Medienschau

"Olaf Scholz rufe ich zu: Hab endlich Eier!"

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Pussy Riot wirbt für mehr Unterstützung der Ukraine, die "NZZ" geht mit Claudia Roth hart ins Gericht und das Fehlen des Irans bei der Venedig-Biennale: Das ist unsere Presseschau am Dienstag

Debatte

Gerade haben die Aktivistinnen von Pussy Riot bei einer Intervention in den Münchner Pinakotheken auf ein Porträt des russischen Präsidenten Putin gepinkelt. In der "FAZ" spricht das Mitglied Masha Ale­khina über ihre Motivation, immer weiter zu machen und ruft Deutschland zu mehr Militärhilfe für die Ukraine auf: "Ihr müsst mehr Waffen produzieren, die die Ukraine dringend braucht. Ich weiß noch, wie ihr zuerst Helme geschickt habt, um nicht zu provozieren, und dann Gewehre. Zwei Jahre später gabt ihr die F16-Kampfflugzeuge, aber das war eben zwei Jahre zu spät. Da waren viele Gebiete besetzt, dort herrscht nun der absolute Alptraum – in Mariupol und Donezk haben sich einige meiner Freunde entschlossen, in den besetzten Gebieten zu bleiben. Sie sind schockiert, wie es dort zugeht: Morde, Kidnapping, Folter – diese Dinge passieren jeden Tag. Es ist absolut verrückt zu glauben, man könnte den Krieg so einfrieren. Es ist Irrsinn zu glauben, man könne mit Putin verhandeln. Olaf Scholz rufe ich zu: Hab endlich Eier!"

Einen Angriff auf die deutsche Erinnerungskultur wittert die Schweizer "NZZ" in der Amtsführung der deutschen Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Die Antisemitismus-Vorfälle bei der Documenta oder der Berlinale seien kein Zufall, sondern eine Folge von Geschichtsvergessenheit. Auch ein neues Konzept zur Erinnerungskultur sieht Autorin Claudia Schwartz als Affront, da darin das Gedenken an den Holocaust zugunsten von postkolonialer Ausarbeitung in den Hintergrund gedrängt wurde. "Der jüngste Aufruhr in Roths von Eklats gesäumter Amtszeit betrifft ein Rahmenkonzept, das die Gedenkstätten zur Geschichte des Nationalsozialismus und der SED-Diktatur neu ordnen soll. Deren Leiter fühlen sich laut Medienberichten übergangen und kritisieren in einer gemeinsamen Stellungnahme einen 'geschichtspolitischen Paradigmenwechsel' und eine 'fundamentale Schwächung der Erinnerungskultur'. Wenngleich es bei den Gedenkstätten immer auch darum geht, Pfründen zu verteidigen, so stellt sich tatsächlich die Frage, ob sich hier jene 'Erinnerungsrevolution' (Wolffsohn) anbahnt, vor der mancher frühzeitig warnte."

Venedig-Biennale

In der "taz" ist Autor Jonathan Guggenberger irritiert von der Nicht-Präsenz Irans. Am Ort, wo der Pavillon sein sollte, finden sich nur kryptische Texte und Protestnotizen der Initiative "Woman Life Freedom". "Der Iran scheint in Venedig ein blinder Fleck zu sein. Während seit Tagen über den aus Protest geschlossenen Pavillon Israels berichtet wird, will von der dubiosen Präsenz und dann wieder Nicht-Präsenz des theokratischen Regimes auf der Kunstbiennale niemand Kenntnis nehmen. Die Aktivisten von ANGA rufen lautstark zur 'Intifada' gegen ihren Erzfeind Israel auf, zum Iran aber schwiegen sie. Schweigen will auch die Biennale-Leitung über den stillen Selbstboykott des Iran. Anfragen per Mail werden nicht beantwortet, Anrufe im Pressebüro kommen nicht durch, irgendwann kommt dann von der Pressesprecherin der Kunstabteilung, Maria Cristiana Costanzo, die irritierende Antwort: 'Wir haben keinen Kontakt zum Iran.' Der Iran sorgt für Aufregung: Im Gespräch weicht Costanzo Nachfragen aus und verweist nervös auf den 21. April um 11 Uhr – dann soll der iranische Pavillon offiziell eröffnet werden. Begibt man sich zur besagten Zeit an den von der Biennale beworbenen Ort, den Palazzo Malipiero, erwarten einen dort nur herumirrende Biennale-Gäste: Alle suchen nach dem Iran, keiner findet ihn."

