Medienschau

"Kein Renaissanceforscher der Gegenwart war wohl so gehasst"

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Versöhnlichere Töne im Streit um den Parthenon-Fries, Obamas Filme des Jahres und Nachrufe auf den Michelangelo-Spezialisten Alexander Perrig: Das ist unsere Presseschau am Donnerstag

Kunstgeschichte

Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp schreibt in der "FAZ" einen Nachruf auf seinen Kollegen, den Michelangelo-Spezialisten Alexander Perrig. "Eine Schwäche Perrigs war die Kon­sequenz seiner Stärke, keiner Meinung zu trauen, die durch institutionelle Absicherung, durch Glauben oder durch das Bedürfnis nach Einflussgewinn entstanden war. In seiner zutiefst skeptischen Haltung blieb er auch sich selbst gegenüber ein fragendes Subjekt. Ihm bot die kritische Methode Sicherheit, aber sie beinhaltete, dass es absolute Gewissheit niemals gibt." In der "SZ" schreibt Kia Vahland zum Tod Perrigs: "Kein Renaissanceforscher der Gegenwart war wohl so gehasst und gefürchtet wie der Schweizer, der in einer Frankfurter Altbauwohnung ohne Fernseher zwischen Büchern lebte. Zu viele Museumsleute, Auktionäre, Wissenschaftler hatten sich profiliert mit Zuschreibungen, insbesondere von Zeichnungen an Michelangelo. Denn hat man erst einmal ein Konvolut falsch anerkannt, so zieht das alle weiteren Blätter des jeweils anderen Künstlers nach sich; weshalb der zeichnerische Nachlass Michelangelos im 20. und 21. Jahrhundert wild wachsen konnte, zu Spitzenpreisen natürlich - und das, obwohl der Meister die meisten Skizzen einst verbrannt hatte."

Vorschau 2024

"Der Tagesspiegel" schaut auf die Ausstellungshighlights in den deutschen Museen 2024. Auch das "Handelsblatt" blickt voraus auf das Programm der Ausstellungshäuser. 

Restitution

Im Streit um den Parthenon-Fries von der Akropolis zwischen Großbritannien und Griechenland sind wieder versöhnlichere Töne zu hören. Die griechische Kulturministerin Lina Mendoni sagte jetzt dem "Guardian", dass Griechenland bereit sei, Wechselausstellungen mit wichtigen Antiquitäten zu organisieren, die die Lücke füllen würden, wenn das Vereinigte Königreich die umstrittenen Skulpturen aus dem British Museum nach Athen zurückschickt. 

Fotografie

Im "Spiegel" spricht Bob Gruen über John Lennon, dessen persönlicher Fotograf er war, als "eine Narbe, die nie verheilt". Auch über Yoko Ono geht es im Interview mit Alex Gernandt. Den Vorwurf, dass die Künstlerin und Lennon-Frau für die Trennung der Beatles verantwortlich sei, hält Gruen für ungerecht: "Die Beatles waren doch große, selbstbewusste Jungs. Die hätten sich von niemandem zu so einer Entscheidung drängen lassen. Yoko trifft keine Schuld, polarisiert aber. Sie ist eine provokante Avantgardistin, viele verstehen ihre Art von Kunst wohl nicht." Für den späten Abend am 8. Dezember 1980 war Bob Gruen mit John und Yoko verabredet, um mit dem Paar Bilder für die Freigabe zu zeigen. "Dazu kam es nicht mehr. Ich bekam einen Anruf, John Lennon sei eben erschossen worden [...] Ich krümmte mich vor Schmerz auf dem Fußboden. Als ich mich einigermaßen gefangen hatte, fing ich an, die besten Bilder von John herauszusuchen – weil ich es als meine Pflicht empfand, dass er ihn in den Trauerberichten gut aussah. Die 'New York Times' hatte eines meiner Fotos auf dem Cover, die 'New York Post' druckte das Bild mit dem 'New York City'-Shirt. Die nächsten sieben Tage konnte ich nicht schlafen. Es war eine schreckliche Woche, der Schmerz war enorm und ist es noch immer." An dieser Stelle sei noch einmal auf das großartige Mixtape hingewiesen, mit dem der Musiker Nicolas Jaar 2013 an den Tod von John Lennon erinnerte:


Film

Der frühere US-Präsident Barack Obama (62) hat eine Liste seiner Lieblingsfilme dieses Jahres veröffentlicht. Beim Katastrophen-Thriller "Leave the World Behind", der Filmbiografie "Rustin" und der Musikdoku "American Symphony" sei er voreingenommen, weil er jeweils mit seiner eigenen Produktionsfirma Higher Ground mitgewirkt habe, schreibt Obama auf Instagram. "Aber diese sind tatsächlich drei der besten Filme, die ich dieses Jahr gesehen habe." Neben seinen eigenen Projekten listet der Ex-Präsident außerdem unter anderem das Historien-Drama "Oppenheimer", das Sport-Drama "Air" und den Justiz-Thriller "Anatomie eines Falls" mit der deutschen Schauspielerin Sandra Hüller als neue Lieblingsfilme auf. In seinem Post verweist er außerdem auf den Streik der Hollywood-Schauspieler und Drehbuchautoren, welcher zu "wichtigen Veränderungen geführt" habe. Barack Obama, der gemeinsam mit seiner Frau Michelle seit 2018 mit dem Streamingdienst Netflix zusammenarbeitet, hatte vor einigen Tagen bereits seine diesjährige Leseliste bekannt gegeben und angekündigt, dass er "wie immer zu dieser Jahreszeit" neben seinen Lieblingsbüchern und -filmen auch noch seine Lieblingsmusik des Jahres 2023 vorstellen wolle. Über "Anatomie eines Falls" schreibt Kunsthistoriker Michael Diers übrigens heute auch ausführlich bei Monopol

Skandal!

Mach einem Skandal um eine Nacktparty sind in Moskau die auch international bekannten Musikstars Filip Kirkorow und Dima Bilan unter Druck geraten. Unter anderem müssen die prominenten Sänger laut Medienberichten vom Donnerstag mit Konsequenzen rechnen, nachdem Fotos und Videos der in einem Club organisierten schlüpfrigen Sause veröffentlicht worden sind. Seit Tagen berichten Staatsmedien über die "dekadente" Party reicher Showstars, die in Zeiten, da russische Soldaten im Krieg gegen die Ukraine ihr Leben gäben, halbnackt tanzten, prassten und Spaß hätten. Kirkorow, dem "König der russischen Popszene", droht laut Medien die Aberkennung des Titels "Volkskünstler" durch das Kulturministerium. Der 56-Jährige habe sich mit seinen Anwälten getroffen, berichtete die Boulevardzeitung "Moskowski Komsomolez". Seine Sprecherin beklagt, dass seine Internetseite blockiert sei. Die Party selbst fand bereits am 20. Dezember auf Einladung der Bloggerin Nastja Iwlejewa unter dem Motto "Almost naked" in einem Moskauer Club statt. Als anschließend von den halbnackten Gästen des russischen Showgeschäfts Bilder im Netz auftauchten, regte sich zunächst Protest bei den ultrakonservativen Kreisen. So tauchten Videos von vermummten angeblichen Frontkämpfern auf, die die Feier in Kriegszeiten als anstößig verurteilten und Ermittlungen forderten. Wegen der zunehmenden öffentlichen Empörung schalteten sich schließlich auch die russischen Behörden ein. So hat die Medienaufsichtsbehörde wegen des Verdachts auf "LGBT-Propaganda" eine Untersuchung eingeleitet. Russische Behörden haben die LGBT-Bewegung als extremistisch eingestuft und verfolgen Aktivisten der Szene strafrechtlich. LGBT steht für Lesben, Gays (Schwule), Bi- und Transsexuelle. Ein Rapper wurde zu 15 Tagen Arrest verurteilt, weil Fotos und Video ihn nackt nur mit einer Socke um den Penis zeigten. Die Beteiligten der Party haben sich inzwischen öffentlich für ihren halbnackten Auftritt entschuldigt - teils in Videos. Doch damit ist es offenbar nicht getan. Der Club wurde geschlossen. Mehrere Schlagerstars wie die Sängerin Lolita Miljawskaja beklagen ein Quasi-Auftrittsverbot. Ihren Angaben zufolge sind seither mehrere Veranstaltungen abgesagt worden - unter anderem ihre Beteiligung am traditionellen Neujahrskonzert russischer Showgrößen.