Medienschau

"Die Debatte braucht dringend ein Update"

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Hito Steyerl über Auswege aus der Lagerbildung in der Kunst, Stephan Berg über "Cancel Culture" und Henrike Naumann über das Ende ihrer Möbelinstallationen: Das ist unsere Presseschau am Montag

Debatte

Die "FAZ" dokumentiert einen langen Beitrag von Hito Steyerl zur der von Meron Mendel und Nicole Deitelhoff organisierten Veranstaltungsreihe "A Mentsh is a Mentsh" in der Bundeskunsthalle Bonn. Die Künstlerin geht der Frage nach, wie es nach den Verwerfungen und Lagerbildungen im Kunstbetrieb weitergehen kann: "Die Debatte braucht dringend ein Update zur real existierenden multipolaren Gegenwart und damit auch eine ehrliche Auseinandersetzung darüber, was Kunst darin momentan vermag oder auch nicht. Verbote und sonstige administrative Maßnahmen sorgen nicht für offene Debatten, sondern tragen eher dazu bei, Kunst als solche zu verdrängen. Weltoffenheit gern: besonders aber für diejenigen, die sich gegen reaktionäre Fundamentalisten weltweit einsetzen und wesentlich mehr Unterstützung brauchen. Infrastrukturelle Verbesserungen sind außerdem unabdingbar, um überhaupt die Grundbedingung für rationale Debatten – eine zivilgesellschaftliche digitale Öffentlichkeit – herzustellen."

Stephan Berg, Intendant des Kunst­museums Bonn, verurteilt in einem Gastbeitrag in der "FAZ" den Kulturkampf, der unter den Stichworten "Cancel Culture", "kulturelle Aneignung" und "Identitätspolitik" verhandelt wird. Das damit verbundene Grundanliegen sei wichtig und relevant, schreibt Berg. "Problematisch wird es allerdings da, wo der imaginäre Raum der Kunst mit dem realen gleichgesetzt wird." Und weiter: "Ja, es ist bisweilen schwierig, Meinungen auszuhalten, die dem eigenen aufgeklärten Denken zuwiderlaufen oder nicht mehr dem heutigen Stand entsprechen. Aber das Ausradieren, das Löschen von Inhalten, die zu Recht oder zu Unrecht als nicht mehr tragbar, passend oder vermittelbar erscheinen, war noch nie ein guter Weg. In diesem Sinne sollten wir zu einer Debattenkultur zurückkehren, die hart und engagiert, aber immer mit dem Respekt vor der Meinung des anderen um den richtigen Weg ringt. Dabei sollte sie die Fähigkeit der Kunst, widersprüchlich, unvorhersehbar und mehrdeutig zu agieren, nicht als Defizit, sondern als eine Qualität begreifen, die für unsere gesellschaftliche Zukunft eminent wichtig ist."

Die Künstlerin Henrike Naumann spricht im RBB über ihr Werk. Die Arbeit mit den Möbeln aus den 1990er-Jahren, für die sie bekannt ist, komme langsam zum Ende, "weil sie gar keinen Spaß mehr macht auf Ebay-Kleinanzeigen, weil die sind so begehrt. Die sind jetzt wirklich die neuen Bauhausklassiker. Plötzlich sind die teuer. Plötzlich muss man sich beeilen." Außerdem Gegenstand in diesem fast einstündigen Gespräch: der Ukrainekrieg, Rechtsextremismus, Musik, Aufwachsen in Ostdeutschland, ihr Weg von Bühnenbild zur Kunst, die Rolle der Kunst in Konflikten, ihre Position auf dem Kunstmarkt – und die Schwierigkeit der Lagerung all der Möbel.

