Debatte
Entsetzt über die Farb-Attacke auf das Grundstück des Berliner Kultursenators Joe Chialo zeigt sich Ulrike Knöfel im "Spiegel". Offenbar aus Protest gegen seine Haltung im Nahost-Krieg war das Privathaus des CDU-Politikers unter anderem mit dem Schriftzug "Genocide Joe Chialo" beschmiert worden. Daran, dass sich der Senator nicht mehr sicher fühlen kann, ist laut Knöfel auch der Kulturbetrieb mitschuldig: "In zwei Wochen jährt sich das Massaker vom 7. Oktober 2023 in Israel, das auch die Gesellschaft in diesem Land verwandelt hat. Der Kulturbetrieb, eben auch der deutsche, wurde seitdem zum seltsamen Echoraum dieses Konfliktes – in dem das israelische Leid kaum Widerhall fand und die antiisraelischen Stimmen noch lauter wurden. Auch in der hiesigen akademischen Welt ist ein latenter Antisemitismus bereits länger en vogue, galt auf coole Art links, im vergangenen Jahr aber wurde er in manchen Kreisen zum regelrechten Trend, zum Mainstream." Die Autorin hofft, dass die Attacke auf Chialo zu einem Umdenken führt: "Viel steht auf dem Spiel, auch die Unversehrtheit von Menschen. Spätestens da sollte der Spaß an Stimmungsmache und blutroten Aktionen endlich aufhören." Dass die Tat "durch nichts zu rechtfertigen" sei, meint auch Rüdiger Schaper im "Tagesspiegel" - und prophezeit harte Zeiten für Chialo, auch aus anderen Gründen: "Ein Kultursenator mit Polizeischutz. Das gab es in Berlin noch nicht. Der Kampf gegen Antisemitismus hat mit den Problemen des Kulturetats im Grunde nichts zu tun. Aber auch hier muss Chialo Nervenstärke zeigen. Seit Monaten wird darüber spekuliert, wie der Kultursenator die angekündigte Kürzung von womöglich zehn Prozent umsetzt; auch das ein Novum."
Joe Chialo selbst kommt in der "Süddeutschen Zeitung" zu Wort. Er wolle sich nicht wegducken, sagt er im Gespräch mit Peter Laudenbach, trotzdem zeigt er sich erschüttert: "Was jetzt geschehen ist, ist das klare Signal eines radikalisierten Milieus, einer kleinen Gruppierung, die versucht, ihre Meinung mit Gewalt durchzusetzen. Das Signal lautet: Wir wissen, wo du wohnst. Das ist eine neue Eskalationsstufe." Der Kultursenator äußert sich in dem Gespräch auch zum umstrittenen Förderstopp für das Neuköllner Kulturzentrum Oyoun, um den es nun einen Rechtsstreit gibt. Auf die Frage, was sich Oyoun aus Chialos Sicht zu Schulden kommen lassen hat, antwortet dieser: "Die rote Linie ist für mich überschritten, wenn man sich antidemokratischer Mittel zur Durchsetzung eigener Positionen bedient. Wenn Menschen bestimmter Gruppen, zum Beispiel Menschen jüdischer Herkunft, öffentlich diffamiert und eingeschüchtert werden, wenn sie gezielt ausgeschlossen und gecancelt werden. Nach unseren Erkenntnissen ist genau das im Oyoun-Zentrum geschehen."
Regisseur Francis Ford Coppola sieht die USA in der derzeitigen Staatsform vor ihrem Ende. "Heute ist Amerika Rom, und es steht kurz davor, die gleiche Erfahrung zu machen, aus den gleichen Gründen, wie Rom seine Republik verlor und mit einem Kaiser endete", zitierte das US-Magazin "The Hollywood Reporter" den 85-Jährigen am Montag in New York, wo sein neuer Film "Megalopolis" gezeigt wurde. In Deutschland hat der Film Kinostart am 26. September. Coppolas neuer Science-Fiction-Film nimmt starken Bezug zum Römischen Reich. Er zeigt eine Stadt, die an New York erinnert und "New Rome" heißt. Adam Driver spielt einen visionären Erfinder namens Cesar Catilina. Coppola lobt sich dafür selbst: "Es war sehr vorausschauend, einen Film über Amerika als Rom zu machen, weil es in ein paar Monaten passieren wird". Die römische Republik wurde 44. v. Chr. von Julius Caesar zu ihrem Ende geführt, als dieser sich zum Diktator auf Lebenszeit einsetzte. Kurz davor sei Rom "so wohlhabend" gewesen und die Senatoren hätten sich nur noch für eigene Interessen eingesetzt, erklärte Coppola dem Magazin. "Nun, dasselbe ist auch hier passiert. Unsere Senatoren und unsere Abgeordneten sind alle reich und spielen mit ihrer eigenen Macht, anstatt das Land zu leiten, und dann sind wir in Gefahr, es zu verlieren." Am 5. November wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Ex-Präsident Donald Trump tritt darin gegen die aktuelle Vize-Präsidentin Kamala Harris an.
