Medienschau

"Sie wollen kontrollieren, was gesagt werden darf und was nicht"

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Die AfD greift Kulturinstitutionen an, Vorwürfe gegen den vatikanischen Pavillon in Venedig und ein Museum, das sich selbst übertrifft: Das ist unsere Presseschau am Mittwoch
 

Debatte

Der vatikanische Pavillon der Venedig-Biennale, der sich in einem Frauengefängnis auf der Insel Giudecca befindet, stieß bisher überwiegend auf ein positives Presseecho. Aber werden für das Projekt, bei dem Besucher in Gruppen durch eine Ausstellung geführt werden, die Gefangenen ausgebeutet? Das behaupten zumindest das kuratorische Duo Francesco Urbano Ragazzi, das 2022 mit der Künstlerin Pauline Curnier Jardin ebenfalls in der Haftanstalt gearbeitet hat. Dazu schreibt Jo Lawson-Tancred bei "Artnet": "Im Mittelpunkt ihrer Behauptungen steht der Vorwurf, dass die meisten der an der Ausstellung teilnehmenden Künstler nicht sinnvoll mit den inhaftierten Frauen zusammengearbeitet haben, obwohl die Ausstellung als kooperatives Projekt angekündigt wurde. Die französische Künstlerin Claire Tabouret beispielsweise habe Porträts der Kinder der Frauen auf der Grundlage von Fotos angefertigt, die ihr zugeschickt wurden, ohne die betreffenden Familien zu treffen. Die Gefangenen, die Gedichte für Simone Fattals Werk beigesteuert haben, wurden angeblich von der Künstlerin selbst weder ausdrücklich angeleitet noch für ihre Arbeit bezahlt." Außerdem würden die Häftlinge nicht für ihre Arbeit als Guides für die Besuchergruppen bezahlt. Die Organisatoren des Pavillons haben die Vorwürfe zurückgewiesen. 
 

Auf "Spiegel Online" erklären Laura Backes, Maik Baumgärtner und Ann-Katrin Müller, wie die AfD deutsche Kulturinstitutionen bekämpft. Namentlich genannt wird im Artikel Hans-Thomas Tillschneider, Spitzenfunktionär der Partei und Vizevorsitzender im sachsen-anhaltinischen Landes- und Fraktionsvorstand der AfD, der mehrfach mit Forderungen auffiel, Theatern und Festivals die Gelder zu streichen und Ende 2020 "zu einem Weihnachtssingen mit Liedern der Nationalsozialisten" aufrief. An echter Kulturpolitik seien die wenigsten AfD-Politiker interessiert. Was dagegen "Leute wie Tillschneider und sein völkisches Umfeld anstreben, ist etwas Abstrakteres, etwas Wirkmächtigeres: die kulturelle Hegemonie in diesem Land. Sie wollen kontrollieren, was gesagt werden darf und was nicht, wer ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft ist und wer nicht", schreiben die "Spiegel"-Autoren. Widerstand machen sie etwa bei der Kulturwissenschaftlerin Frauke Wetzel aus, die an einer Broschüre mit Ratschlägen für angegriffene Institutionen mitgearbeitet hat: "Sie wünscht sich, dass sich mehr Politikerinnen und Politiker, mehr Prominente mit den bedrohten Kulturprojekten solidarisieren".


Nachruf

"Artforum" erinnert in einem Nachruf an die Galeristin Barbara Gladstone, die im Alter von 89 Jahren verstorben ist: "Als sie 1980 ihr erstes Geschäft eröffnete, verfolgte die für ihre Zurückgezogenheit berühmte Gladstone einen bedächtigen Ansatz, um bahnbrechende, innovative Kunst auszustellen, wobei sie stets die Belange der Künstler vor ihre eigenen stellte. Die langsam glühende Kombination führte im Laufe der Jahre zu aufsehenerregenden Ergebnissen: Als sie starb, war die Galerie für ihre Ausstellungen von musealer Qualität bekannt und vertrat 72 Künstler, von den Nachlässen inzwischen kanonischer Künstler wie Keith Haring und Robert Rauschenberg bis hin zu aufstrebenden Künstlern wie Ian Cheng und Rachel Rose."


Ausstellung

Im "Tagesspiegel" findet eine begeisterte Christiane Meixner, dass sich die Schweizer Fondation Beyeler mit ihrer Sommerausstellung, die einem Spielplatz gleicht und bei der Werke immer wieder umgehängt werden, selbst übertroffen hat. Dabei gebe es durchaus auch kritische Stimmen, die die lockeren Arrangements für respektlos halten. Meixner hält dagegen: "Das geht natürlich gegen Sehgewohnheiten und eingeübte Rituale der Kunstrezeption. Endlich, könnte man jedoch auch sagen, stellt eine Institution diese Muster auf die Probe, hinterfragt das Statische von Gewohnheiten und bietet dem Publikum eine Alternative an." Unsere Rezension zur Ausstellung finden Sie hier


In der "Berliner Zeitung" lobt Ingeborg Ruthe die Soloschau des mit der "Neuen Leipziger Schule" assoziierten Malers Tim Eitel. "Mal subtil, mal krass überzeichnet ist das Nebeneinander von Nähe und Ferne von Innen und Außen in den Bildern", stellt die Autorin nach dem Besuch der Kunsthalle Rostock fest. "Man ist an die Filmkunst Michelangelo Antonionis und dessen Parallelwelten erinnert. Auch Eitel bricht aus der Konvention der klassischen Figurenmalerei aus, verdeutlicht gerade die innere Entfremdung seiner Figuren". Distanz konstatiert Ruthe aber auch zu den Betrachtenden. "Wir sind auf uns selbst zurückgeworfen, wir müssen unsere eigenen Gedanken, Erfahrungen, Erlebnisse, Gefühle hineintragen. Der Maler macht uns ja nur Vorschläge … Und lässt so Nebensächliches, Unbeachtetes zum Thema werden: Personen, Dinge, Landschaft im Dunklen oder neblig Hellen, kaum erkennbar, rätselhaft, auch leicht beklemmend."