Debatte
Nach der Rücknahme der umstrittenen Berliner Antidiskriminierungs-Klausel für Förderanträge wünscht sich der Pädagoge und Historiker Meron Mendel mehr Austausch über Antisemitismus in der Kunstszene. "Wir müssen uns also die Frage stellen, wie wir die Herzen und Köpfe derer gewinnen können, die Teil der Kulturwelt sind", sagt er im Gespräch mit Kathrin Sohns im "Tagesspiegel". Er beobachte, wie immer mehr Institutionen den Dialog suchten, vor und hinter den Kulissen: "Hinter all dem steckt immer die gleiche Frage: Wie kommen wir aus der Boykott- und Gegenboykott-Logik raus und starten eine konstruktivere Debatte. Ich meine damit Boykottbestrebungen in beide Richtungen, und ich meine sowohl den offenen Boykott als auch den stillen. Die Boykottmentalität ist ein ganz großes Problem."
Immersive Ausstellungen über Künstler wie Van Gogh, Frida Kahlo oder Dali sind mega-erfolgreich – und umstritten: "Geldmacherei" nennt sie Ralph Nauta, Mitbegründer von Studio Drift im "Guardian". Sie vermittelten dem Publikum keine Kontemplation und keinen Wert. Der Besucher geht hinaus und denkt: "Oh, ich bin 50 Dollar leichter, aber ich habe nichts erlebt, ich wurde nur vor einen Bildschirm gesetzt".
Wie das Tacheles seine Seele verlor, zeigt "Spiegel TV". Die auf Luxus-Immobilien spezialisierte Jagdfeld-Gruppe hatte die als Künstlerhaus besetzte Kaufhausruine 1998 gekauft, um dort ein modernes Stadtquartier zu bauen. Das Projekt geriet aber in Schieflage. Das Objekt stand deshalb lange unter Zwangsverwaltung der HSH Nordbank.Die Bank hatte als Zwangsverwalterin das Gelände für 35 Millionen Euro verkaufen wollen. In einem jahrelangen Rechtsstreit setzte sie 2012 die Zwangsräumung der zuletzt von 40 bis 60 Künstlern genutzten Ruine durch. Danach war der Zugang versperrt. 2014 verkaufte die Jagdfeld-Gruppe das Gelände für 150 Millionen Euro an einen international tätigen Finanzinvestor. Seither wurde hier ein Stadtquartier für geschätzte 600 Millionen Euro entwickelt, zur Berlin Art Week 2023 hat das schwedische Fotografiehaus Fotografiska einen Ableger eröffnet.
Kunstmarkt
Urkundenfälschung, Betrug, Veruntreuung und Diebstahl: Die Liste der Vorwürfe gegen Thomas Hug, den ehemaligen Chef der Kunstmesse Artgenève, ist lang. Eine Woche vor neuen Ausgabe der Messe für zeitgenössische Kunst Artgenève, die im Genfer Palexpo stattfindet, enthüllten die Schweizer Zeitungen "Le Courrier" und "Bilan", dass gegen Hug ein Verfahren laufe. Hug, für den die Unschuldsvermutung gilt, hatte vergangenen Sommer sein Amt niedergelegt, in Wirklichkeit sei er aber entlassen worden. "Als ich das Ausmaß der Veruntreuung entdeckte, konnte ich es nicht glauben", sagt der Vorsitzende der die Messe organisierenden Stiftung Pour Les Arts Visuels, Claude Memberz, gegenüber "Le Temps". "Ich hatte immer ein sehr gutes Verhältnis zu ihm. Ich war es, der ihn 2011 mit der Gründung von Artgenève beauftragt hat. Er hatte mein volles Vertrauen. Heute bin ich enttäuscht und verletzt, dass er uns belogen, verraten und betrogen hat." Hug wird vorgeworfen, dass er seit 2015 eine Million Schweizer Frangen von der Stiftung veruntreut habe. Hug soll Gelder für den Erwerb von Kunstwerken verwendet haben, wobei noch nicht klar ist, ob diese für ihn selbst oder für einen Dritten bestimmt waren. Gegenüber "Le Courrier" sagte der Anwalt von Hug: "Mein Mandant hat sich zwölf Jahre lang unermüdlich für das Wachstum von Artgenève eingesetzt. Er hat die Dinge auf seine eigene Art und Weise gehandhabt, teilweise sogar außerhalb des von seinem Arbeitgeber vorgegebenen Rahmens, und er hat sich dafür entschuldigt. Palexpo und die Stiftung Pour Les Arts Visuels haben jedoch keinen finanziellen Schaden erlitten und mein Mandant hat sich nicht bereichert."
