Debatte
Wie bereits gestern berichtet, hat die AfD vor dem 100-jährigen Jubiläum des Standortes Dessau das Bauhaus angegriffen. Unter dem Titel "Irrweg der Moderne" wünscht sich die AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt eine "kritische Auseinandersetzung mit dem Bauhaus", berichtete zuerst die "Mitteldeutsche Zeitung": "Konkret fordert die AfD, der Landtag möge beim anstehenden Bauhaus-Jubiläum 2025 und 2026 'eine einseitige Glorifizierung' des Architektur-Erbes verhindern. Bei "Deutschlandfunk Kultur" kontert die Kunsthistorikerin Anke Blümm, die für das Bauhaus Museum der Klassik Stiftung Weimar arbeitet und gerade an einer Ausstellung über die Kunstschule im Nationalsozialismus mitgewirkt hat. Blümm ordnet ein, inwiefern die AfD an die Diffamierung des Bauhauses durch die Nationalsozialisten anschließt und die Moderne bewusst missversteht. Außerdem fragt sie zu Recht, wie die "architektonische Vielfalt", die sich die AfD angeblich wünscht, denn eigentlich aussehen soll.
Christopher Clark schreibt in der "FAZ" über den Versuch der ukrainischen Regierung, das Stadtbild der Hafenmetropole Odessa von allen Spuren russischer Kultur zu säubern. Denkmäler russischer Schriftseller sollen entfernt werden, ukrainische Schulkinder kein Russisch mehr sprechen dürfen. "Es ist vielleicht nicht überraschend, dass ein Staat, der sich im Krieg mit einem russischen Invasor befindet, versucht, jede Spur der Kultur des Feindes von seinen Straßen und Plätzen zu tilgen", so der britische Historiker. Und doch könnte die Ukraine mit dem Vorhaben am Ende vor allem sich selbst schaden. "Das Selbstverständnis von Odessa anzugreifen ist nicht nur unsensibel, sondern könnte ein schwerer strategischer Fehler sein. Und wir können sicher sein, dass die Russen keine Gelegenheit auslassen werden, die daraus resultierende Entfremdung auszunutzen. Wer auf das Überleben und den Erfolg der Ukraine hofft, der sollte auch hoffen, dass Kiew sich für das reiche und vielfältige kulturelle Erbe des Landes entscheidet."
Inzwischen kann man sich fragen, an welchen Missständen der Gegenwart die "verlogene Linke" eigentlich nicht schuld ist - so genüsslich und unaufhörlich wird weiterhin in den Feuilletons auf der vermeintlichen Arroganz sowie Welt- und Menschenferne einer moralistischen Elite herumgeritten. Auch Ulf Poschardt freut sich in der "Welt" mal wieder diebisch über zwei "verräterische Bilder" aus dem US-Wahlkampf. Auf der einen Seite steht Kamala Harris, die sich zum zweiten Mal für die "Vogue" fotografieren ließ. "'Die Kandidatin für unsere Zeit', heißt es auf dem Cover der Modezeitschrift, in der eine kleine Handtasche gern mal so viel kosten darf wie ein Haus für eine sechsköpfige Familie im Rustbelt", schreibt Poschardt. "Fotografiert wird Harris in ihrer Residenz in Washington, in einem Gabriela-Hearst-Kostüm und mit Tiffany-Ohrringen. Offenbar hatte keiner ihrer Berater ein Störgefühl. Die 'Vogue' blamierte sich, weil sie sich als Modeinstanz verrät und vor einem Zeitgeist buckelt, der längst überholt ist." Ganz anders hingegen Donald Trump, der sich als Ronald-Mc-Donald-Verschnitt bei einer Show-Schicht an der Fast-Food-Fritteuse ablichten ließ. Hier wittert der Autor gleich einen Widergänger der Pop Art: "Ob in 'Kevin – Allein zu Haus', 'Zoolander', oder 'Sex and the City' – Trump spielte immer nur sich selbst. Genauer gesagt, seine Persona, die zur Marke geworden ist. Die orange Haut, die absurde Frisur, die schlecht sitzenden Anzüge und Krawatten. Trump ist mehr Schüler von Andy Warhol, als es dem verstorbenen Künstler und Demokraten-Unterstützer wohl recht gewesen wäre."
