Medienschau

"Daniel Richter müsste auch einen Podcast machen, so gerne wie der sich reden hört"

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Jan Böhmermann und Olli Schulz denken über Kunst nach, Eike Schmidt will nicht von der Politik lassen und Fußballer Modrić stellt Mattheuers traurige Ausgezeichnete nach: Das ist unsere Presseschau am Mittwoch

Museen

Nach der Absage einer Ausstellung am Dresdner Albertinum nach Meinungsverschiedenheiten zwischen der Kuratorin Zoé Samudzi und den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sieht Marcus Woeller in der "Welt" die Verantwortung für ein seiner Meinung nach verbreitetes "Kommunikations-Chaos im Kulturbetrieb" bei den Museen, "gerade wenn sie die offenen Orte sein wollen, an denen 'freier Meinungsaustausch möglich und ausdrücklich willkommen ist'. Es wird immer dringender, dass die Kulturverantwortlichen tatsächlich jene (sogar von Samudzi) eingeforderte 'epistemische Autorität' beweisen. Das heißt, sie sollten es nicht nur besser wissen als die von ihnen engagierten Künstler, Kuratoren, Experten, sie müssten vor allem besser einschätzen, was man von ihnen erwarten kann." Nicola Kuhn zieht im "Tagespiegel" eine Parallele zu einem für sie ebenfalls unbefriedigenden Umgang mit Meinungsverschiedenheiten in Hamburg: "Erst kürzlich schlidderten die Hamburger Deichtorhallen mit einem streitbaren Künstlerbeitrag in ihrer Ausstellung 'Survival in the 21st Century' nur knapp an einem Skandal vorbei. Nun führen sie exemplarisch vor, wie es gehen kann – wenn auch nicht sehr befriedigend. Dort wird das kritische Statement des indigenen Künstlerkollektivs 'New Red Order', wonach eine direkte Linie von der Vernichtung der amerikanischen Ureinwohner zum Holocaust und weiter zum 'Genozid' in Gaza führen würde, durch eine daneben platzierte Erwiderung der Kuratoren ergänzt, die sich davon ausdrücklich distanzieren. Ob es in Dresden ähnlich ausgesehen hätte?"

Der ehemalige Uffizien-Direktor Eike Schmidt hat die Stichwahl für das Bürgermeisteramt von Florenz verloren. Doch er will weitermachen mit der Politik, berichtet Karen Krüger in der "FAZ". "Italiens Kulturminister Gennaro Sangiuliano, gebürtiger Neapolitaner, wird ihm sicherlich keine Steine in den Weg legen. Er soll Schmidt ermutigt haben, in die Politik zu gehen und betraute ihn dennoch mit der Leitung des Capodimonte. Bisher lief es unter der Regierung Meloni immer so, dass Posten im Kulturbetrieb mit Gefolgsleuten besetzt wurden. Unter Umständen erlebt Italien gerade mit Schmidt den umgekehrten Fall. Auch von der Möglichkeit, Sangiuliano könne Schmidt die Leitung einer der vier neuen Maxi-Kulturabteilungen anbieten, die das Kulturministerium zu schaffen gedenkt, ist nun die Rede. Schmidts Weg in Italiens Politik ist noch nicht an seinem Ende angelangt."

Kunsttheorie

Steigt Jan Böhmermann – wie sein Antagonist Dieter Nuhr – bald ins Kunstgame ein? Nachdem der Satiriker am Wochenende Gast bei der Veranstaltung "Mely Kiyak hat Kunst" im Berliner Maxim Gorki Theater zu Gast war, muss er sich von Podcast-Partner Olli Schulz in der heutigen Ausgabe von "Fest & Flauschig" fragen lassen, was er überhaupt mit Kunst am Hut hat: "Kommt da bald sowas Jonathan-Meese-mäßiges von dir auch, dass du dir eine Galerie holst und dann einen Vogel auf die Schulter und dich filmen lässt, als ein intimes Porträt von dir als Künstler?" "Das möchte ich nicht ausschließen", antwortet Böhmermann, "möchte es aber auch nicht offen ankündigen." Es sei immer alles möglich: "Mein erster Schritt in die Kunst hinein: zu behaupten, dass immer alles möglich ist." Es entspinnt sich ein Gespräch über den Begriff der Kunst mit dem Ergebnis, dass Podcasts, Musik und Satire auch Kunst sein können, solange man getrieben ist: "Wir machen leider beide Kunst, Olli." Die Diskussion nutzt Schulz zu einem Seitenhieb auf den Maler Daniel Richter: "Der müsste auch einen Podcast machen, so gerne, wie der sich reden hört." Das ist tatsächlich eine fantastische Idee! Wir würden das hören.