Oliver Meiler hält in der "SZ" fest, dass die Klimaaktivistinnen, die am Wochenende Lebensmittel auf das Panzerglas der Mona Lisa im Louvre geworfen haben, eine Verbindung zu den Bauernprotesten hat: "Kurz nach dem Intermezzo meldete sich die Vereinigung mit einem Communiqué. Darin hieß es, man starte eine Kampagne, Ziel sei es, dass die Lebensmittelsicherheit in Zukunft fest zu den Garantien des Sozialstaates gehörten." Die Suppenwerferinnen verknüpfen so ihren Proteste mit dem der Bauern. "Und diese Verbindung ziehen sie auf durchaus polemische Art: Sie werfen den Landwirten und der Lebensmittelindustrie vor, sie würden ihre wirtschaftlichen Anliegen jenen der Umwelt voranstellen. Wie in anderen Ländern Europas auch, richtet sich der Protest der Bauern in Frankreich wesentlich gegen höhere Dieselpreise und gegen den Green Deal der EU, der ihnen, wie sie finden, viel zu viele Opfer abverlangt."

Alexander Cammann bespricht in der "Zeit" das Buch "Abschied von den Boomern", in dem Heinz Bude, Leiter des Documenta-Instituts in Kassel, auf die leicht in Verruf geratene Generation der um 1964 herum Geborenen schaut. Auch, wenn der Soziologe offenbar aus sehr westdeutschen Perspektive auf die Alterskohorte schaut, geht es auch um die Gemeinsamkeiten der Alterskohorte: "Dabei konnte seiner Diagnose nach das eher ironische Boomer-Bewusstsein West nicht wirklich mit dem eher tragischen Boomer-Bewusstsein Ost harmonieren; für die Westler vor 1989 blieb der Osten stets eine seltsame Gesellschaft "ohne Pizza und Psychoanalyse" – eine Sicht, die ja bis heute nachwirkt. Aber die Boomer Ost und die Boomer West eint trotz allem die prägende Kriegserfahrung ihrer Eltern. Wobei die Boomer Ost momentan die zentrale Trägerschicht der AfD bilden: Dazu hätte man vom Soziologen Bude gerne noch etwas gehört."

KI

Nach dem Auftauchen gefälschter pornografischer Fotos von Taylor Swift in sozialen Medien hat der Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) die Suche mit dem Namen des US-Popstars  vorübergehend eingeschränkt. "Unsere Teams sind dabei, alle identifizierten Bilder zu entfernen und entsprechende Maßnahmen gegen die Konten zu ergreifen, die für die Veröffentlichung dieser Bilder verantwortlich sind", teilte X am Freitag in einem Post mit. Auch am Montag hieß es bei der Suche nach "Taylor Swift" auf der Plattform: "Etwas ist schiefgelaufen. Probiere, es erneut zu laden." Es handele sich um eine vorübergehende Maßnahme, sagte X-Bereichsleiter Joe Benarroch US-Medien, ohne weitere Details zu nennen. Mit anderen Wortkombinationen ergab die Suche aber weiterhin Ergebnisse. Die laut Experten mit Künstlicher Intelligenz gefälschten Bilder, die vermeintlich Swift in pornografischen Posen zeigen, waren vergangene Woche in sozialen Medien - vor allem auf X - aufgetaucht und massenweise angeklickt worden. Fans der 34 Jahre alten Musikerin konterten, indem sie den Kurznachrichtendienst mit echten Fotos der Künstlerin fluteten. Auch das Weiße Haus zeigte sich wegen der Deepfake-Bilder bestürzt. "Wir sind alarmiert angesichts der Berichte", sagte Sprecherin Karine Jean-Pierre am Freitag. Die Unternehmen müssten die Verbreitung solcher Fotos verhindern. "Traurigerweise wissen wir, dass eine laxe Durchsetzung der Regeln unverhältnismäßig oft Frauen und auch Mädchen trifft", ergänzte sie. Auch sollte der US-Kongress in puncto Gesetzgebung Maßnahmen ergreifen. Swift selbst war am Sonntag beim Sieg der Kansas City Chiefs ihres Freundes Travis Kelce gegen die Baltimore Ravens in der National Football League zu sehen. Kelce, der mit seinem Team nun erneut den Super Bowl erreichte, drückte Swift nach der Partie einen Kuss auf die Lippen, wie auch bei X auf Fotos zu sehen war.