Museen
Auf einer Ausstellungs-Eröffnung von Ai Weiwei in Bologna hat ein Mann eine Porzellanvase des Künstlers zerstört - offenbar mutwillig, wie die Polizei annimmt. Bei dem Verdächtigen soll es sich um einen 57-Jährigen aus Tschechien handeln, der sich ebenfalls als Künstler versteht und es schon öfter auf wertvolle Werke abgesehen haben soll. Wie Ai Weiwei gegenüber "Artnet" bestätigt, habe ihn der spätere Vandale bereits zwei Tage vor der Eröffnung angesprochen und aufgefordert, bei seiner Rede mehrere Seiten Notizen des Mannes vorzulesen - was Ai abgelehnt habe. Das Ereignis selbst bezeichnete der chinesische Künstler als "Chaos". Auch Ai Weiwei selbst hat bereits mehrfach mit der Zerstörung von Kunstwerken gearbeitet. Wie der Kurator der Ausstellung in Bologna, Arturo Galansino, gegenüber "Artnet" sagte, habe dies jedoch nichts mit dem Vorfall bei der Vernissage zu tun: "Die Zerstörung, die Ai Weiwei in seinen Werken darstellt, ist eine Warnung vor der Gewalt und Ungerechtigkeit, die von Machthabern ausgeübt wird. Sie hat nichts mit dieser rücksichtslosen und sinnlosen Tat zu tun, die von einem gewohnheitsmäßigen Unruhestifter begangen wurde, der Aufmerksamkeit sucht, indem er Künstler, Werke, Denkmäler und Institutionen beschädigt."
Ausstellung
Der britische Fotograf Martin Parr ohne grelle Farben - das geht, wie Katharina Cichosch in der "taz" feststellt. Im Fotografie Forum in Frankfurt am Main sind derzeit frühe Schwarz-Weiß-Serien des Künstlers zu sehen, der sonst eher durch knallige Ästhetik auffällt. Die Frage, die damit einhergeht, beantwortete der Urheber dann am liebsten gleich selbst: "Bevor die Journalistenrunde bei der Präsentation der Schau ihre Fragen stellen dürfen, erklärt Parr, welche man sich gleich sparen könne: 'Ob ich jemals wieder schwarz-weiß fotografiere – werde ich nicht!' Und dann kichert er dieses Kichern, bei dem man sich vorstellen kann, genauso müsste der Fotograf klingen, wenn eines seiner grundlegend zugewandten, gern skurrilen, oft hinreißenden Motive gefunden ist."
Das besondere Baby-Nilpferd
Wie konnte der Social-Media-Hype um das thailändische Nilpferd-Baby Moo Deng in wenigen Tagen von herzerwärmend zu gruselig umschlagen? Darüber macht sich Isa Farfan bei "Hyperallergic" Gedanken. In Rekordzeit durchlief das ahnungslose, rosig glänzende Mini-Hippo schließlich eine atemberaubende Karriere von Knuddel-Memes über Kunst-Referenzen und Moo-Deng-Make-up-Tutorials bis hin zu Rezepten, wie man das Tierchen zubereiten könnte. Inzwischen ist sogar sein Zoo nach Drohungen um seine reale Sicherheit besorgt. "Jetzt hat Moo Deng die verschiedenen Stadien des Internet-Ruhms durchlaufen", schreibt Isa Farfan. "Dieses Muster gilt auch für den Brat-Sommer, der mit grünen Memes begann, die in der queeren Fangemeinde von Charli XCX kursierten, und damit endete, dass die NATO 'Frieden* in Brat-Grün postete und die Kampagne von Kamala Harris das Farbschema als ihr eigenes übernahm. Moo Deng, einst ein eher unbedeutendes Nilpferd, ist bereits zum Gesicht von Pop-Tarts und Sephora Thailand geworden und taucht in einem Netzwerk von Influencer-Tutorials auf. Social Media Marketing scheint mehr denn je den Finger am kulturellen Puls zu haben und die Zeitachse zwischen cool und corporate zu beschleunigen."