Neuer Kunstort MICAS

"Ein historisches Ereignis für Malta"

Das neue Ausstellungshaus MICAS soll mehr als ein weiterer touristischer Hotspot Maltas sein. Mit monumentalen Installationen bringt die Künstlerin Joana Vasconcelos zum Auftakt Farbe in jahrhundertealte Festungsmauern

Im Oktober blühen auf Malta die Bougainvillea und der Oleander, die Sonne hat eine angenehme Wärme – der perfekte Zeitpunkt für eine Museumseröffnung in der schönen Inselhauptstadt Valletta. Direkt am Hafen der Unesco-Weltkulturerbe-Stadt befindet sich der Museumsbau in historischen Festungsmauern aus dem 17. Jahrhundert. Die 2.000 Quadratmeter große Ausstellungsfläche erstreckt sich auf drei Ebenen, die ein neues gläsernes, 55 mal 45 Meter großes Dach überspannt. Als "historisches Ereignis für Malta" bezeichnete Robert Abela, Maltas Premierminister, das Ereignis voller Stolz bei der Eröffnungsfeier. Internationalen Qualitätstourismus wolle man mit diesem Großprojekt ebenso anziehen wie Menschen, die sonst nie ein Museum besuchen.

Die architektonische Grundidee des Museums beschreibt Carlo Terpolilli, der mit seinem Ipostudio in Florenz die baulichen Maßnahmen verantwortet: "Das Gebäude ist nicht als Museum gedacht, sondern vielmehr als Kunstraum, wie das Akronym MICAS sagt: Malta International Contemporary Art Space. Ziel war es, die historische Militärarchitektur in einen faszinierenden Raum von identitätsstiftender Bedeutung zu transformieren und für die neue Nutzung zugänglich zu machen. Die zeitgenössische Kultur in Malta versucht aktuell, ihre Abgeschiedenheit in der internationalen Wahrnehmung zu überwinden. Darum soll die monumentale Festungsanlage, die die Ufer Vallettas säumt, zum Gegenteil dessen werden, was sie einmal war: Sie soll neue Besucher anziehen."

Gelingen soll dies, indem der MICAS internationale Kunst von hoher Qualität zeigt und Beziehungen zu internationalen Künstlern und Museen aufbaut. Den Auftakt macht die Ausstellung "Transcending The Domestic" von Portugals Kunststar Joana Vasconcelos. Eine gute Wahl, denn auf den drei kaskadenartigen Museumsebenen befinden sich keine Zwischenwände. Die hohen, offenen und hellen Räume zu bespielen, könnte für andere Künstler und Künstlerinnen eine Herausforderung werden, für die Portugiesin war es eine willkommene Aufgabe: "Ich habe für die Ausstellung drei meiner großen Arbeiten ausgewählt, die miteinander in Verbindung stehen: 'Valkyrie Mumbet', 'Tree Of Life' und 'Garden Of Eden'. Jedes Werk befindet sich auf einer eigenen Ebene des Museums, aber man kann sie auch gleichzeitig betrachten und einen Dialog zwischen ihnen herstellen", so Joana Vasconcelos.

Riesig, farbintensiv, instagrammable

Die monumentalen, farbintensiven und leuchtenden Installationen Vasconcelos' sind geradezu geschaffen für einen charaktervollen Raum wie dem MICAS. Zwischen den honiggelben historischen Mauern, verschachtelten Winkeln und dem Ausblick auf das Meer haben sie die Kraft, sich zu behaupten. Edith Devaney, die künstlerische Direktorin des MICAS, die zuvor 20 Jahre lang Kuratorin an der Royal Academy Of Arts in London war und Vasconselos nach Malta brachte, sagt: "Wir wollten, dass Joana für uns in dieser ersten Ausstellung den Raum erkundet".

