Medienschau

"Für mich ist es schwer, die Feindseligkeit nicht zu verinnerlichen"

Monopol Medienschau

Künstlerin Ruth Patir über Israel-Boykott, Diedrich Diederichsen über Vaginal Davis und eine Petition gegen Deepfakes: Das ist unsere Presseschau am Freitag


Debatte

Der israelische Pavillon der Venedig-Biennale wurde im vergangenen Jahr von Ruth Patir bespielt, blieb aber wegen des Kriegs in Nahost auf Wunsch der Künstlerin geschlossen. Nun stellt sie im Tel Aviv Museum of Art aus und spricht mit Quynh Tran von der "FAZ" auch über den Boykott ihres Landes: "Der Konflikt und die Besatzung haben nicht erst am 7. Oktober begonnen; die BDS-Bewegung gibt es seit Jahren. Als Künstlerin wurde mein Verhältnis zu meiner Staatsbürgerschaft schon immer als problematisch angesehen, aber ich habe mir meine nationale Identität nicht ausgesucht. Ich glaube an politischen Aktivismus und verurteile Boykotte nicht grundsätzlich. Aber es enttäuscht mich, wie sie sich artikulieren und persönlich gegen Menschen richten. Die israelische Kunstszene ist überwiegend links. Wir sind sehr kritisch gegenüber unserer Regierung, vielleicht sogar kritischer als die Stimmen von außen. Statt sich mit uns zu solidarisieren, werden wir angefeindet. Deshalb fühlen sich israelische Kulturschaffende alleingelassen. Für mich ist es schwer, die Feindseligkeit nicht zu verinnerlichen."

Ulrike Knoefel dämpft im "Spiegel" die Erwartungen an die Documenta-Leiterin: "Ob wirklich alles gut wird, wenn 2027 die Documenta 16 eröffnet wird, hängt nur leider nicht allein von der neuen Kuratorin Beckwith ab. Die Ausstellungsreihe lebt – in Bezug auf Künstlerschaft und Publikum – von ihrer ausgeprägten Internationalität. Und damit diese sich auch in zwei Jahren entfalten kann, wäre eine gewisse geopolitische Stabilität notwendig. Wer aber weiß, wie es bis dahin um die Welt bestellt sein wird; auch Beckwith skizzierte die Sollbruchstellen der Gegenwart, die Traumata, die Bedrohungen. Auch wenn man am Dienstag erst einmal die Wiederauferstehung der Kunstschau feiert, die nun folgen soll, dürften sich einige vor Verwunderung immer noch die Augen reiben, dass Beckwith überhaupt bereit ist, eine Documenta zu leiten."

Museen

Dass das Feuilleton der "Berliner Zeitung" obsessed mit dem Berghain ist, hatten wir an dieser Stelle neulich schon festgehalten - und seither ist es nur noch schlimmer geworden. Jetzt hat es Redakteur Timo Feldhaus geschafft, auch den Nachlass von Hilma af Klint mit dem Berliner Club in Verbindung zu bringen. Zur Erinnerung: Erik af Klint, der Vorsitzende der Hilma-af-Klint-Stiftung, will, dass die Gemälde der Künstlerin nur noch von "spirituellen" Menschen in Weihetempeln angeschaut werden dürfen, statt von jedermann im Museum. "Der Schwede solle sich mal mit den Leuten vom Berghain treffen", schreibt Feldhaus. "Auch durchaus als Tempel bekannt, in dem Menschen sich zum Zweck ritueller Tänze treffen, um vermittelt durch Drogen zu neuen spirituellen Höchstformen zu gelangen. Und natürlich darf auch dort nicht jeder rein. Uns kommt es jedenfalls absolut natürlich vor, dass der Großteil der sich sicherlich als besonders Betrachtenden dort brüsk abgewiesen wird. Per Gesichtsbewertung. Sie passen den Türstehern des Tempels nicht, wirken nicht richtig. 'Heute nicht', heißt es dann. Wäre das auch für Museen in Zukunft ein gangbarer Weg? Man möchte ja – so die gemeinsame Argumentation von Berghain-Türsteher und Klint-Ahnen – für die richtige Stimmung im Inneren sorgen. Denn ohne richtige Stimmung, sprich, die falschen Leute, keine Chance auf die richtigen spirits."

Ausstellung

Diedrich Diederichsen porträtiert in der "taz" Vaginal Davis, die eine Ausstellung im Berliner Gropius Bau eröffnet (oder "G-Bau", wie DD das abkürzt). "Die Karriere von Vaginal Davis beginnt in den 1980er Jahren in Los Angeles, seit über 20 Jahren lebt sie in Berlin (obwohl sie um 2012 einmal titelte: "My Pussy’s Still In Los Angeles. I Only Live In Berlin"). Die Ausstellung in dieser Stadt kann man aber nicht als Retrospektive bezeichnen, die die zwei Hälften verbindet: Solche Massen an performativen Arbeiten, wie sie Vaginal zwischen kleinen Clubbühnen, Cabarets, Konzertsituationen, Fanzine-Redaktionen, Recording-Studios und Bruce-LaBruce-Filmen geliefert hat, kann kein Rückblick einfangen oder rekonstruieren. Hendrik Folkerts hat diese dennoch überquellende und sehr multimediale Show ursprünglich für das Moderna Museet in Stockholm kuratiert, nun reist sie über Berlin und irgendwann weiter nach New York." Timo Feldhaus stellt nach einer Begegnung für die "Berliner Zeitung" fest: "Künstler sind in der Regel sehr von sich selbst und ihrem Werk eingenommene Menschen, aber Vaginal Davis ist, so wirkt es, ganz fantastisch eingenommen von der Welt."

Architektur

Die brutalistischen "Vele"-Sozialbauten in Neapel sind ikonisch. Und unter anderem aus der Erfolgsserie "Gomorrha" bekannt. Nun sollen zwei der "Segel" abgerissen werden, weil dort zuletzt unhaltbare Zustände herrschten. Ein dritter Bau soll modernisiert werden. Im "Spiegel" erzählt Miriam Khan die Geschichte der einst ambitionierten Siedlung, deren Geschichte jedoch durch Korruption, Armut und den Einfluss der Mafia geprägt war. Ob es zukünftig in der Gegend besser weitergeht, sei noch offen. "Das 'Vele'-Gebäude, das nicht abgerissen wird, soll renoviert werden. 'Ich bin davon überzeugt, dass die Demokratie dadurch verteidigt wird, dass man allen Menschen die gleiche Würde zuspricht. Und das tun wir', so Bürgermeister Manfredi. Unklar ist, ob das Geld dieses Mal reicht für die ambitionierten Pläne. Und ob die Mafia mitspielt."

KI

In der "Zeit" und auf "Campact" fordern Kulturschaffende ein Verbot von Deepfakes. "Es rollt ein Tsunami aus Fälschungen auf uns zu, der es immer schwerer macht, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Dadurch gefährden Deepfakes und Bots unsere Demokratie, denn Demokratie braucht Vertrauen, und Vertrauen braucht Wahrhaftigkeit."