Debatte
In der "Süddeutschen Zeitung" macht sich Peter Richter Gedanken über die Kampagne "Strike Germany", die seit einigen Tagen im Netz kursiert. Der englische Text, der zuerst als Google Doc verbreitet wurde, richtet sich an cultural workers und ruft dazu auf, staatlich geförderte deutsche Kunsthäuser zu boykottieren, da dort eine "Unterdrückung freier Meinungsäußerungen, speziell des Ausdrucks der 'Solidarität mit Palästina'" stattfinde. Die bisher anonymen Verfasser fordern unter anderem, die BDS-Resolution von 2019 zurückzunehmen, die die anti-israelische Kampagne Boycott, Divest, Sanction als antisemitisch einstuft. Richter fragt sich, ob die "verdächtig zugespitzte und simplifizierte" Sprache des Aufrufs ein Hinweis auf eine Parodie sein könnte. "Es kann aber genauso gut auch sein, dass hier Leute am Werk sind, die Kritik am massiven Vorgehen der israelischen Streitkräfte in Gaza diskreditieren wollen. Oder sind es rechte, identitäre Scherzbolde, die ohnehin im öffentlich finanzierten deutschen Kulturbetrieb künftig diejenigen am liebsten nicht mehr sehen wollen, die jetzt hier zum 'Boykott' aufgerufen werden? Oder Putins Trolle? Manche tippen auch schon auf eine besonders verdrehte Aktion des Zentrums für Politische Schönheit."
Claudius Seidl nimmt die Absichten und Auswirkungen von "Strike Germany" in der "FAZ" dagegen ernst: "Vieles spricht dafür, dass 'Strike Germany' eine Reaktion auf Joe Chialo ist, den Berliner Kultursenator, der mit staatlichem Geld keine Kunst mehr fördern will, die antisemitisch und israelfeindlich ist. Eigentlich ein unterstützenswertes Anliegen – nur stellt sich Chialo so ungeschickt an, dass nicht nur die notorischen Israelfeinde im Kunstbetrieb sich empören. Auch eine besonnene Wissenschaftlerin wie Barbara Stollberg-Rilinger, Rektorin des Berliner Wissenschaftskollegs, ist nicht begeistert."
Mit der vom Berliner Senat eingeführte "Antidiskrimierungs-Klausel" befasst sich jetzt auch die "Welt" unter der janz berlinerischen Überschrift "Joe Chialo schockt die Berliner Kulturszene – und das ist auch gut so". "Die Pro-Palästina-Bubble im Kunstbetrieb ist schon länger in Aufruhr, weil Deutschland Israel unterstützt. Nun will man der die Szene dominierenden Ideologie an die Fördertöpfe. Es braut sich was zusammen", behauptet Boris Pofalla. "Weder das Land Berlin noch der Bund werden sich von ihren längst beschlossenen Definitionen von Antisemitismus abbringen lassen, nicht nach dem 7. Oktober 2023. Dagegen kann man demonstrieren und argumentieren. Aber dass demokratisch legitimierte Instanzen darüber bestimmen dürfen, wofür öffentliche Gelder ausgegeben werden, ist nun mal eine Selbstverständlichkeit."
Fotografie
Am 16. Januar wird das britische Model Kate Moss 50 Jahre alt. Im "Guardian" erinnern sich fünf Fotografinnen und Fotografen an die Arbeit mit ihr und die ikonischen Bilder, die dabei entstanden. Dabei ist auch David Dawson, der Moss im Bett mit dem Künstler Lucian Freud ablichtete. Er erzählt von einem Besuch bei Freud, der bei einem Filmdreh einen Unfall mit einem Zebra gehabt hatte: "Ich hatte Kate ins Haus gelassen, sie nach oben zu Lucian gebracht und gesagt: 'Oh Kate, ich möchte nur ein Foto von euch beiden zusammen haben.' Kate sagte: 'Ja, natürlich!' Dann ist sie spontan ins Bett gesprungen und hat mit ihm gekuschelt. Das ist das Geniale an Kate - sie weiß, wie man ein tolles Foto macht. Aber es zeigt auch die zarte Freundschaft zwischen den beiden."
Ausstellung
Die Dresdner Ausstellung "Revolutionary Romances – Globale Kunstgeschichten in der DDR" blickt auf ostdeutsche Kunst und ihre Verbindungen zu sozialistischen Bruderstaaten – und damit auf ein kaum erforschtes Kapitel der Kunstgeschichte. "Es ist wichtig, Künstler:innen zu würdigen, die vom DDR-Apparat verfolgt und zensiert wurden. Aber man kann mittlerweile auch differenzierter auf eine Kunst schauen, die mit dem Realsozialismus konform ging. Denn auch sie ist häufig in einer Grauzone entstanden, liegt irgendwo zwischen politisierter Kulturförderung und persönlichem künstlerischem Wollen – und sie war so global vernetzt wie der Sozialismus es auch war. Das alles zeigt gerade die Ausstellung im Dresdener Albertinum", schreibt Robert Schlücker, der sich die Ausstellung für die "Taz" angeschaut hat.