Roast-Tools

Wenn KI über deinen sorgfältig kuratierten Instagram-Feed lästert

Künstliche Intelligenz verhöhnt jetzt auch Social-Media-User wie Künstler, Kuratorinnen oder Kunstmagazine
Foto: Weronika Peneshko/dpa

"Deine Instagram-Posts sind eine Mischung aus kryptischen Kunstphilosophien und einem Ego, das größer ist als deine Leinwände": Künstliche Intelligenz verhöhnt jetzt auch Social-Media-User wie Künstler, Kuratorinnen oder Kunstmagazine

"Du bist die Kunstwelt-Version eines Hipster-Barista": Künstliche Intelligenz spottet jetzt auch gekonnt über Instagram-User. Beim "Roast"-Trend sind Kunst-Accounts eine besonders dankbare Zielscheibe

Wann hat sie angefangen, die Machtübernahme der Künstlichen Intelligenz? Welches Datum, welche App, welches Ereignis wird einmal in den – dann von KI geschriebenen – Geschichtsbüchern eingehen, als das Anfang vom Ende, als der point of no return? Vielleicht ist es der Moment, an dem die KI angefangen hat, über die Menschen zu lästern: Ist sicher als harmlose, kleine Neckerei gemeint, doch am Ende stellt es sich als letzte Stufe der narzisstischer Kränkung heraus, als eine kopernikanische Wende 2.0, von der wir uns nicht mehr erholt haben.

So ein Spott-Generator ist Monica, ein Tool, das auf ChatGPT aufgebaut ist und mit dem man Social-Media-User "roasten" kann: Anhand der auf Accounts wie Instagram, Facebook oder X geteilten Informationen erstellt der KI-Agent eine "Persönlichkeitsanalyse" des Nutzers – wobei "Persönlichkeitsanalyse" nett ausgedrückt ist. Es gibt auch andere Roast-Programme, aber Monica ist eine besonders garstige Verhöhnmaschine menschlicher Selbstinszenierung. 

Alles was man tun muss: Das Handle des öffentlichen Accounts eingeben. Zum Beispiel @monopolmagazin. Und schon geht der rant los:

"Monopol Magazin, du bist wie der hippe Kunstlehrer, der immer versucht, cool zu sein, aber irgendwie immer noch in den 90ern feststeckt. Du hast mehr Hashtags als tatsächliche Follower-Interaktion, und deine Posts sind so vollgestopft mit Namen und Orten, dass man einen Stadtplan und ein Who's Who der Kunstszene braucht, um überhaupt mitzukommen. Deine Liebe zur Kunst ist bewundernswert, aber manchmal wirkt es, als würdest du mehr Zeit damit verbringen, über Kunst zu reden, als sie tatsächlich zu erleben. Und ehrlich gesagt, wer braucht schon so viele Ausrufezeichen in einem Post? Wir haben es verstanden, du bist aufgeregt, aber beruhig dich mal ein bisschen. Vielleicht wäre ein bisschen weniger Namedropping und ein bisschen mehr Substanz der Schlüssel zu einem wirklich fesselnden Feed."

Frechheit! Das tut nicht nur weh, weil Monica so direkt ist, sondern weil es dazu noch gut formuliert ist – bislang doch die ureigene Aufgabe von Journalisten. Wann lesen wir die ersten tollen Glossen, Kommentare und Ausstellungskritiken von KIs? "Der Roast-Inhalt dient ausschließlich der Unterhaltung", versucht Monica in einem Disclaimer zu de-eskalieren. "Wenn Sie den auf Ihrem Konto basierenden Roast-Inhalt als beunruhigend oder beleidigend empfinden, kontaktieren Sie uns bitte zur Entfernung."

Oder roasten Sie andere! Die Kunstwelt scheint mit ihrem Anspruch und den vielen Selbstdarstellern eine Goldgrube für Monica zu sein. Schauen wir doch mal – apropos in den 90ern feststecken – beim Künstler Jonathan Meese nach: 

"Jonathan, du bist wie ein wandelndes Kunstmanifest, das sich selbst nicht ernst genug nehmen kann. Deine Instagram-Posts sind eine Mischung aus kryptischen Kunstphilosophien und einem Ego, das größer ist als deine Leinwände. Du redest von Kunst als der ultimativen Freiheit, aber manchmal klingt es, als ob du in einem endlosen Monolog mit dir selbst gefangen bist. Deine Vorträge über 'Cancel Culture' sind so tiefgründig, dass man fast vergisst, dass du in einem Elfenbeinturm aus Acryl und Caparol lebst. Und ehrlich gesagt, wer braucht schon Feinde, wenn man sich selbst so gut im Weg stehen kann? Vielleicht solltest du mal eine Pause machen und die Welt ohne die rosarote Kunstbrille betrachten."