Performance
Ein Mann, der 2010 nackt in der Marina-Abramović-Ausstellung "The Artist is Present" im Museum of Modern Art (MoMA) auftrat, verklagt nun die Institution, weil er während der Laufzeit der Blockbuster-Show mehrfach begrapscht wurde. Der Kläger schildert seine Vorwürfe in einer von "Artnet News" eingesehenen Klage, die am Montag bei einem New Yorker Gericht eingereicht wurde. Er behauptet, bei sieben verschiedenen Gelegenheiten angefasst worden zu sein, während er an einer Neuinszenierung von Abramovićs partizipatorischen Kunstwerk "Imponderabilia" (1977) teilnahm, das nackte Performer zeigt, die von Angesicht zu Angesicht in einer engen Türöffnung stehen, während vorbeigehende Besucher versuchen, sich hindurchzuzwängen. In der Neuauflage in der Londoner Royal Academy of Art im vergangenen Jahr gab es eine weitere Tür, die Besuchende als Alternativweg nutzen konnten, wenn sie nicht zwischen den Nackten hindurchgehen wollte. Die ist in der ursprünglichen Performance nicht vorgesehen. Was bleibt da von der Intensität der Perfomance, fragten wir damals in einem Kommentar.
Museen
Das Wiener Museum moderner Kunst (Mumok) sucht eine Nachfolge der Direktorin Karola Kraus, die das Haus 2025 nach 15 Jahren verlassen wird. Aktuell ist es wegen Sanierung geschlossen. Olga Kronsteiner Katharina Rustle ziehen im "Standard" Bilanz und schauen nach vorne: "Hört man sich in der Wiener Kunstszene um, würden sich viele ein deutlicheres Profil samt Wiedererkennungswert für dieses Museum wünschen. Und damit verbunden auch eine stärkere Präsenz der Sammlungsschwerpunkte im Programm. Vielleicht braucht es ja eine Neupositionierung, um das Potenzial nach außen erkennbarer und für Publikum zugänglicher zu machen?"
Ausstellung
"Warum ist sie nicht berühmter? Diese Frage beschäftigt mich, seit ich zum ersten Mal die Arbeiten von Emily Mason gesehen habe, einer der hinreißendsten abstrakten Malerinnen der Post-New York School und meine Kandidatin für die am meisten unterschätzte", schreibt Jackson Arn in einer Eloge im "New Yorker" anlässlich einer Ausstellung der 2019 verstorbenen Künstlerin in der New Yorker Galerie Miles McEnery. "Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Farbe für Mason eine Form des Geschichtenerzählens war: ein Pink wirkt wie eine Wendung in der Handlung, ein Orange wie ein unverblümtes Ende. Mir gefallen ihre Bilder am besten, wenn sie ein unwahrscheinliches Farbpaar aneinander reiben lässt und dann die Dinge mit einer dritten Farbe ausgleicht."
Film
"Barbie"-Schauspieler Ryan Gosling hat sich enttäuscht darüber gezeigt, dass Regisseurin Greta Gerwig und Schauspiel-Kollegin Margot Robbie nicht für einen Oscar nominiert worden sind. "Es gibt keinen Ken ohne Barbie, und es gibt keinen Barbie-Film ohne Greta Gerwig und Margot Robbie", wurde der 43-Jährige nach Bekanntgabe der Nominierungen von den Portalen "Variety" und "People" zitiert. "Zu sagen, dass ich enttäuscht bin, dass sie nicht in ihren jeweiligen Kategorien nominiert sind, wäre eine Untertreibung", erklärte Gosling demnach weiter. Er selbst ist für seine Rolle als Ken als bester Nebendarsteller nominiert. Am Dienstag wurden die Oscar-Nominierungen für die 96. Academy Awards verkündet. "Barbie" erhielt insgesamt acht Nominierungen. Gerwig erhielt allerdings keine Nominierung in der Kategorie "Beste Regie" und Robbie, die in dem Film die Puppe Barbie spielt, ist nicht unter den Nominierten in der Kategorie "Beste Schauspielerin". Dort ist unter anderem die deutsche Schauspielerin Sandra Hüller nominiert.
Das besondere Kunstwerk
Banksys Kunstwerk "Girl with Balloon", das von Pest Control, dem Studio des Künstlers, nach der berühmten Schredder-Aktion in "Love is in the Bin" umbenannt wurde, wurde in aller Stille erneut neu getauft und mit einem neuen Datum versehen, berichtet "The Art Newspaper". Im Katalog für die eie Ausstellung in Südkorea bemerkte ein Vertreter vom Auktionshaus Sotheby's den neuen Titel des Werks als "Girl Without Balloon".