Debatte
Michael Bielicky, Medienkünstler und bis 2023 Professor der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe, berichtet in der "FAZ" von seinem Heranwachsen in einer Familie von Holocaust-Überlebenden. "Lange wusste ich nicht, dass ich ein Jude bin. Ich wunderte mich, wieso alle ihre Großeltern haben, nur ich nicht," schreibt der in Prag geborene, als Kind mit seiner Familie nach Deutschland geflüchtete Bielicky, der an der Düsseldorfer Akademie bei Nam June Paik studierte. In seinem Text mit dem Titel "Die Nachkommen der Mörder Ihrer Großeltern haben Sie vergagt?" schreibt er, dass an der Karlsruher Hochschule nun BDS-Sympathisanten das Sagen hätten. 2006 wurde er Professor des Fachbereichs Digitale Medien an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung. "Dort, umgeben von einer intellektuellen und künstlerischen Weltelite, konnte Ungeahntes geschehen. Nicht wenige jüdische Kolleginnen und Kollegen haben im Haus gewirkt. Der Geist, die Toleranz und Originalität der beiden Häuser (ZKM/HFG) strahlte in die Welt", schreibt Bielicky, der sich aktuell im Rechtsstreit mit der Hochschule befindet. Das sei nun ganz anders. "Ein bizarrer Ideologiesturm hat das Haus erreicht, gepaart mit Intoleranz und Unterdurchschnittlichkeit. Das Einzige, was überdurchschnittlich dort wurde, ist die hohe Anzahl der BDS-Sympathisanten in diesem Haus." Die Hochschule bestritt bereits im Oktober 2023 in einer Stellungnahme in der "NZZ" zu einem Interview Bielickys politische oder ideologische Gründe für den Zwist. Die Verlängerung seines Vertrags sei deshalb unwirksam, da sich der damalige Rektor bereits im Abwahlverfahren befunden hatte. UPDATE: 22. Mai: Die "FAZ" hat ihren Artikel inziwschen um eine Anmerkung erweitert: "Das befristete Vertragsverhältnis von Herrn Prof. Bielicky und der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe (HfG) endete in Folge des regulären Eintritts in den Ruhestand zum vereinbarten Zeitpunkt am 31. März 2023. Dies wurde vom Arbeitsgericht Karlsruhe im Mai 2023 bestätigt, die Berufung von Herrn Prof. Bielicky gegen dieses Urteil wurde vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg am 16. Mai 2024 zurückgewiesen."
Kunstmarkt
Eine nervöse Stimmung bei den Auktionshäusern sieht der "Spiegel" vor den wichtigen New Yorker Frühjahrsversteigerungen in dieser Woche. Das liegt laut Autorin Ulrike Knöfel nicht nur an einem schwächelnden Markt, sondern auch an einer Hacker-Attacke auf das Traditionshaus Christie's, die psychologisch fatal sein könnte: "Vor ein paar Tagen haben Hacker die Homepage von Christie’s attackiert und die Seite weitgehend offline genommen. Das könnte zu größerer Verunsicherung unter Bietern führen. Viele sensible Daten werden über den digitalen Weg übermittelt, das Vertrauen der Bieter in entsprechende Sicherheitsvorkehrungen könnte kurz vor der wichtigen Auktionswoche eingebrochen sein: Wenn das zweitgrößte Auktionshaus der Welt derart angreifbar ist, dann ist es die Konkurrenz wahrscheinlich auch."
Literatur
Wegen ihres neuen Romans sind die Zeitungen und Magazine gerade voll mit der US-amerikanischen Künstlerin, Musikerin, Regisseurin, Autorin und Lieblingsverschrobenen Miranda July. In der "Süddeutschen Zeitung" findet es Marie Schmidt nur logisch, dass sich das Multitalent aus LA nun dem Thema Altern und Weiblichkeit annimmt. "Dieses brutale Szenario der Lebensmitte zu überschreiben, eine echtere, plastische und dabei supersinnliche Geschichte davon zu erzählen, ist das Ziel des Wechseljahre-Romans 'Auf allen vieren'. Und es leuchtet vollkommen ein, dass gerade das amerikanische Multitalent Miranda July diese Aufgabe übernimmt. Schon immer hat sie aus den Eingeweiden, den Psychen der melancholischen Individualisten unserer Zeit noch das flaueste Gefühl, die letzte Peinlichkeit herausgeholt und liebevoll aufs Podest ihrer Kunst gestellt." Auch der "New Yorker" widmet Miranda July ein ausführliches Porträt. In dem detail- und anekdotenreichen Text von Alexandra Schwartz spricht die Künstlerin auch über die öffentliche Wahrnehmung, die nicht zwischen ihrer Person und den Charakteren in ihren Filmen unterscheiden konnte oder wollte: "Wenn die Leute July erkannten, baten sie sie um eine Umarmung, 'als wäre ich ein verlorenes kleines Mädchen oder so.' 'Ich und Du und alle, die wir kennen' hat sich an heikle und tabuisierte Themen gewagt - Agnes Vardas Film 'Kung-Fu Master!' über die Affäre einer Frau mittleren Alters mit einem vierzehnjährigen Jungen, war eine wichtige Inspiration - doch July fühlte sich von der öffentlichen Wahrnehmung entwaffnet. 'Ich kann mich nicht mit dieser Frau identifizieren', erinnert sie sich. 'Und jetzt stecke ich in ihrer Rolle fest, und alles, was ich tue, ist süß.'"
