Medienschau

"Die Wahrheit muss herausgeschluchzt werden"

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Wie Künstler ihre Urheberrechte vor der KI schützen können, V&A-Museum engagiert Swifties und die Malerin Isabella Ducrot im "New Yorker"-Porträt: Das ist unsere Presseschau am Dienstag

Debatte

In seinem Kunstprojekt "I lost my gems", das gerade in Köln zu sehen ist, beschäftigt sich der Künstler Manuel Sékou anhand des Einbruchs im Grünen Gewölbe mit Ost-West-Verhältnissen, Fremdzuschreibungen und Fragen der Identität. Gleichzeitig arbeitet er seine eigene Geschichte und die Beziehung zu seiner Heimatstadt Dresden auf, berichtet er im Interview mit Deutschlandfunk Kultur. Als er nach Karlsruhe zog, um dort Kunst zu studieren, sei Dresden gerade wegen Pegida in den Schlagzeilen gewesen, weshalb viele Leute "mit Verwunderung, Skepsis, teilweise auch erschrocken oder mit Angst reagiert" hätten, wenn er seine Herkunft erwähnte. "Ich habe mich gefühlt, als würde ich als eine Art Flüchtling kommen, nach dieser alten Erzählung: 'Ich komme aus dem Osten, flüchte in den Westen, um in Sicherheit zu sein'. Und ich bin einfach nur umgezogen."

Porträt

"The New Yorker" porträtiert die italienische Malerin Isabella Ducrot, die mit 93 Jahren erst richtig durchstartet.  Autorin Rebecca Mead macht in ihrem Artikel klar, dass die späte Berühmtheit die Künstlerin zwar erfreut, aber in gewisser Weise auch bedeutungslos ist. 2026 soll es eine große Retrospektive im Madre in ihrer Heimatstadt Neapel geben: "'Das ist zu weit weg', sagte sie mir. Ihre Worte erinnerten mich an den letzten Absatz in 'Women's Life', einem schmalen Memoirenband, den sie 2021 veröffentlichte und den ich gerade auf dem Flug nach Rom wieder gelesen hatte: In diesem Stadium des Lebens kann man nicht mehr lügen. Man kann nicht anders, als Dinge zu sagen, die wahr sind ... Wozu die Etikette des Schweigens, die Klugheit des Anstandes? Man muss heulen, wenn man Anstand, Konsistenz und Genauigkeit sucht. Die Wahrheit muss herausgeschluchzt werden. Sanft ist meine Zeit geflossen, die mir ohne Bosheit zuflüsterte: 'Es gibt kein Morgen, es gibt kein Morgen.'"

In der "FAZ" bescheinigt Patrick Bahners dem Künstler Franz Erhard Walther, der gestern 85 wurde, einen frappanten "Universalismus der schöpferischen Innenperspektive". Walthers Werkschau in der Bundeskunsthalle endet am Sonntag. Am Vorabend seines Geburtstags hat sich der Künstler im Vortragssaal des Bonner Museums mit Gregor Quack unterhalten. Da war zu erfahren, dass der heute 85-Jährige als Student zwar nichts mit der damals vorherrschenden informellen Malerei anfangen konnte, in dieser Stilrichtung jedoch einen Anstoß für seine Handlungsanweisungen fand: "Wenn das Bild keine Form hat, muss der Betrachter ihm die Form geben, also handeln", so Walther im Podiumsgespräch. Für Bahners birgt seine Kunst eine "urdemokratische Idee", deren Genese der "FAZ"-Redakteur so erklärt: "Als Walther in Fulda aufwuchs, hatte er wegen der ständigen Manöver das Gefühl, dass der Krieg nicht aufgehört hatte. Das Werkzeug der Welterschließung enthält Modelle friedlicher Interaktion unter Gleichen". Monopol hat Walther im vergangenen Jahr ein großes Porträt gewidmet.

