–1874), der sich als Liederdichter und Literaturforscher vor allem mit seiner politischen Lyrik und dem Kampf für eine liberale, demokratische Gesellschaft einen Namen gemacht hat. Doch auch durch seine unzähligen Kinderlieder – darunter "Alle Vögel sind schon da" oder "Morgen kommt der Weihnachtsmann" – ist der in Fallersleben geborene Vormärz-Dichter noch allgegenwärtig. Heutzutage muss Hoffmann jedoch als ambivalente Figur rezipiert werden, in dessen Werk sich auch antisemitische und fremdenfeindliche Töne finden. Im Fallersleber Renaissanceschloss zeigt das Museum seit 2014 eine neu gestaltete, kostenlose Dauerausstellung, die neben Hoffmanns biografischen Stationen auch die Kultur- und Politikgeschichte des 19. Jahrhunderts skizziert. Die aktuelle Sonderschau widmet sich dem Verhältnis zu seinem Sohn, dem Maler Franz Hoffmann-Fallersleben. Dabei wird die Arbeit des städtischen Museums durch die Hoffmann-von-Fallersleben-Gesellschaft unterstützt, die ein umfangreiches Archiv sowie eine Studienstätte betreut und alle zwei Jahre den Hoffmann-von-Fallersleben-Preis für Zeitkritische Literatur vergibt. / Text: Julia Zalewski

"Hoffmann & Hoffmann – Der Vater und der Sohn", Hoffmann-von-Fallersleben-Museum, bis 18. Oktober