Medienschau

"Lebensmittelspekulation der unappetitlichsten Art"

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Die "FAZ" über Cattelans Banane bei Sotheby's, die Mode kehrt zu alten Geschlechterrollen zurück, und der Gewinner des ADKV-Art-Cologne-Preises für Kunstkritik steht fest: Das ist unsere Presseschau vom Dienstag

Museen

"Die Geschichte kompliziert halten" – das hat sich Andrea Wieloch, Leiterin des Museum für Utopie und Alltag in Eisenhüttenstadt, zur Aufgabe gemacht. So zeigt und verwahrt ihr Haus nicht nur 17000 Objekte der Alltagskultur und Kunst aus der DDR, sondern geht mit Sonderausstellungen auch immer wieder auf die politischen und gesellschaftlichen Kontexte ein, wie Renate Meinhof in der "SZ" beschreibt. Aktuell gelinge das ganz wunderbar mit einer Ausstellung über Kunststoffmöbel aus den 1960er- und 1970er-Jahren, die eine "bislang kaum erzählte Geschichte der beiden Deutschlands ausbreitet", so Meinhof. "Die Entwicklung von Möbeln aus Kunststoff lief in beiden deutschen Staaten parallel, aber der Westen war weiter, was Herstellung und Verarbeitung von Polyurethan betraf. Was tat der Ost? Er tat, als gäbe es die Mauer nicht und nahm Kontakt zu westlichen Firmen auf, die Polyurethan verarbeiteten." Während beispielsweise Entwürfe wie der "Känguruh-Stuhl" als eine der Ikonen ostdeutschen Designs gelte, stamme der Entwurf vom westdeutschen Industriedesigner Ernst Moeckl. Während "fließende Formen im Weltraumdesign ins Pop-Zeitalter" passten, passte Möbel aus "Plaste" in der DDR zudem zur Ideologie, zum Glauben an die Segnungen der Chemieindustrie zum Wohle aller. "Der Sozialismus griff im Wettlauf der Systeme nach dem All. Raketen zum Mond. Wohlstand und Arbeit für alle."

Kunstmarkt

Vor fünf Jahren klebte der italienische Künstler Maurizio Cattelan auf der Kunstmesse Art Basel in Miami Beach eine Banane mit Panzerband an eine Kojenwand seiner Galerie, bot gas Ganze unter dem Namen "Comedian" und für einen Preis von 125.000 Dollar feil und sorgte für einen handfesten Skandal. Jetzt kommt "Comedian" beim Auktionshaus Sotheby's zur Auktion zum Schätzpreis von einer bis 1,5 Millionen Dollar. In der "FAZ" kommentiert Ursula Scheer: "Das ist eine Verzehnfachung des Preises innerhalb von fünf Jahren und total Banane, selbst wenn hier keine alte Matschfrucht veräußert wird, sondern Frischware, die nach dem Konzept des Konzeptkunstwerks ausgetauscht werden darf. Allein als Lebensmittelspekulation der unappetitlichsten Art von finanziell Übersättigten ist der Coup nur unzureichend qualifiziert. Tatsächlich tischt die Banane gnadenlos auf, wie ideelle Werte und damit eng verknüpfte monetäre Werte auf dem Kunstmarkt ermittelt werden."

Kunstberichterstattung

Der in Berlin lebende Autor Martin Conrads erhält den ADKV-Art-Cologne-Preis für Kunstkritik 2024. "In einer Zeit, in der Kunstkritik immer mehr auf Schlagworte, Themen der aktuellen Debattenkultur, kommerzielle Affirmationen oder Serviceleistungen reduziert wird, verfolgt Martin Conrads eine breit gefächerte, fast mäandernde Praxis", heißt es in der Begründung. "Die Texte von Martin Conrads sind nie deskriptiv oder anekdotisch. Sie nehmen nie den schnellsten Weg, sondern führen oft ins Dickicht, auf ebenso erhellende wie unterhaltsame Abwege, ohne dabei unnötig abzuschweifen. Ihm gelingen dringliche, kritische Exkurse, die nicht nur Werke, kuratorische Ansätze, politische oder popkulturelle Kontexte reflektieren, sondern auch die Sprache, in der Kunst vermittelt und verhandelt wird - auch die eigene Sprache des Kritikers. Die jury bestand in diesem Jahr aus Carina Bukuts (Kuratorin Portikus Frankfurt a.M.), Maria Linares (Vorstandssprecherin Deutscher Künstlerbund), Oliver Koerner von Gustorf (Kunstkritiker, Monopol-Kolumnist und Preisträger 2023), Moritz Scheper (Direktor Neuer Essener Kunstverein) und Dr. Christoph Schneider (Herausgeber "artline"-Kunstmagazin). Martin Conrads schreibt unter anderem für die "taz" und den "Freitag".

