Medienschau

"Eine gewalttätige Darstellung indigener Körper"

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Sind Sebastião Salgados Indigenen-Porträts exotisierend? Markiert der Fall Blake Lively/Justin Baldoni das Ende von #MeToo? Können Farben unser Leben ändern? Das ist unsere Presseschau am Montag

Fotografie

Der brasilianische Fotograf Sebastião Salgado hat immer wieder die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes kritisiert, dessen indigene Einwohner porträtiert und mit seinem gemeinnützigen Instituto Terra und einem weiteren Aufforstungsprojekt Millionen Bäume gepflanzt. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den World Press Photo Award (1985), den Grand Prix National de la Photographie (1994) und den Prinz-von-Asturien-Preis (1998) und arbeitete mit Unicef, Amnesty International und Ärzte ohne Grenzen zusammen, für deren Kampagnen er Bilder zur Verfügung stellte. 2019 wurde er als erster Fotograf mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Mit seinen Arbeiten fordere er soziale Gerechtigkeit und Frieden und verleihe der weltweit geführten Debatte um Natur- und Klimaschutz Dringlichkeit, hieß es damals. Doch nun gibt es "Ärger im Paradies", wie der "Guardian" berichtet: Eine wachsende Zahl indigener Vertreter sei verärgert über die ihrer Meinung nach exotisierende Art und Weise, in der nicht-einheimische Fotografen ethnische Gruppen porträtieren. "Für mich ist es eine so gewalttätige Darstellung indigener Körper", sagt etwa João Paulo Barreto, ein Anthropologe aus der brasilianischen Volksgruppe der Yé'pá Mahsã (oder Tukano), über Salgados jüngstes Projekt "Amazônia". "Würden sich Europäer jemals dazu herablassen, die Körper ihrer Mütter, ihrer Kinder auf diese Weise zur Schau zu stellen?" Barretos Einwände richten sich gegen die Porträts von leichtbekleideten und nackten Menschen in lasziven Posen. Obwohl sie in einigen Waldgebieten authentisch seien, argumentiert er, dass solche Bilder die "Primitivisierung" indigener Völker fortsetzten. Diese Bedenken teilen auch andere Kritiker, darunter Künstler und Intellektuelle, die auf die fortbestehenden kolonialen Stereotype in der Darstellung von Indigenen hinweisen. Salgado selbst hatte 2021 beim Erscheinen des gleichnamigen Fotobandes zum "Amazônia"-Projekt geschrieben, es würdige die Rolle von Indigenen "als Hüter der Schönheit, der natürlichen Ressourcen und der Artenvielfalt des größten Regenwaldes der Welt, der immer wieder Angriffen der Außenwelt ausgesetzt sei." Die Ausstellung mit Bildern der Serie war zuerst in Rom zu sehen und ist nun nach weiteren Stationen in den Drassanes Reials de Barcelona angekommen.

Alltagsästhetik

Boris Pofalla denkt in der "Welt" über den "disruptiven Effekt von Hype-Farben" wie das Brat-Grün, das Barbie-Pink oder das Mocha Mousse nach. Die jeweilige Ausnahme "unterstreicht noch das allgemeine Grau-in-Grau der Gegenwart, das auch in Inneneinrichtung und Produktdesign zunehmend zum Mainstream wurde. Wäre die Welt so bunt wie in den 1980ern, wäre Barbie-Pink kein Ereignis. Damals gab es noch viele rote, blaue und grüne Pkw auf den Straßen. Heute sind Autos zu drei Vierteln monochrom, und unser Geschmack tendiert ins Naturfarbene, zum Uniformen, Blassen, Dunklen." Dennoch gebe es Hoffnung: "Die für ihre gewaltigen Sprühfarborgien bekannte Künstlerin Katharina Grosse hat diese besondere Eigenschaft von Kolorit einmal gut auf den Punkt gebracht: 'Farbe steht für die Möglichkeit der Transformation, sich immer wieder neu und ohne großen Aufwand zu wandeln.' Eine solche Wandlung kann in jede Richtung gehen – meist ganz allmählich wie in einem Farbverlauf. Egal, wie umbradüster, mondscheingrau oder zitronengelb dieses Jahrzehnt noch werden wird, es sind nicht die Farben, die für die Zukunft verantwortlich sein werden. Sondern wir."