Museen
Kisten packen für eine unbekannte Zukunft: Im Herbst schließt das ikonische Centre-Pompidou-Gebäude in Paris für eine Generalüberholung. Fünf Jahre soll die Modernisierung dauern, vielleicht sogar länger. In der "Zeit" besucht Matthias Krupa das wuselige Museum für einen letzte Begegnung im alten Zustand. Und erzählt, dass nicht alle den Überschwang für die geplanten Zwischenlösungen der Pompidou-Direktion teilen: "Le Bon hat für die kommenden Jahre ein schönes Feuerwerk an Initiativen und Kooperationen angekündigt. In Paris wird das Museum jährlich vier Ausstellungen im Grand Palais zeigen, der Palais wird selbst erst in diesem Sommer wiedereröffnet. Die ersten Ausstellungen dort sind bereits angekündigt. Ab Juni 2025 läuft 'Niki de Saint Phalle, Jean Tinguely und Pontus Hultén', eine Referenz an den legendären Ausstellungsmacher und ersten Direktor des Centre Pompidou, den Schweden Pontus Hultén. Auch mit dem Louvre, der Orangerie, dem Musée Rodin und verschiedenen Museen in anderen Teilen des Landes sind gemeinsame Projekte geplant. Aber längst nicht alle der mehr als tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teilen den Überschwang ihres Direktors für eine Neugründung. Was wird aus dem Centre? Und was wird aus mir? Die beiden Fragen haben in den vergangenen Monaten scharfe Kontroversen ausgelöst." Angesichts dieser ungewissen Aussichten schließt Krupa mit einer Empfehlung: "Aber was das Centre Pompidou sein wird, wenn es einmal wiedereröffnet, steht in den Sternen. Kommen Sie also schnell, und fahren Sie mit der Rolltreppe hinauf, solange das Zentrum noch offen ist – oben, auf der sechsten Etage, ist man dem Himmel ganz nah."
Film
George Lucas, der Schöpfer des "Star Wars"-Imperiums, ist 80 geworden. "In einer Welt multipler Entscheidungsträger, die bei jedem größeren Projekt an verworrenen Strippen ziehen und am Ende so oft Murks auf die Welt loslassen", schreibt Tobias Kniebe in seinem "SZ"-Gratulationstext, "gab es bei George Lucas immer nur eine Vision - seine. Das merkt man den Filmen an, ihrer Kohärenz, ihrer inneren Sinnstruktur, nur deshalb konnte sein Universum auf diese Größe und Bedeutung anwachsen. Und nur deshalb versuchen sie bei Disney bis heute – mal mehr, mal weniger erfolgreich –, mit jedem neuen 'Star Wars'-Produkt seine Handschrift zu klonen". In der "FAZ" gratuliert Axel Weidemann dem omnipotenten Filmemacher, "der als Rebell begann und als Imperator (weitsichtig sicherte er sich gleich zu Beginn die Merchandise- und Sequel-Rechte) endete". Ähnlich kritisch urteilt Jens Hinrichsen im "Filmdienst" über den heutigen Lucas, der einst "das Blockbuster-Kino mit Hyperantrieb aufrüstete und in einer weit weit entfernten Galaxis seine künstlerischen Ambitionen verlor". Wie seine Kollegen erinnert der Autor an den Autounfall des 18-Jährigen in seiner Heimatstadt Modesto, Kalifornien, den Lucas nur knapp überlebte. Nicht nur in seinen "Star Wars"-Filme durften später unverwundbare Helden die wahnwitzigsten Flugmanöver überstehen. Bereits in "American Graffiti" von 1973 reinszenierte Lucas seinen Unfall (den ein Freund bei einem riskanten Überholmanöver verursachte) mit einem Rennfahrer namens Bob Falfa während eines Rennens, das laut Hinrichsen "kurz ist, weil Falfa ein Reifen platzt. Sein schwarzer Chevy kommt von der Straße ab, überschlägt sich, fängt an zu brennen, explodiert. Davor sind der Unglücksfahrer und seine Begleiterin in letzter Sekunde aus dem Wrack gekrochen. Bob Falfa, nur eine Nebenrolle, wurde von einem gewissen Harrison Ford gespielt – später ein Glücksritter von Lucas’ Gnaden. Seine Catchphrase als Han Solo: 'Never tell me the odds!' Sag mir nie, wie meine Chancen stehen."