Fotografie

Margit J. Mayer, Herausgeberin beim Berlin Verlag, hat für ihre "Berliner Zeitung" das Helmut-Newton-Model Jenny Capitain getroffen und mit ihr eine Tour durch die Schau "Berlin, Berlin" gemacht, mit der die Helmut Newton Stiftung ihr 20. Jubiläum feiert. Er habe sich immer Frauen ausgesucht, die genau wussten, womit sie es zu tun haben, sagt Capitain. "Man musste sich schon konzentrieren. Weil er die Hand oder das Bein auf eine ganz bestimmte Art haben wollte. Es ging um eine bestimmte Spannung im Körper, um eine bestimmte Energie." Er habe vor einem Termin dreimal am Tag angerufen: Hast du an das gedacht, hast du an jenes gedacht? 'Wahrscheinlich bekam er durch diese telefonischen Kontakte ein immer konkreteres Gefühl dafür, was er eigentlich wollte. 'Er hatte immer ein kleines Buch in der Tasche für seine Notizen. So entstand das eigentliche Konzept.'"

Ausstellung

"ArtReview" bespricht einen Monat nach ihrem Ende die Ausstellung des Musikers Nick Cave in der Galerie Xavier Hufkens in Brüssel. Die Motivation zur neuen Kunstgattung sieht Kritiker J.J. Charlesworth in der jüngsten Hinwendung des Künstlers zur Religion motiviert: "Etwas von dieser Wette mit dem Glauben (seinem und unserem) zeigt sich in Caves überraschendem Ausflug in die Keramikkunst, der offenbar an einem verschlossenen Morgen aus dem Drang heraus entstand, eine Skulptur des Teufels zu schaffen. Auf einem langen, breiten Sockel in der Galerie im obersten Stockwerk von Xavier Hufkens wird uns eine Reihe von 17 glasierten und bemalten Keramikfiguren und -szenen präsentiert, die die Geburt, das Leben und den letztendlichen Tod des Satans selbst erzählen. Caves Teufel ist weniger ein gefallener Engel im Sinne Miltons als vielmehr eine Art Jedermann, der sich vergnügt und verliebt, aber dennoch zu seinem Schicksal als Kriegsbringer und Zerstörer verdammt ist." Charlesworth sieht darin die Arbeit "eines bescheidenen Amateurs", der die Zuwendung des Kunstbetriebs nicht braucht. Der Sänger wiederhole "ohne viel Aufhebens das hartnäckige Festhalten an einem moralischen Universum der alten Welt, an der fehlerhaften Menschheit, an Eitelkeit, Sehnsucht, Sünde, Verzweiflung und möglicher Erlösung. Solche Überzeugungen mögen unter den katastrophischen Orthodoxien, die einen Großteil der zeitgenössischen Kunst beherrschen, ein Anachronismus sein. Aber Cave scheint daran festzuhalten, auch wenn die volkstümlichen Porzellanornamente eine der unerwartetsten Möglichkeiten sind, sich gegen die Stacheln zu wehren."

Das besondere Kunstwerk

Vor kurzem versuchten sich mehrere Feuilletonisten an einer Bildanalyse von Justin Timberlakes Polizeifoto mit glasigen Augen. Nun hat ein anderes Porträt eines Superstars es der Presse angetan: Das offizielle "Man of the Match"-Foto der Uefa nach dem Fußball-EM-Vorrundenspiel Kroatien - Italien (Ergebnis 1:1). Darauf zu sehen ist der kroatische Nationalspieler Luka Modrić, dem nach dem späten Ausgleich der Italiener und dem wahrscheinlichen Turnier-Aus seines Teams offensichtlich gar nicht zum Feiern zumute ist. Christoph Amend stilisiert den Fußballer in der "Zeit" zum Schmerzensmann: "Das Grausame am modernen Fußball sollte dann erst noch kommen. Die Uefa hatte ihn zum Man of the Match gekürt, man drückte ihm eine kleine Trophäe in die Hand, er schleppte sich zum offiziellen Fototermin. Auf dem Bild wird man in seinen ebenso roten wie leeren Augen für immer sehen, was der große, kleine Luka Modrić in den 98 Minuten dieses Unentschiedens, das zu einer Niederlage wurde, erlebt hat." Der "Spiegel" nimmt das Bild gleich zum Anlass, eine ganze Fotogalerie mit traurigen Ausgezeichneten zusammenzustellen. Eine Parade der leeren Augen, die fast etwas Konzeptuelles hat und immer wieder an Wolfgang Mattheuers "Die Ausgezeichnete" erinnert.