Auf der Eingangsebene erstreckt sich Vasconselos' Arbeit "Valkyrie Mumbet" von der Decke hängend über den gesamten Raum. Um den Blick des Publikums nicht gleich nach unten zu den anderen Ausstellungsebenen zu lenken, wollte sie eine kraftvolle Arbeit an der Decke platzieren, die die Augen nach oben richtet. Die "Valkyrie Mumbet" ist eine Hommage an Elizabeth "Mumbet" Freeman, die 1781 als erste versklavte Afroamerikanerin einen Freiheitsprozess auf Grundlage der neu verabschiedeten Verfassung von Massachusetts gewann.

Auch Vasconcelos' zweite Installation, der "Tree Of Life" eine Ebene tiefer, ist gigantisch groß, schafft eine Resonanz zum Gebäude und darf, wie all ihre Werke, angefasst werden. Wenn es nach der Künstlerin geht, sollen die BesucherInnen in einen engen Dialog mit den Werken treten und selbst Teil der Ausstellung werden. "Normalerweise hat man in großen Museen eine überwältigende Architektur, ein riesiges Gebäude, in dem die Kunstwerke wirken wie die kleine Möbelstücke. Aber wenn es gelingt, dass Architektur, Design und Kunst zusammenpassen, schafft man ein ganz besonderes Ambiente und einen einzigartigen Ort für Menschen. Darum habe ich den 'Tree Of Life' mitgebracht, der vom Erdgeschoss bis in den Himmel wächst, das ist wirklich schön."

Drei Jahre lang haben sie und ihr 60-köpfiges Team an diesem aufwändigen, 15 Meter hohen Baum mit den 140.000 Blättern gearbeitet. Da er während der Pandemie entstand, ist der "Tree Of Life" "nicht einfach nur eine weitere Arbeit für mich. Er markiert einen Neubeginn nach der Pandemie. Er steht für die Einzigartigkeit meines Studios, für Stärke und auch für Hoffnung", so die Künstlerin.

Garten Eden in Valletta

Für die dritte Arbeit "Garden Of Eden" betreten die Besuchende einen großen abgedunkelten Raum, in dem die Künstlerin ein Labyrinth aus schwach aufleuchtenden Blüten installierte. "'Garden of Eden' habe ich extra für diesen Raum angepasst, er wirkt wie eine Höhle, die wir in etwas Magisches verwandelt haben", so Vasconselos. Opulenz, Farbigkeit, Lichtspiele, Ästhetik – die Ausstellung belebt der MICAS, schafft Präsenz in den offenen Räumen und lässt sich gut fotografieren. "Man kann nicht kontrollieren, was die Leute denken. Meine Arbeiten können ein Fenster, eine Tür oder, wie ich hoffe, ein Tor für die Menschen öffnet, um ihr Wissen, ihre Kultur und ihre Religion neu zu betrachten. Sie schauen sich meine Arbeit an und interpretieren sie auf ihre eigene Art. Ich versuche nicht, irgendetwas auf eine bestimmte Art und Weise zu sagen, ich gebe den Menschen nur eine Art Werkzeug oder einen Raum, um ihr Leben neu zu interpretieren."

Der große Barbarabogen ist eine Öffnung in den meterdicken Festungsmauern Richtung Meer, das optisches Highlight. Wo einst der Handel mit anderen Nationen stattfand, sieht Architekt Carlo Terpolli heute ein "Symbol der internationalen Kommunikation, ein großes Fenster zur Welt von einem Gebäude aus, das die universelle Sprache der Kunst spricht." Trotz seiner Imposanz war der Ort, bevor er zum Museum wurde, jahrzehntelang ungenutzt, dreckig und vergessen im städtischen Gefüge. 

Noch sind der angekündigte 2.600 Quadratmeter große Skulpturengarten, das Bildungsprogramm und das Restaurant nicht fertigt. Das Potenzial, einer von Maltas Hotspots zu werden, hat das 30 Millionen Euro teure Projekt. Nach der Schau von Joana Vasconcelos werden Ausstellungen von Milton Avery und Reggie Burrows Hodges gezeigt und daneben auch Künstlerinnen und Künstler, die aus Malta stammen. Der MICAS möchte in der internationalen Kunstszene als wichtiger Player Europas wahrgenommen werden – schauen wir also hin.