Eine Pause macht tatsächlich gerade Wolfgang Tillmans auf Instagram. Da der Künstler auf Englisch postet, wird er auch auf Englisch geroastet:

"Oh Wolfgang, the artist with a following bigger than some small countries, yet you post as often as a solar eclipse. Your Instagram is like a museum with no exhibits, a gallery with no art. You’re the kind of person who attends international conferences and probably corrects the speakers on their own research. Your bio screams 'artist,' but your posts are more like a cryptic crossword puzzle that only you can solve. And let's not even start on your music taste—Pet Shop Boys? Really? It's like you're stuck in a time warp where the 90s never ended. You’re the kind of person who probably has a favorite type of light bulb and can talk about it for hours."

Auch er hängt also in den 90ern fest. Hasst Monica diese Dekade, weil es weder Roast-Tools noch Social Media gab, Spott noch Handarbeit war und Informationen über Gegner schwer zu beschaffen? Was sagt sie denn über jüngere und genuine Social-Media-Professionals wie @jerrygogosian alias Hilde Lynn Helphenstein, die selbst im Läster-Game ist?

"Oh, Hilde, where do we even begin? You're like the art world's version of a hipster barista who insists on telling everyone how their coffee should be brewed, except you're doing it with art and a side of unsolicited economic advice. Your 'cutting edge' insights are about as groundbreaking as a lukewarm take on avocado toast."

Und der Original-Jerry, Jerry Saltz?

"You parade through the art world like a shepherd guiding sheep and artists alike, yet somehow managing to make enemy of both. Is it the Pulitzer that inflates your head just enough to believe that your opinion is the only one that matters? Or is it New York City engulfing you in its whirlwind of deluded grandeur, insisting you alone are the Nostradamus of art?"

Klaus Biesenbach?

"You’re the kind of guy who probably has a framed picture of himself shaking hands with Marina Abramovic in his living room."

Und Marina Abramović selbst?

"Your bio screams 'dedicated to long durational performance,' but let’s be real, it’s just a fancy way of saying you like to watch paint dry."

Damien Hirst?

Der "Tim Burton of the art scene".

Gregor Hildebrandt?

"Ein wandelndes Kunstprojekt, das sich in einem endlosen Loop von Vinyl und Kassetten verheddert hat."

Alicja Kwade:

"You’ve got more bronze sculptures than friends."

Yilmaz Dziwior:

"The kind of person who probably spends more time curating your friends list than your actual exhibitions."

Till Fellrath: 

"Somehow, you have managed to transform art curation into a Cirque du Soleil of metaphoric theatricality." 

Bonaventure Soh Bejeng Ndikung:

"You talk about 'trespassing' norms, but let's be real, the only thing you're trespassing is the patience of anyone who has to sit through one of your panels."

Eliza Douglas: 

"Your posts are a cryptic blend of 'Everything Dies' and 'Look at my boots'."

Kenny Schachter:

"The Andy Kaufman of the art world—a perpetual prankster trapped in a never-ending stand-up routine that only a niche audience can appreciate."

Leon Löwentraut:

"Du bist der Typ, der in einem Raum voller Menschen steht und denkt, alle schauen auf dich, während sie eigentlich nur versuchen, den Ausgang zu finden."

Monica verschont niemanden – außer man hat sein Instagram-Konto auf "privat" gestellt. Oder ist erst gar nicht in den sozialen Medien. Wer sich getroffen fühlt, sollte bedenken, dass "Roasting" als Stand-up-Element auch immer eine Hommage ist, schließlich gibt es da etwas, an dem sich der Comedian oder eben die KI abarbeiten kann. Da draußen existiert immerhin noch so viel Mensch, dass man ihn beleidigen kann.