Medienschau

"Ich würde gern wissen, wie der Regierende Bürgermeister sich Berlin 2035 vorstellt"

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Die Sparmaßnahmen des Berliner Senats treffen auch die Kunsthochschulen, der Fall Thilo Mischke ist immer noch nicht auserzählt, und Aktmodell stehen hilft bei der Selbstakzeptanz: Das ist unsere Presseschau am Montag
 

Debatte

Auch über eine Woche nach dem verkündeten Aus von Thilo Mischke als "TTT"-Moderator in der ARD erscheinen immer noch neue Meinungsstücke zum Thema. Die Aufmerksamkeit für das Kulturformat dürfte jedenfalls inzwischen in keinerlei Verhältnis mehr zu den sonntagabendlichen Einschaltquoten der vergangenen Jahre stehen. "Sexismus - ist uns egal?", fragt die Schriftstellerin Anne Raabe in der "FAZ". In ihrem Gastbeitrag geht sie darauf ein, dass die ARD in ihrer Begründung für den Rückzieher bei der Personalie das "Debattenklima" bemängelte, selbst aber zu keiner Debatte bereit schien. "Sowohl die Redaktion als auch Mischke haben es verpasst, in der Kritik ei­­ne Chance zu einer ehrlichen Auseinandersetzung mit den eigenen Ansprüchen zu sehen. Wäre nicht ein Beitrag denkbar gewesen, in dem Mischke sich mit seinen eigenen Äußerungen konfrontiert und den Prägungen durch eine Gesellschaft auf den Grund geht, die es ihm ermöglicht hat, sich nicht nur sexistisch, rassistisch und ableistisch zu äußern, sondern darauf sogar eine journalistische Karriere aufzubauen? Wäre es nicht interessant gewesen, den systemischen Ursachen dafür nachzugehen, dass die Kulturchefs der Sende­an­stalten trotz berechtigter Kritik an der Personalie Mischke festhielten, in diesem kon­­kreten Fall also sagten – Sexismus ist uns egal? Wie steht es nun um das Anliegen des Senders, Sexismus und damit auch den Nährboden für Gewalt an Frauen zu bekämpfen?" Paul Jandl stellt in der "Neuen Zürcher Zeitung" fest, dass es meist nach hinten losgeht, wenn Öffentlich-Rechtliche auf der Suche nach jungen Zuschauern auf "frische Gesichter" setzen. "Es hat etwas Verzweifeltes, wenn die öffentlichrechtlichen Sender versuchen, neues Publikum für ihre alten Formate zu bekommen. Da kann es schon genügen, sich als Moderator eines Kunstmagazins für einen unterkomplexen Kulturbegriff zu loben. Frisch, frech und nah am Podcast-Sound ... wenn ARD und ZDF in Modernisierungslaune sind, dann vergreifen sie sich nicht am Heizdeckenfernsehen des Vorabendprogramms, sondern am liebsten an der Kultur." 


Kulturpolitik

Nicht nur bei Kunsträumen und Ateliers, auch bei den Berliner Kunsthochschulen muss nach den Budgetkürzungen des Senats massiv gespart werden. Wie Eva Murašov im "Tagesspiegel" berichtet, könnte darunter auch die Qualität der Lehre leiden. So skizziert der scheidende Rektor der Universität der Künste, Norbert Palz, dass die Sparpolitik unter anderem zur Absage von Veranstaltungen, einem Einstellungsstopp und dem Pausieren von bereits angeschobenen Innovationsprojekten wie dem eines leistungsstarken KI-Servers führe. "Wie viele kritisiert der UdK-Chef den Senat als 'visionslos'. 'Ich würde gern wissen, wie der Regierende Bürgermeister sich Berlin 2035 vorstellt.' Neben der Wissenschaft muss auch die Kultur viele Millionen einsparen, beides – neben der Startup-Szene – Aushängeschilder der Hauptstadt."


