Medienschau

"Verschwendet Kai Wegner einen Gedanken an die Kultur?"

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Ärger über Berlins Bürgermeister und Kultursenator, der italienische Maler Salvo und ein Schlüsselroman zur Berliner Kunstszene: Das ist unsere Presseschau am Donnerstag

Berliner Kulturpolitik

Rüdiger Schaper kritisiert im "Tagesspiegel" den Regierenden Bürgermeister von Berlin, der zu den Kultur-Sparplänen des Senats schweige: "Verschwendet Kai Wegner einen Gedanken an die Kultur, an das kulturelle Vermögen, das zur Identität Berlins gehört? Kennt er die Bedeutung der Kultur für die Tourismusbranche? Die Kürzungen werden die Berliner Kulturlandschaft zerstören, schreibt der 'Guardian'." Kai Wegner mache bisher keine Anstalten, den kleinsten Etat in seinem Senat zu schützen. "Zum Thema Kultur sagt er nur, es könnten dort unter Umständen Kredite aufgenommen werden: reiner Zynismus."

Christine Lemke-Matwey knöpft sich in der "Zeit" Kultursenator Joe Chilao vor, den sie auch besucht und gesprochen hat: "Man mag es grundfalsch finden, die Kultur (nicht nur) in Berlin auf mittlere Sicht mit mehr Eigenverantwortung auszustatten, sie erfolgsorientierter und, ja, 'relevanter' agieren zu lassen. Chialo nennt das 'auf die Selbstheilungskräfte der Kultur vertrauen'. Das wäre eine legitime Position, die sauber begründet, durchargumentiert und verteidigt werden müsste. Das tut Chialo nicht, weil er es nicht will oder nicht kann, oder weil er Auseinandersetzungen scheut. Aus gut informierten, ihm grundsätzlich gewogenen Kreisen heißt es, er sei ein gescheiterter Quereinsteiger, dem die politische Erfahrung und das nötige Handwerkszeug fehlten, um im Machtpoker der verschiedenen Gewerke auch nur ansatzweise mitzumischen. Andere, ihm weniger Gewogene sagen, er sei überfordert und unbelehrbar und habe mit den Inhalten seines Ressorts nichts am Hut. Für die Kultur in dieser Situation ist beides fatal."

Boris Pofalla singt in der "Welt" dem Berliner Schinkel Pavillon ein Loblied, der im nächsten Jahr laut Sparplänen des Senats bis zu 50 Prozent städtische Förderung einbüßen könnte: "Kaum ein anderer Kunstort in Berlin wird international derart wahrgenommen, kaum einer ist so einflussreich. Dabei kommt der Pavillon mit einem Minimum an Unterstützung aus und hat nur drei Angestellte. Das Programm hat museales Niveau." Der Autor fordert dabei nicht nur, die Förderung weiter laufen zu lassen: "Nach Jahren des warmen Subventionsdauerregens muss die Stadt endlich Ideen dafür entwickeln, wie man Kunst- und Kulturorte resilienter und unabhängiger von einer einzigen staatlichen Geldquelle macht – und wie man das bürgerliche Engagement für die Künste stärkt. Andere Bundesländer sind da weiter. Über dreihundert Kunstvereine mit 120.000 Mitgliedern existieren in Deutschland, ein weltweit einmaliges Phänomen. Aus Eigeninitiative geborene und in der Stadtgesellschaft verankerte Orte wegen ein paar hunderttausend Euro unwiederbringlich zu zerstören, wäre daher ein fatales Signal, nicht nur für Berlin."

Das Berliner Förderprogramm Künstlerische Forschung steht mit einer geplanten 56-prozentigen Kürzung des Budgets vor dem Aus, berichtet Nicola Kuhn im "Tagesspiegel": "Nicht nur das Forschungsprogramm steht auf dem Spiel, sondern auch der gute Ruf Berlins als Stadt experimenteller Kunst. Unter Kultursenator Klaus Lederer war es ambitioniert aufgesetzt worden, ein Vorzeigeprojekt, einmalig in der Bundesrepublik und von vielen Seiten bewundert. Dahinter steckt die Idee, dass Kunst Wissen produziert, ein Wechselspiel zwischen Forschung und bildnerischem Schaffen besteht, wie sich am Programm vom Haus der Kulturen der Welt und auf Biennalen ablesen lässt. Künstler sind anders in der Lage, Wissen zu visualisieren und damit den gesellschaftlichen Wandel zu reflektieren."

Porträt

Adriano Sack erzählt in der "Welt" das Leben des 2015 verstorbenen italienischen Malers Salvo, der von sich sagte: "Ich will nicht heute berühmt sein, sondern in 500 Jahren". Nun sieht es aber so aus, als würde er doch früher bekannt, als es ihm recht war. "Der Markt für seine Arbeiten ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Gab es noch 2020 bei einer Ausstellung in der Berliner Galerie Mehdi Chouakri kleine Leinwände ab 15.000 Euro, kostet ein entsprechendes Bild heute eher um die 100.000." Jetzt ist in Turin, wo der Sizilianer lebte, eine Retrospektive zu sehen. "Zwischen dem Konzeptkünstler Salvo und dem Maler gebe es eine große Kontinuität, erklärt die Direktorin der Pinacoteca Agnelli, Sarah Cosulich, bei der Eröffnung. Tatsächlich ist seine Malerei so symbolisch, so weit entfernt vom Abbilden-wollen-der-Realität, dass man sie wohl als Konzeptkunst verstehen kann. Gleichzeitig ist es die völlig ungenierte Sinnlichkeit seiner Kunst (trotz aller historischen, literarischen, ästhetischen Bezüge), die Salvo so unwiderstehlich macht."

Buch

Hili Perlson bespricht in der "taz" das Buch "Opferkunst" des "taz"-Autoren Jonathan Guggenberger, einen Schlüsselroman zur Berliner Kunstszene, "der auf 256 Seiten nonchalant mit zeitgenössischen und historischen Referenzen aus Politik und Kultur um sich wirft. Oder, wie es die Künst­le­r*in­nen und Aktivist*innen, die sich in Guggenbergers Roman tummeln, formulieren würden: 'IYKYK' – if you know, you know, wenn du Bescheid weißt, weißt du Bescheid. Die Handlung ist in der unmittelbaren Gegenwart angesiedelt, also dem moralischen Dilemma – um nicht zu sagen der Psychose –, die das gesamte Feld der Kultur heute in ihrem Würgegriff hält."