Porträt
Wenn auf deutschen Bühnen, in Unis und Museen über Israel gestritten wird, werden sie als Schlichter gerufen: Das "Zeit-Magazin" porträtiert das jüdisch-muslimische Paar Meron Mendel und Saba-Nur Cheema. Dabei geht es auch um Boykottbewegungen im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt: "Mendel und Cheema stehen dem BDS kritisch gegenüber: 'Da werden Menschen nur aufgrund ihres Geburtsortes oder ihrer Nationalität boykottiert, die Kampagne ist das Aus für Friedensinitiativen und Dialogprojekte', sagt Mendel. Vom BDS-Beschluss des Bundestags halten sie trotzdem nichts, er zeige vor allem die Hilflosigkeit der Politik. Dort sei die Solidarität mit Israel Staatsräson, aber in der Kunst- und Kulturwelt sei der Konsens ein ganz anderer. Es werde nicht funktionieren, wenn ein System dem anderen seine Logik aufdrängen will: 'Das schafft nur Feindbilder, und die Meinungsfreiheit wird eingeschränkt. Nur eine inhaltliche Auseinandersetzung hilft.' Aber genau die ist eben so schwer."
Interview
Gespräche mit Daniel Richter sind immer toll, weil der in Berlin lebende Maler Freude am Schnacken hat (mit leicht Hamburger Dialekt klingt auch alles gleich so lässig), meinungsstark und lustig ist. Zu seinem Auftritt in Jagoda Marinić' Interviewserie "Das Buch meines Lebens" auf Arte bringt der Künstler gleich sieben Bücher mit, weil es nicht das eine Buch gebe: Werke von Valerie Solanas, Slavko Goldstein, Tove Ditlevsen, Hillary Mantel, Hubert Fichte, Roberto Bolańo und Nadeschda Mandelstam. In einer unterhaltsamen Stunde berichtet Richter, was ihm an den Büchern gefällt. "Das Gefühl, nicht dazu zu gehören und gleichzeitig für die Hälfte der Menschheit zu schreiben", erstaunt ihn zum Beispiel an Ditlevsens "Kopenhagen Trilogie": "Alle Frauen, die das lesen, können sich damit identifizieren. Das heißt ja, dass die alle nicht dazugehören. Die Entfremdungserfahrung ist ja eine, an die du andockst aufgrund des Kunstwerkes, nicht weil jemand sagt, du, ich fühle mich auch so komisch, wenn ich die Typen da sehe. Und dann sagt du: Ja, sehe ich auch. Sondern du liest was und durch die Sprache und durch die Schilderung erkennst du etwas, was deine Situation ist, was diese Person aber formuliert, was du gar nicht formulieren könntest, weil du gar nicht die Person bist. Aber diese Person öffnet dir den Verstand oder das Herz oder die Einsicht." Außerdem geht es um politischen Aktivismus von Künstlerinnen und Künstlern, ums Jungsein, Lehre, Impressionismus, um Autonome, Polizisten, den Unterschied zwischen Bild und Schrift und schließlich das Bekenntnis des Künstlers, einst "wie ein Eintopf gewesen zu sein, der lange vor sich hingebrutzelt hat."
Ijoma Mangold hat für die "Zeit" ein langes, lesenswertes Interview mit der in Düsseldorf lebenden Autorin Mithu Sanyal ("Identitti") über den Nahostkrieg und die Auswirkungen auf die internationale und deutsche Kultur geführt, über Judith Butler, Cancel Culture, Postkolonialismus und Gedenkkultur. "Holocaustforschung und postkoloniale Forschung wird an Unis oft auch von denselben Menschen gemacht, oder es gibt zumindest große Überschneidungen. Es macht mich unglücklich, dass das in den aktuellen Debatten so gegeneinander ausgespielt wird. Für den deutschen Teil in mir ist der Holocaust der große Zivilisationsbruch. Für den indischen Teil in mir gibt es andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die ebenfalls der große Zivilisationsbruch sind. Diese beiden Teile ringen häufig miteinander. Aber das finde ich eigentlich produktiv. Denn das eine macht das andere nicht kleiner."
Museen
Knapp ein Jahr nach Ende des ersten Strafprozesses im Fall des Juwelendiebstahls aus dem Dresdner Grünen Gewölbe wird über Schadenersatzforderungen verhandelt. Eine Zivilkammer des Landgerichts Dresden beschäftigt sich heute mit der Klage des Sachsens gegen die Sicherheitsfirma der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD). Darin geht es um gut 15 Millionen Euro plus 300 000 Euro für Reparaturen an dem Museum, wie der MDR berichtet. Der Freistaat wirft dem Sicherheitsunternehmen Fehlverhalten von vier Wachleuten bei dem spektakulären Einbruch in den historisch rekonstruierten Teil von Sachsens Schatzkammermuseum vor. Im Zuge der Ermittlungen dazu konnten dem Unternehmen oder einzelnen Beschäftigten keine Pflichtverletzungen nachgewiesen werden. Der Kunstdiebstahl aus dem Museum im Residenzschloss am 25. November 2019 war einer der spektakulärsten in Deutschland, bei dem die Täter 21 Schmuckstücke mit Diamanten und Brillanten im Wert von 116,8 Millionen Euro erbeuteten. Im Mai 2023 waren fünf junge Männer aus dem bekannten Berliner Remmo-Clan verurteilt worden, inzwischen rechtskräftig. In ihrem Prozess am Landgericht Dresden war im Zuge eines Deals Ende 2022 ein Großteil der Beute zurückgegeben worden. Die Richter hatten einen Anspruch des Freistaates auf Schadenersatz bejaht, die Festlegung einer konkreten Summe jedoch abgelehnt, da deren Ermittlung zu aufwendig und langwierig wäre.
Ausstellungen
"Taz"-Kulturredakteur Julian Weber geht einem Verdacht nach: Wurde im Umfeld der Hip-Hop-Ausstellung in der Frankfurter Schirn ein Konzept des Künstlers Nik Nowak einfach übernommen? "Wenn man sich zur Atmosphäre in Frankfurt umhört, prallt man auf eine Mauer des Schweigens. Zahlreiche angefragte Personen möchten lieber nichts sagen. Eine DJ lässt sich immerhin anonym zitieren. Es gäbe 'ungute Machtstrukturen', eine 'Kultur der Zweitverwertung kreativer Ideen' und 'Abhängigkeiten von Fördertöpfen' und 'der Gunst zu Verantwortlichen'."
Das ist mal serviceorientierter Journalismus: Birgit Rieger erklärt im "Tagesspiegel", wie man trotz Andrang ein Ticket für Caspar-David-Friedrich-Schau in der Alten Nationalgalerie ergattert. "Neben den rasch ausgebuchten Online-Kontingenten hält das Museum die Hälfte der pro Tag verfügbaren Tickets für Tagesbesuche bereit." Und: "Wer bis etwa 16 Uhr kommt, schafft es in der Regel auch noch in die Ausstellung. Bisher gab es nicht die Situation, dass Besucher, die ein Ticket erwerben wollten, abgewiesen werden mussten. Der letzte Einlass ist 45 Minuten vor der Schließzeit."