Debatte
Der "Spiegel" beschäftigt sich noch einmal mit der Farb-Attacke gegen das Privathaus von Berlins Kultursenator Joe Chialo - genauer gesagt mit den Parolen an der Fassade, die auf eine pro-palästinensische Motivation der Täter hindeuten. Unter anderem wurde "Genocide Joe Chialo" an die Hauswand gesprüht, dazu der Satz "Meet The Demands" (Erfülle die Forderungen). Dazu fragt sich Tobias Rapp, welche Forderungen eigentlich gemeint sind: "Dass die Betreiber und Freunde des Neuköllner Kulturzentrums Oyoun Joe Chialos erbitterte Gegner sind, ist bekannt. Der Kultursenator hat dem Haus im vergangenen Jahr mutmaßlich wegen Antisemitismusvorwürfen die Gelder gestrichen, seitdem streitet man sich vor Gericht. Aber glauben Unterstützer des Oyoun wirklich, man könne staatliche Förderung durch einen Angriff auf den politisch Verantwortlichen erpressen? So verrückt dürfte man nicht mal unter Berliner Politmilitanten sein." Andererseits könne auch die Forderung nach einem Waffenstillstand zwischen Israelis und Palästinensern gemeint sein: "Aber sollte man dem Berliner Senat, der im Augenblick schon große Schwierigkeiten hat, die Essensversorgung seiner Schülerinnen und Schüler sicherzustellen, wirklich die Lösung des Nahostkonflikts übertragen? Das können den Palästinensern und Israelis nicht einmal ihre ärgsten Gegner wünschen."
Museen
Überrascht und enttäuscht zeigt sich Elke Linda Buchholz im "Tagesspiegel" vom angekündigten Aus des Kleinen Grosz Museums in Berlin. Nach nur zweieinhalb Jahren soll das privat geführte Ausstellungshaus in einer ehemaligen Tankstelle in Schöneberg schließen (wir berichteten). Laut der Autorin steht für nähere Auskünfte zum Ende des Hauses aktuell niemand zur Verfügung, offiziell verweist man aber auf die prekäre Finanzlage. Buchholz findet, dass sich das Museum mit "anspruchsvollen, fachlich kompetenten und erfrischend inszenierten Ausstellungen" unverzichtbar gemacht habe. "Und damit soll jetzt Schluss sein? Berlin braucht den scharfkantigen, freisinnigen Grosz. Und Grosz braucht Berlin, jetzt erst recht."
Kunstmarkt
Am 1. und 2. Oktober werden im Kölner Auktionshaus Van Ham Teile der Sammlung des kürzlich verstorbenen Kurators Kasper König versteigert. In der "FAZ" erinnert Georg Imdahl noch einmal an den leidenschaftlichen Kunstermöglicher - und widerspricht der immer mal wieder zu hörenden Auffassung, König habe gar nie kohärent gesammelt. Sehe man den Katalog durch, entdecke man bei aller Unterschiedlichkeit des Angebots eine "erfahrungsgesättigte Werkcollage, die auf einem eigenen Begriff zeitgenössischer Kunst basiert", schreibt Imdahl. "Niederknien und ästhetische Andacht im Museum waren ihm ebenso fremd wie Pathos, auch im persönlichen Umgang. Wohl aber pochte König in der bürokratisierten Zivilgesellschaft auf das Selbstbewusstsein der Kunst und eine Autonomie, die er auch für die eigene Intuition in Anspruch nahm. In seiner Sammlung mit ihren vielen niedrigpreisigen Trouvaillen bekundet sich durchweg ein stabiler, diesseitiger Glaube an die Aufgabe und Wirkmacht der Gegenwartskunst."
Interview
In der deutschen "Vogue" spricht Valerie Specht mit der nicht binären Künstler:in Anouk Lamm Anouk. Im Werk der vor allem in Wien lebenden Person geht es um die Verbindungen von Tier und Mensch, aber auch um Körperbilder und queere Liebe. "Ein friedliches Universum, das in gedämpfte, natürliche Farbtöne getaucht daherkommt", wie es die Autorin beschreibt. Im Gespräch geht es um Anouk Lamm Anouks aktuelle Ausstellung in Venedig und den historischen Zusammenhang von Tierschutz und lesbischer Emanzipation. "Ein zentraler Gedanke dieser Ausstellung ist, dass der Mensch viel Raum für sich beansprucht hat – Raum, der früher auch anderen Lebewesen gehörte. Gleichzeitig verlieren marginalisierte Gruppen immer mehr Raum und Sichtbarkeit. Gerade als queere Person ist es oft eine Herausforderung, sich ein eigenes Zuhause zu schaffen. Mit dieser Ausstellung möchte ich einen temporären Zufluchtsort schaffen – einen Raum, in dem sowohl Tiere als auch marginalisierte Gruppen einen Platz haben", sagt Anouk. Ein Porträt der Künstler:in von Monopol-Autorin Lisa-Marie Berndt lesen Sie hier.
Das besondere Kunstwerk
"Einen gesprengten Geldautomaten und Gasgeruch" in der Freiburger Hildastraße meldete ein Passant der Polizei, die mit mehreren Fahrzeugen anrückte. So beschreibt es Jens Kitzler in der "Badischen Zeitung". Allerdings handelte es sich bei der Szenerie nicht um ein Verbrechen, sondern um Kunst. Und der vermeintliche Tatort war auch keine Bank, sondern ein Ausstellungsraum, wo gerade eine Schau des Aktions-Kollektivs Rocco und seine Brüder stattfindet. Diese umfasste eben auch eine Installation in Gestalt eines vermeintlich in die Luft gejagten, deformierten Geldautomaten. "Die Berliner Gruppe hat es europaweit schon zu einiger Bekanntheit gebracht, sie spielt gerne mit Objekten des öffentlichen Stadtraums und auch im öffentlichen Raum selbst. Und sie agiert anonym – denn nicht selten schrammen ihre Aktionen an der Grenze zum Illegalen entlang", schreibt Kitzler. Die Betreiber des Freiburger Kulturaggregats seien nun bemüht, die Geschichte des Exponats öffentlich zu verbreiten, damit es nicht zu noch mehr Einsätzen kommt. Und der Gasgeruch? Im Schaufenster sei tatsächlich eine Gasflasche zu sehen gewesen, von dieser sei aber keine Gefahr ausgegangen. "Manchmal füllt das Gehirn die Lücke."