Debatte
Der Historiker Michael Wolffsohn regt sich in der "NZZ" darüber auf, dass Nan Goldin "sich für ihre Brandrede gegen Israel am vergangenen Samstag in Berlin von propalästinensischen Sympathisanten feiern" ließ: "Wer, wie jüngst die Verantwortlichen der Neuen Nationalgalerie Berlin, Alibi-Juden wie Nan Goldin einlädt, weiss natürlich, was sie sagen und dass deshalb bestenfalls Unruhe, meist jedoch Aufruhr folgt. Aber, nein, man gibt sich vollkommen überrascht und in der guten, aufklärerischen Absicht missverstanden. Die für den vorhersehbaren Eklat in Berlin Verantwortlichen beherrschten die Schau noch besser als die meisten ihrer Kollegen. Sie empörten sich über Nan Goldin und ihre Hamas-Hizbullah-Iran-Sympathisanten und verteidigten das Existenzrecht Israels. Sie präsentierten sich als beifallheischende Schein-Helden und -Vorbilder von Zivilcourage. Eine Heuchelorgie. Gekonnt. Wir dürfen gespannt sein, wer diese Meister der Scheinheiligkeit wann und wo übertreffen wird." Nationalgalerie-Direktor Biesenbach sagte am Montag der "New York Times", dass er nicht bereue, die Ausstellung gemacht zu haben: "Ich hoffe nur, dass diese weithin sichtbare Ausstellung einer sehr prominenten und freimütigen Künstlerin ein Katalysator sein wird, der im Idealfall Herausforderungen in Gelegenheiten zum Gespräch und zur Empathie verwandelt. Ich hoffe, dass sie Türen offen hält und das Vertrauen in die dauerhafte Kraft der Kunst stärkt." Und die 3sat-"Kulturzeit" fasst die Ereignisse noch einmal in ihrer der Sendung so eigenen Süffisanz zusammen.
Kulturpolitik
Nicola Kuhn und Birgit Rieger haben sich für den "Tagesspiegel" bei kleinere Berliner Ausstellungshäusern umgehört, die im nächsten Jahr bis zu 50 Prozent weniger Förderung erhalten könnten. "Mit über 200 Ausstellungen, stetig steigenden Besucherzahlen und einem diversen Publikum ist der Schinkel Pavillon ein Kleinod der Hauptstadt mit internationaler Reichweite", sagt etwa Nina Pohl. "Mit der anvisierten Sparmaßnahme steht der Schinkel Pavillon vor dem Aus." Für Monopol hat Bernhard Schulz mit den Betreibern des ZK/U gesprochen. Berlins Kultursenator Joe Chialo erklärt sich im Interview mit Deutschlandfunk Kultur, gibt aber insgesamt keine gute Figur ab, findet Kunstkritiker Ingo Arend im selben Programm. Chialos Behauptung, er habe höhere Kürzungen von 70 Millionen Euro verhindert, sei unglaubwürdig.
Porträt
SWR Kultur stellt den koreanischen Künstler Sung Hwan Kim vor, der im ZKM Karlsruhe seine erste große Einzelausstellung in Deutschland zeigt. "Sung Hwan Kim interessiert sich dafür, wie Geschichten weitergegeben werden, innerhalb von Familien, unter Freunden, aber auch in Form von Geschichtsschreibung. Da ein Teil seiner eigenen Familie auf Hawaii lebt, hat er sich intensiv mit der Geschichte dieses Inselstaates auseinandergesetzt und mit den Menschen, die Anfang des 20. Jahrhunderts aus seiner Heimat Korea nach Hawaii kamen. 'Sie kamen als Arbeiter auf die Zuckerrohrplantagen. Die USA hatten Hawaii annektiert und brauchten dort billige Arbeitskräfte. Von 1910 bis 1945 wurde Korea dann von den Japanern besetzt. Die Arbeiter konnten also auch nicht zurück', erklärt der Künstler. 'Danach wurde es geteilt – das Land, das sie gekannt hatten, existierte also nicht mehr. Ich wollte herausfinden, was das für ihre Identität bedeutet. Diese Geschichten erzählt sonst kaum jemand.'"
KI
Andrian Kreye berichtet in der "SZ" von der Berliner Internationalen Urheberrechtskonferenz, in der es auch darum geht, wie digitale Technologien in der Kultur Geschäftsmodelle zerstören. "Wie komplex eine künstliche Intelligenz auf eigentlich urheberrechtlich geschützte Werke zurückgreift, zeigten bei der Konferenz mehrere der Sprecherinnen mit Diagrammen, die illustrierten, wie aus Worten oder Tönen Zahlen, sogenannte Token, und dann wieder Worte oder Töne werden. Es ist nicht einfach, da nachzuweisen, welche Arbeiten benutzt wurden, um einer KI beizubringen, aus Milliarden Einzelteilen wieder ein neues Werk zu generieren. Oder sollte man Produkt sagen? Wie soll sich die Kultur überhaupt dazu verhalten, dass KI ihre Werke zu Inhalten und die dann zu Daten reduziert?" Sein Fazit der Konferenz ist durchwachsen: Eigentlich brauche es einen rechtlichen Rahmen aus Kompensierung und Lizenzmodellen, doch "wer Kunst nicht zu Daten reduzieren will, der muss sie bewahren, nicht lizenzieren."
Film
Regisseurin Nora Fingscheidt will sich nach dem Deutschlandstart ihres Kinofilms "The Outrun" eine Auszeit nehmen. "Arbeit ist anscheinend eine Art von Sucht für mich, und ich kann nur schwer davon loslassen. Aber die letzten Jahre waren so intensiv, dass ich wirklich eine Pause brauche", sagte Fingscheidt im Hamburg-Teil der "Zeit". Für "längere Zeit" soll nun ihre Familie die oberste Priorität haben, und die Arbeit an zweiter Stelle stehen, sagte die in Berlin lebende Regisseurin. Ihr Film "The Outrun" mit Saoirse Ronan in der Hauptrolle läuft ab dem 5. Dezember in den deutschen Kinos. Der Film basiert auf den Memoiren von Amy Liptrot, die auf den schottischen Orkney-Inseln geboren wurde und offen über ihre Alkoholabhängigkeit schrieb. Fingscheidt gelang mit ihrem Debütfilm "Systemsprenger" 2019 der internationale Durchbruch. Das Drama über ein neunjähriges Mädchen, das durch alle Einrichtungen der Jugendhilfe fällt, wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Der Film wurde größtenteils in Hamburg gedreht. Direkt nach Erscheinen zog Fingscheidt von Hamburg nach Los Angeles, um dort den Thriller "The Unforgivable" mit Sandra Bullock zu drehen. In den USA aber habe sie sich isoliert und einsam gefühlt. "Es war eine tolle Zeit in den USA, die aber auch ihre Tücken und ihre Einsamkeiten hatte." Kurz nach ihrem Umzug begann die Corona-Pandemie. "Ich hatte Heimweh nach Europa und meinen Freunden", sagte sie.