Film

Der Film "Nur noch ein einziges Mal" hatte mittelmäßige Kritiken und mittelmäßigen Erfolg - aber nun ein dramatisches Nachspiel. US-Medien sehen den Fall symptomatisch für den Kollaps von #MeToo. Hauptdarstellerin Blake Lively und Co-Star Justin Baldoni überziehen sich gegenseitig mit Klagen. Zunächst zeigte Lively im Dezember Baldoni wegen sexueller Belästigung an und warf ihm sowie dem Produzenten Jamey Heath in einer Klage vor, ihren Ruf zerstören zu wollen. Nun verklagt Baldoni Lively - sowie deren Ehemann Ryan Reynolds und die gemeinsame Presseagentin wegen Verleumdung auf eine millionenschwere Entschädigungssumme, wie unter anderem die "New York Times" berichtet. Sie hätten Medien manipuliert sowie Produktion und Vermarktung des Films an sich gerissen. "Dies ist eine uralte Geschichte", konterten Livelys Anwälte. "Eine Frau meldet sich mit konkreten Beweisen für sexuelle Belästigung und Vergeltungsmaßnahmen zu Wort, und der Täter versucht, den Spieß gegen das Opfer umzudrehen." Baldoni hatte Ende Dezember bereits die "New York Times" wegen Verleumdung verklagt - aufgrund eines Artikels, in dem ihm vorgeworfen wurde, mit Hilfe professioneller Krisenmanager eine Schmutzkampagne gegen Lively angezettelt zu haben, nachdem sie ihm sexuelle Belästigung unterstellte. Geschrieben wurde der Artikel unter anderem von Megan Twohey - die gemeinsam mit Kollegen die sexuellen Übergriffe Harvey Weinsteins aufdeckte und dafür 2018 den Pulitzer Preis bekam. Das hatte die globale MeToo-Bewegung ins Rollen gebracht, bei der vor allem Frauen auf sexuelle Übergriffe durch Männer aufmerksam machten. Was genau im Fall Lively/Baldoni geschah und wer Recht bekommt, müssen nun Anwälte und möglicherweise auch Gerichte ausmachen. Aber der Fall illustriere vor allem etwas anderes, schreibt das Magazin "New Yorker : den "Kollaps der Ära #MeToo in Hollywood". Die Anschuldigungen von Lively würden nicht ernst genommen, sondern sie werde mit einer Gegenkampagne überzogen - die in der öffentlichen Wahrnehmung Erfolg habe. "Wir sind nicht mehr in der Ära #MeToo. Der Standard, 'Frauen zu glauben', wurde nie wirklich Standard."

Social Media

"Ich könnte dauernd nur Gemälde posten", schreibt der Schriftsteller Rainald Goetz, der nun seit einigen Wochen mit 70 Jahren auch auf Instagram Bilder und Texte teilt und in seinem jüngsten Post darüber nachdenkt, was die Plattform interessanter machen könnte: "nicht das Leben abfeiern, sondern die Ideen, die Bilder. Nach der Devise: ein Bild, ein Wort. Man kann ja nur FLASHS erfassen, auch im Wort; schon eine Kette von vier ähnlichen Adjektiven ist Streß, zu viel Differenz, unschön; und eine Interferenz von zwei Aspekten zu einem Gedanken — das Textprinzip kurzer, assoziativ gebauter Texte — ist zu wirr für hier, macht keine Freude beim Anschauen der Worte, stört, ist meistens falsch. Instagram läuft ganz über schwellenschwache Akzeptanz, spontane Affirmation im Hinguckmoment der Initialrezeption, dann bestenfalls Freude, und dann erst, manchmal, ein Gedanke dazu, manchmal auch zwei." Und es klingt schon fast wie das Ende seines Selbstversuches, wenn Goetz feststell: "Aber wie oft kann man dieses Gesetz aussetzen und ein Argument entwickeln? Vielleicht sogar Kritik äußern, Negativität? Haß: das ist X, weil wortgetrieben; Liebe: das ist Instagram, weil bildgetragen. But LOVE is not enough."

Die besondere Kunstsammlung

Die "NZZ" wirft einen Blick auf die Kunstsammlung der Vereinten Nationen in New York: "298 Kunstwerke, Einrichtungen und Artefakte, Geschenke von 137 Mitgliedstaaten sowie einigen Stiftungen und Privatpersonen, vermitteln im und rund um das Hauptquartier der Uno solche Botschaften. Sie widerspiegeln die Ziele der Vereinten Nationen, allen voran deren höchstes: international Frieden und Sicherheit zu wahren."