Kunstmarkt

Dem Auktionshaus Sotheby's geht es wirtschaftlich schlecht. Nun schließt das hoch verschuldete Unternehmen seinen Standort in Wien, wie Olga Kronsteiner im "Standard" berichtet. "Dem offiziellen Wortlaut zufolge handelt es sich um eine rein strategische Entscheidung. Österreich bleibe geschäftstechnisch weiter im Fokus und werde künftig von München aus betreut, ebenso Ungarn und Polen. Dem Vernehmen nach sind in anderen europäischen Niederlassungen noch weitere Entlassungen und Schließungen angelaufen."


Waldbrände in Kalifornien

Mit den Villen im Stadtteil Pacific Palisades in Los Angeles brennen auch die Schauplätze von Hollywood-Träumen und ein wichtiger Teil deutscher Kulturgeschichte. Das gelte insbesondere für die ehemaligen Wohnsitze der Exil-Schriftsteller Thomas Mann und Lion Feuchtwanger, in deren Nähe die Feuer wüteten. "Und dieses Haus war genau das: der symbolische Regierungssitz des Teils der deutschen Kultur, den die Nazis in Deutschland für undeutsch erklärt hatten", schreibt Volker Weidermann in der "Zeit" über Thomas Manns Bungalow, der bisher unversehrt blieb. "Die USA, wie auch viele andere Länder auf der Welt, waren die große, unerschütterliche Schutzmacht für viele, viele Menschen, Künstler, Schauspielerinnen, Schriftsteller. Und viele derjenigen, die nicht haben fliehen können, haben die Nazis dann ermordet. Die deutsche Kultur weiter Teile des 20. Jahrhunderts, auf die wir heute so stolz sind, ist eine Flüchtlingskultur. Ist eine – durch Glück, durch menschenfreundliche Regierungen, durch heldenhaft agierende Menschen – gerettete Kultur. Und der Hügel von Pacific Palisades, der in Flammen steht oder nur noch ein grauer Ascherest ist aus Gebäudegerippen und verkohlten Palmen, der ist ein Symbol jener kühnen, heute märchenhaft erscheinenden Rettungsbereitschaft eines Landes."


Kunst und Körper

Kann Kunst gegen Komplexe helfen? In der "Zeit" beschreibt Theresa Moosmann, wie sie seit der Pubertät mit ihrem Körper hadert und ihn immer wieder anhand von vordefinierten Maßstäben der Sexyness und Perfektion beurteilt. Um von diesen Kategorien des male gaze wegzukommen, meldet sie sich als Aktomodell in einem Zeichenkurs in Berlin und berichtet von ihren Erfahrungen. In dem Text taucht auch die Künstlerin Skarlett Röhner auf, die versucht, der Neueinsteigerin die Scheu zu nehmen. Beim Aktzeichnen bewerte niemand einen Körper, vielmehr werde man angeschaut wie eine Vase. Am Ende des Experiments zeigt sich die Autorin zumindest zeitweise versöhnt. "Wie wahnsinnig das eigentlich ist: Die anderen schauen sich meinen Körper an, nur mit Neugierde, nicht mit Schrecken. Dann wandern diese Eindrücke aufs Blatt, sie beschreiben mich. Jeder Körper ist malbar, sichtbar und einfach da. Wie eine Vase. So einfach, so tröstlich. Wer bin ich, zu entscheiden, dass mein Körper das nicht verdient hat: gesehen zu werden."


Hinter den Kulissen

In einem ausführlichen Radio-Feature im Deutschlandfunk begleitet Torsten Jantschek die Künstlerin Jeewi Lee bei ihrer Arbeit. Für eine Ausstellung in der Berliner Galerie Sexauer verwandelt sie verschieden geformte Sandkörner in massive Skulpturen und lässt uns diesen Stoff mit ganz anderen Augen sehen. Dabei wird deutlich, wie viel Technik und Fachwissen nötig ist, um eine poetische Idee in Materie umzuwandeln.