Museen

Das Londoner Victoria and Albert Museum hat Superfans von Superstar Taylor Swift engagiert. Das V&A will so die Fankultur der "Swifties" besser verstehen. Auf einen Aufruf vom Jahresanfang seien 1.000 Bewerbungen eingegangen, meldet der "Telegraph". Vier Frauen wurden als Beraterinnen ausgesucht. Die US-Amerikanerin Taylor Swift (34) ist derzeit auch in Deutschland auf Tournee und zählt zu den erfolgreichsten Musikerinnen der Welt. "Dass wir mit über tausend Bewerbungen von "Swifties" aus ganz Großbritannien überschwemmt wurden, hat unglaublich demütig gemacht und ist ein Beweis für Taylor Swifts Einfluss auf die Popkultur", sagte eine Kuratorin des Museums. Ausgesucht wurden eine Journalistin, eine Literaturdozentin sowie zwei Frauen, von denen eine ihr halbes Leben Fan ist und die andere seit vielen Jahren über Swift bloggt. Das übersteige ihre kühnsten Träume, sagte eine von ihnen nach Angaben der Zeitung. "Ich wache noch immer begeistert morgens auf im Wissen, dass ich mit Leuten über Taylor Swift reden kann, die sich wirklich dafür interessieren." Das Museum im Stadtteil Kensington plant diesen Sommer eine Ausstellung, bei der die Superfans geholfen haben. Die Ausstellung mit mehreren Kostümen soll von Ende Juli bis Anfang September zu sehen sein. Das V&A gehört zu den bekanntesten Museen des Landes und hat auch schon Fans zu anderen Themen wie Pokémon befragt. "Als jemand, der vor Jahren seine Diplomarbeit über Fandom geschrieben hat, freue ich mich, dass das Thema ernst genommen und an einem so renommierten Ort wie dem V&A untersucht wird", so Literaturdozentin und Swiftie India Meade.

KI

Karl Marx hätte seine Freude an der Umwälzung der Produktionsverhältnisse gehabt, schätzt Udo Di Fabio in einem Gastbeitrag in der SZ" über die Auswirkungen von KI-Schöpfungen auf das Urheberrecht. Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich in seinem Essay etwa mit der Frage, wie sich Künstler davor schützen können, ausgenutzt zu werden: Die kreative Person "kann und muss demnach ein 'Opt-out' erklären. Tut sie das nicht, so könnte ihr zugängliches Werk als Teil einer 'digitalen Allmende' betrachtet werden, an der sich jeder bedienen darf". Und: "Mindestens ebenso interessant ist die Frage, ob und wenn ja wann ein maschinell generiertes Musikstück oder sonstiges Kunstwerk seinerseits Urheberrechtsschutz genießt", schreibt der Jurist, der in seinem Text auch das Kernproblem der digitalen Revolution nennt: "Wie können in der veränderten Welt diejenigen sozialen Regeln wirksam gehalten werden, die letztlich dem einzelnen Menschen seine Rolle als Subjekt garantieren?"

Venedig-Biennale

Für den "Tagesspiegel" berichtet Sandra Luzina von der Tanzbiennale in Venedig. Zum Auftakt im Teatro alle Tese wurde Cristina Capriolis "Deadlock" gezeigt, laut Luzina "ein Mix aus Installation und Performance" der Italienerin, die in diesem Jahr mit einem Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk geehrt wurde. Den Silbernen Löwen bekam Trajal Harrell, ein Star der internationalen Tanzszene, der unter anderem sein Solo "Sister or He Buried The Body" aufführte: "n seiner Emotionalität ist das Solo durchaus berührend, auch wenn Harrell groteske Gesten in dieses Requiem einflicht", schreibt die Kritikerin, die als einen Höhepunkt der Biennale Danza das Gastspiel des Cloud Gate Dance Theatre of Taiwan ausmacht. Für "Waves" kooperierte der Choreograf Cheng Tsung-lung mit dem Medienkünstler Daito Manabe, der KI ins Spiel brachte: "Die Tänzer werden hier mit ihren Avataren konfrontiert", so Luzina, "Deren Umrisse lösen sich in reine Energieströme auf – ein Schritt in Richtung Transhumanismus"“.