Medienschau

"Die reale Wirkmacht des politischen Aktivismus in der Kunst ist eine Illusion"

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Das Problem der Politisierung von Kunst, Frank Auerbachs Sohn räumt mit Mythen über seinen Vater auf, und was die Senkung der Mehrwertsteuer auf Kunst bringt: Das ist unsere Presseschau am Montag 

Debatte

Die Inszenierung von Kultur als Politikspektakel, wie sie bei der Eröffnung der Nan-Goldin-Ausstellung in der Berliner Neuen Nationalgalerie von mehreren Seiten betrieben wurde, hat Folgen, meint Tobi Müller in der "Zeit": "Was aus der Kultur kommt an politischer Einmischung, wird von der Politik nicht mehr ernst genommen. Die reale Wirkmacht des politischen Aktivismus in der Kunst ist eine Illusion. Das hat sich nicht nur im Nahostkonflikt oder an der US-Wahl offenbart. Auch das innerdeutsche Kulturmilieu ist hart gelandet auf dem Boden von Tatsachen, die lange verdrängt wurden. Vor lauter, je nach Standpunkt woken oder progressiven, auf jeden Fall linken Botschaften in der Pop- und Jugendkultur, bei all den Bildern der demonstrierenden Jugend gegen Rassismus und Sexismus oder für mehr Klimaschutz, haben die Kulturschaffenden übersehen, dass die Jugend gar nicht mehrheitlich woke oder progressiv ist. Sie wählt zunehmend rechts, wie sich dieses Jahr bei Kommunal- und Landtagswahlen im Osten bestätigte." Die Vermischung von Kunst und Politik werde auf so breiter Front noch gar nicht lange betrieben: Erst vor gut zehn Jahren habe sich ein "Fördermainstream" formiert, "der die Politisierung der Künste anstrebte und durchdrückte", bestärkt von politischen Bewegungen wie Black Lives Matter und #MeToo. Ganz verurteilen will Müller das zunächst nicht: "Ohne die politische Wende in den Künsten wäre ihr anhaltender Erfolg so nicht möglich gewesen", denn die Künstlerinnen und Künstler konnten mit ihrem "Engagement eine große Kundschaft finden und selbst in der Hochkultur so etwas wie engagiertes Fantum ermöglichen." Das Problem der Politisierung habe aber da begonnen, "als diese Haltungen selbst zur Marke der Künstlerinnen und Künstler wurden. Aus der Freiheit, auch politische Kunst machen zu dürfen und damit ein großes Publikum erreichen zu können, erwuchs ein Marktbefehl, politischer Künstler sein zu müssen. Häufig stammt dieser Befehl von Marken und Museen, die mit aktivistischer Kunst von ihren institutionellen Problemen ablenken wollen."

Im "Spiegel" schauen Laura Backes und Wolfgang Höbel voraus auf das Kulturhauptstadt-Jahr in Chemnitz – und fragen, ob ein Besuch lohnt in der Stadt, die zuletzt durch rechtsradikale Krawalle in den Schlagzeilen war. "Das Problem ist nur, dass die Rechtsextremen seit 2018 nicht einfach verschwunden sind. Sie sind immer noch da und beeinflussen das Leben vieler Einwohner. Und sie sind keine Fans der Kulturhauptstadt. Im vergangenen Jahr stellte eine Handvoll vermummter Aktivisten der Identitären Bewegung drei Fässer vor das Büro der Kulturhauptstadt gGmbH, aus denen grüner Rauch kam, auf einem Plakat stand: 'Achtung, Kulturhauptstadt fördert linksextremen Sondermüll.' Die Aktion dauerte keine Minute, erzeugte aber auffällige Bilder. Die rechtsextreme Kleinstpartei Freie Sachsen  forderte im Stadtrat, aus dem ganzen Projekt Kulturhauptstadt auszusteigen. Für das Eröffnungswochenende im Januar hat sie bereits eine Demo angemeldet. Der Grund für die Auszeichnung ist also zugleich die größte Gefahr für das Unterfangen Kulturhauptstadt."

Kunstmarkt

Die "Badischen Neueste Nachrichten" haben Kristian Jarmuschek, den Co-Leiter der Kunstmesse Art Karlsruhe und des Bundesverbandes der Galerien, gefragt, wie sich die Mehrwertsteuer-Senkung auf Kunst von 19 auf 7 Prozent, die zum 1. Januar kommt, auf dem Kunstmarkt auswirken wird: Sie könne den Verhandlungsspielraum der Galerien vergrößern, "was sich potenziell positiv auf die Preise für Käufer auswirken könnte. Allerdings plädiert er dafür, dass Käufer dies nicht als Gelegenheit sehen sollten, die Preise weiter zu drücken, da viele Galerien wirtschaftlich angespannt sind. Stattdessen soll die Maßnahme langfristig die Stabilität des Marktes fördern und den Kunsthandel attraktiver machen."

Nachruf

Der Sohn von Frank Auerbach erinnert im "Observer" an seinen kürzlich verstorbenen Vater: an die Liebe des in Deutschland geborenen Malers zu Filmen, Kreuzworträtseln und einem guten Kneipenquiz. Das einzige Kind des Künstlers möchte damit auch mit den gängigen Mythen aufräumen, unter anderem die Annahme, dass der spätere Künstler mit dem Kindertransport nach Deutschland gekommen ist: "Das tat er nicht. Seine Patenschaft wurde durch einen privaten Akt der Großzügigkeit der Schriftstellerin Iris Origo ermöglicht und hatte nichts mit dem Kindertransport zu tun. Im Juni 2016 prüfte ich die Möglichkeit, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten. Als sich abzeichnete, dass ich damit Erfolg haben könnte, fragte ich Frank, was er davon hält und was er fühlt. Nach etwa 10 Sekunden des Nachdenkens sagte er: 'Ich glaube nicht, dass ich etwas fühle, aber ich denke, es ist eine sehr gute Idee ... es ist gut, Optionen zu haben.' Nachdem ich die Staatsbürgerschaft meines Vaters wiedererlangt hatte, hielt ich es für eine gute Idee, etwas Deutsch zu lernen. Von da an begannen unsere täglichen Telefongespräche mit ein paar Minuten deutscher Konversation, was ihn sehr amüsierte. Nach einer Weile wurde mir klar, dass sein Deutsch das eines siebenjährigen Kindes war, das zu diesem Zeitpunkt im Jahr 1939 eingefroren war. Er kannte märchenhafte Wörter wie 'Riese', aber nicht solche aus der Welt der Erwachsenen."