Mode

"Was für Kerle wollen wir?", fragt die "FAZ" und sieht in der Mode eine Rückkehr zu alten Geschlechterrollen. Angesichts aktueller Krisen und Kriege feiere der Typ Einzelgänger und Cowboy eine Renaissance auf den Laufstegen – so habe Louis-Vuitton-Designer Pharrell Williams "vor der Kulisse eines KI-generierten Canyons im Sonnenuntergang ein kleines Heer solcher Typen über den Laufsteg" geschickt. "Sie trugen Varianten der ikonischen Work-Wear-Uniform aus Cowboyhut, Jeanshemd und -hose und Westernstiefeln sowie groben Ledergürteln mit kunstvoll beschlagener Metallschließe", so "FAZ"-Redakteurin Alex Bohn. "Zeitgleich spielten Raf Simons und Miuccia Prada für Prada aber mit dem Archetyp des Bürohengsts und führten nicht nur den Herrenanzug erneut ein, sondern beharrten auch auf der Krawatte als i-Punkt heteronormativer Männlichkeit. Der amerikanische Modedesigner Rick Owens schließlich machte den Dreiklang perfekt mit Kriegern, die den Power Rangern ähneln, dank exaltierter Schultern, die nicht nur in die Breite, sondern auch über den Kopf hinaus schwellen." Dem neuen Hang zu Härte und Dominanz entgegen stehen jedoch zahlreiche Microtrends. "Das Internet beispielsweise, dessen Schwarmintelligenz pausenlos Trends gebiert, lobte zu Beginn des Jahres, zeitgleich mit den Schauen in Paris, das Prädikat 'babygirl' aus. Gebräuchlich sowohl als Substantiv und Adjektiv, bezeichnet es Männer, die männlich aussehen – einigermaßen groß, einigermaßen trainiert, einigermaßen ideal-symmetrisch proportioniert – und sich zugleich weiblich geben – offen, zugewandt, anscheinend imstande, lässig über eigene Gefühle und die anderer zu sprechen. Die also attraktiv und liebenswert zugleich sind." Der moderne Mann, resümiert Bohn, habe zumindest die Wahl. 

Social Media

Milliardäre sind heute die wahren Influencer, meint Simon Ingold in der "NZZ" und beschreibt, wie das schamlose Zurschaustellen von Reichtum die Gesellschaft verändert. "Die wahren Influencer sind nicht 'social media creators', Pop-Sternchen und Hollywoodstars, sondern Milliardäre wie Jeff Bezos, die Ambanis, Trumps und Arnaults. Nicht weil sie die meisten Follower auf Tiktok haben oder besonders gut aussehen. Sondern weil sie mit ihren Firmenimperien, Organisationen und Brands die Sehnsüchte von Milliarden von Menschen bedienen und – noch viel wichtiger – diese prägen. Die Plutokratie kennt keine Landesgrenzen und transzendiert ideologische Strömungen von links bis rechts. Jeder versteht die Sprache des Geldes, und Geld versteht alle Sprachen – von Luanda über Shenzhen bis nach Caracas", so Ingold. "Aber was bedeutet es, wenn sich die politische Agenda an den Prioritäten von Plutokraten orientiert? Wenn erst einmal der Verdacht entstanden ist, rechtsstaatliche Regeln könnten nicht für alle gelten, verliert ein politisches System seine Legitimation. Darin liegt die grosse Gefahr plutokratischer Tendenzen."