Restitution
Staatliche Museen in Deutschland horten noch immer wertvolle Kunstwerke, von denen man zumindest vermuten muss, dass sie jüdischen Sammlern einst von den Nazis geraubt oder abgepresst wurden. Tobias Timm deckt in der "Zeit" einen "besonders krassen, bislang nicht öffentlichen Fall" verweigerter Restitution auf, in dem die Museen offenbar eine Restitution anstrebten, dies aber vom Bayerischen Kulturstaatsminister ausgebremst wurde. Schriftsätze und Begutachtungen, die der "Zeit" vorliegen, "belegen, dass eine Bronzeskulptur von Picasso, der Frauenkopf Fernande aus dem Jahr 1906, nicht aus den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen zurückgegeben wurde an die Erben des jüdischen, 1937 im Londoner Exil verstorbenen Galeristen Alfred Flechtheim. Der Generaldirektor des Museums und sein Vize hatten sich zunächst ausdrücklich für eine Rückgabe ausgesprochen. Bei zwei weiteren Kunstwerken von Paul Klee, Grenzen des Verstandes und Sängerin der Komischen Oper von 1927, weigert sich das Land Bayern, die für die Klärung von strittigen Raubkunstfragen zuständige Beratende Kommission anzurufen, wie zahlreiche Schriftsätze belegen. Obwohl auch in diesen Fällen die Museumsleitung bereits im Sommer 2023 auf eine solche Anrufung drängte", schreibt Timm. Für die Erben von Opfern und deren Vertretern sei klar: "eine faire und gerechte Aufarbeitung der NS-Verbrechen wird von dem bayrischen Ministerium, dem Markus Blume seit 2022 vorsteht, seit Jahren ausgebremst." Auch Jörg Häntzschel hat den Fall für die "SZ" recherchiert.
Ausstellung
Hans Joachim Müller hat sich die Ausstellung "Carol Rama. Rebellin der Moderne" in der Frankfurter Schirn angeschaut. Und hegt in der "Welt" nicht nur Zweifel am Titel der Schau, sondern auch an "dem gepflegten Vorwurf an den maskulin dominierten Kunstbetrieb", mit Rama, "eben wieder einmal eine wichtige Position übersehen und sie gleichsam mutwillig ausgesperrt zu haben". Was an dem Werk der US-Künstlerin "rebellisch sein könnte, wird einem auf Schritt und Tritt immer mehr zum Geheimnis. Carol Ramas konstruktiv-konkrete Bilder erscheinen so bieder, so ganz nach Mode und Gruppen-Anleitung gefertigt, wie die informelle Periode dem Zeitgeschmack huldigt. Vor den seltsam glatten, wie frisch versiegelt wirkenden Bildern fühlt man sich stellenweise an die Weihnachtsausstellung im örtlichen Kunstverein der frühen 1960er-Jahre erinnert." Genau im Fehlen eines eigenen Stils jedoch liegt für Müller das Bemerkenswerte. "Mit welcher Intensität und Konsequenz sich die Künstlerin dem ebenso lebenstüchtigen wie kunstdienlichen Spiel der Selbstbehauptung verweigert hat, das macht die Ausstellung auf faszinierende Weise anschaulich. Mehr und mehr verdichtet sich der Eindruck, dass es dem Werkparcours viel weniger um Teilnahme an den angesagten Trends zu tun gewesen sein muss, als um hellwache Reflexionen auf die zerrissene Struktur eines Kunstjahrhunderts, in dem zum Überleben, zum Künstlerinnen-Überleben nicht notwendig die kunstbetriebliche Präpotenz gehört."
Ab Donnerstag werden in der Akademie der Künste Projekte der Berliner Architekten Sauerbruch Hutton vorgestellt. Susanne Kippenberger hat vorab einen Bau des Duos, das neunstöckige Hauptquartier von Médecins Sans Frontières (MSF) in Genf, besucht und schildert im "Tagesspiegel" die konzeptionellen Überlegungen für den Neubau. "Wie schick darf es sein? Diese Frage war immer wieder Gegenstand von Verhandlungen zwischen Auftraggebern und Architekten, die vor Ort vom Genfer Büro Fabio Fossati unterstützt wurde. Wenn die Mitarbeitenden im Feld in Zelten schlafen, im Dreck leben und unter schrecklichsten Bedingungen arbeiten, um Menschen in äußerster Not zu helfen, wäre eine Hochglanz-Zentrale unangemessen und die Spender der NGO verärgert gewesen. Andererseits wollte sich auch das vielfach ausgezeichnete Architekturbüro mit seiner Liebe zu natürlichen Materialien, eleganten und lichten Räumen treu bleiben, zudem musste der Bau robust sein. Also fallen die Decken nun rauer, rostiger aus als die Wände aus glattpoliertem Sichtbeton, und das Treppengeländer ist aus einer Art elegantem Maschendraht."