Jörg Häntzschel begrüßt in der "SZ" den Goldenen Löwen für den australischen Pavillon - und hat auch eine These parat, was die Jury zu ihrer Entscheidung für den minimalistischen Beitrag bewogen hat: Die meisten anderen Länder setzten in ihren Pavillons auf extravagantere, unterhaltsamere, witzigere Präsentationen und begeisterten damit die Besucher. Nicht nur die USA, die ihr Gebäude schon von außen kostümierten wie für einen Karneval; sondern auch Spanien, das ein ironisches Kunstmuseum in seinem Pavillon installiert hat; oder Nigeria, das mit enormem Aufwand eine beeindruckende künstlerische Aufarbeitung seiner Nationalgeschichte unternommen hat. Am meisten hat sich Deutschland ins Zeug gelegt, das in seinem Pavillon ein zweites Gebäude einbaute und mit der Insel La Certosa erstmals einen zweiten Standort bespielte. Möglicherweise wollte die Jury mit ihrer Entscheidung für den kargsten Beitrag auch ein Zeichen gegen den Hang zu Spektakel und Theatralik auf der Biennale setzen."

Hörspiel

Das Theaterstück "Jeff Koons" dreht sich um Kunstproduktion, Kunstrezeption, Kunstkritik, Kunstmarkt, Kunsttheorie und Kunstrealität: "Bei 'Jeff Koons' ging es die meiste Zeit um die Konstruktion der abstrakten Welt, um die es da geht", sagte der Schriftsteller Rainald Goetz selbst einmal über sein 1998 entstandenes Werk, das 1999 im Schauspielhaus Hamburg von Stefan Bachmann uraufgeführt und im Jahr 2000 mit dem Dramatikerpreis der Mühlheimer Theatertage ausgezeichnet wurde. "Es geht also um den Schöpfer, die Kritik, den Markt, die Macht, das Geld, das Kunstwerk, das Sinnliche. Also um all die Fragen, die das Thema Kunst aufruft. Körperlichkeit, Inspiration, Scheitern, Zweifel." Kurz vor dem 70. Geburtstag von Rainald Goetz stellt der NDR noch einmal Oliver Sturms brillante Hörspielbearbeitung von 1999 online, in der unter anderem Katrin Angerer, Fritzi Haberlandt und, Astrid Meyerfeldt sprechen. Das Stück kann auch als Selbstporträt des Autors gelesen werden. Jeff Koons ist nur ein Jahr jünger als Goetz, bei beiden gibt es den Bezug zu Gegenständen aus der Populärkultur, die "Konzeptualität von Kunst und deren Entgrenzung ins Alltagsleben" und den vergeblichen Versuch einer Auflösung der Autorenschaft. "Natürlich. Es geht in dem Stück ja auch um die Spannung zwischen Bild-Kunst und Text; um Sehnsucht nach Übersetzung", sagte Goetz zu "Jeff Koons". "Um die Dinge des Schreibens, das an der dem Bild entgegengesetzten Wort-Kunst arbeitet; um Gesang." Das Hörspiel von Oliver Sturm eignet sich in besonderer Weise, diesen Gesang tatsächlich erklingen zu lassen.

Virtuelle Welten

Popstar Billie Eilish betritt die virtuelle Bühne im Videospiel Fortnite. Die 22-jährige US-Amerikanerin ist in der dritten Saison von Epic Games' "Fortnite Festival" dabei. In dem Spiel können Spielerinnen und Spieler auf der Bühne Songs von Pop-Größen performen und das Aussehen ihrer Spielfigur an den Look des Popstars anpassen.