Jahresrückblick
"ArtNews" hat die "wichtigsten Kunstereignisse des Jahres 2024" zusammengestellt. Platz 2: Aufruhr in der deutschen Kulturszene: "Künstlerinnen und Künstler zogen aus Solidarität mit 'Strike Germany' in Deutschland ihre Werke aus den KW Institute for Contemporary Art, dem Neuen Berliner Kunstverein, dem Portikus und der Berlinale ab, neben vielen anderen prominenten Einrichtungen. Auch einige, die nicht an Strike Germany beteiligt sind, haben ihre Positionen kundgetan. Im November sagte Nan Goldin bei der Eröffnung ihrer Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie, dass die deutsche Prüfung von pro-palästinensischen Positionen die Bedeutung des Wortes Antisemitismus entstellt habe, und behauptete, dass die Nation kollektiv ignoriere, was sie als Völkermord bezeichnete. Der Beweis dafür, dass ihre Worte einen Nerv getroffen haben, kam nur wenige Minuten später, als der Direktor des Museums, Klaus Biesenbach, die Bühne betrat, um zu sagen, dass er ihr nicht zustimmt. Er wurde von pro-palästinensischen Demonstranten niedergeschrien", schreibt Alex Greenberger.
Kunstmarkt
Wie steht es um den internationalen Kunsthandel nach der US-Wahl? Dieser Frage geht Silvia Anna Barrilà in der "Welt" nach. "'Viele wohlhabende Amerikaner sehen die steuerlichen Themen jetzt klarer.' So kommentierte es der New Yorker Kunstberater Robert McKenzie. 'Die Vorschläge der Demokraten, Vermögenssteuern einzuführen, sind vom Tisch, sodass es bei den Auktionen in New York bereits lebhafte Aktivitäten im oberen Marktsegment gab.' Jetzt sei die Hoffnung, 'dass diese Kauflust sich auch auf die Werke lebender Künstler ausbreitet, die in diesem Jahr ziemlich gelitten haben.' Preise für zeitgenössische Kunst seien nämlich rasch gestiegen, hätten ihre Werte aber nicht immer halten können, wenn die Werke auf dem Sekundärmarkt angeboten wurden. Der Markt sei jedoch nicht zum Stillstand gekommen, wie einige Medien berichtet hätten, betonte McKenzie. 'Es gibt weiterhin Geld im Markt und auch eine Nachfrage nach qualitätsvoller Kunst.'"
Kunstgeschichte
In der "Zeit" erinnern sich zehn Zeitzeugen, die 1987 auf die Hamburger Moorweide waren, um sich Luna Luna anzuschauen, einen Rummelplatz, den bekannte Künstler gestaltet hatten, darunter David Hockney, Roy Lichtenstein, Keith Haring und Jean-Michel Basquiat. "Ich war sieben Jahre alt und ein Waldorfkind", sagt zum Beispiel die Galeristin Luise Nagel von der Produzentengalerie. "Meine Eltern waren nie mit mir im Heidepark gewesen, nie auf dem Dom, höchstens mal auf dem Jahrmarkt in Nienstedten, wo ich aufgewachsen bin. Dann hat mich meine Mutter zu Luna Luna mitgenommen. Wir gingen zielstrebig in eine Aufführung, ohne zu wissen, was uns erwartete. Es war das Pupskonzert. Wir saßen in der ersten Reihe, da waren Löcher im Vorhang, und plötzlich sah man diese nackten, behaarten Männerhintern. In meiner Erinnerung gab es auch fürchterliche Gerüche. Ich bin jetzt 45 Jahre alt und erinnere das noch sehr gut. Rein olfaktorisch."
Kulturerbe
Das Berghain wird 20 Jahre alt, im "Tagesspiegel" berichten Stammgäste, was sie an dem Berliner Club mögen. Mit dabei ist auch der Galerist André Schlechtriem: "Eine bevorzugte Tages- oder Nachtzeit habe ich nicht. Meist gehe ich auf den Sonntagnachmittag, um dann bis in den Abend zu bleiben. Unter sechs Stunden habe ich bisher noch nicht geschafft. Es gab sogar eine Zeit, da musste mir mein Bruder schreiben, um mich daran zu erinnern, dass ich den Absprung schaffe. Die Entscheidung, dass unsere Galerie am Montag geschlossen hat, hängt vielleicht auch mit dem Berghain zusammen."
Netzkultur
"Herr Goetz, wann kommst du endlich zu Facebook?", fragte eine Studentin vor zwölf Jahren bei der Antrittsvorlesung von Rainald Goetz an der Freien Universität. Damals antwortet der Schriftsteller kategorisch: "Da gehe ich nicht hin! Die mache ich nicht reich! Ich hasse es!" Jetzt ist Goetz aber doch bei einem anderen Meta-Produkt gelandet: Seit einiger Zeit postet der 70-Jährige jeden Tag ein Foto auf Instagram. Gerrit Bartels fasst im "Tagesspiegel" zusammen: "All das erinnert sehr an Goetz’ frühes Internet-Tagebuch 'Abfall für alle', aus dem später der 'Roman eines Jahres' wurde, an die vielen Ordnungssysteme seines Werkes und überhaupt an den Umgang von Goetz mit Fotos. Diese waren für ihn schon immer ein wichtiger erzählerischer Zugang zur Welt und zu sich selbst, mit oder ohne Text, man denke nur an den vierten 'Schlucht'-Band 'Elfter September 2010. Bilder eines Jahrzehnts'. Instagram erscheint da urplötzlich wie das Idealmedium für Goetz. Warum erst jetzt?"
Stil
Dirk Peitz wundert sich in der "Zeit" über den Siegeszug von Beige bei jungen Leuten, wo er das doch als den Farbton der Senioren abgespeichert hatte: "Als jemand, der sich schon schämt dafür, dass seine einzige weiße Jeans vom Hersteller aus die Farbbezeichnung ecru trägt, was fast schon beige ist, hart an der Grenze zu cremefarben, aber keinesfalls traumschiffkapitänweiß, steht man vor dieser von berufsjugendlichen Modeheinis bestimmt Farbwelt genannten Ödnis und fragt sich: Warum tun diese jungen Influencerinnen sich diese Beigehölle an, sind die schon derart stillgelegt zwischen den Ohren, dass sie ihre eigene ästhetische Frühvergreisung nicht mehr mitkriegen? Sie haben altersgerecht doch noch Abertausende Dollar oder Euro für kreischbunte Klamotten rauszuwerfen, bevor sie erwachsen genug sind, um zu verstehen, dass Dunkelblau die einzige Farbe ist, die wirklich jeder Hautschattierung schmeichelt und jeder Verfallsform des Körpers." In dem Artikel geht es auch um einen Text, der gerade in der "New York Times" erschienen ist: Eine Modeinfluencerin verklagt eine Kollegin auf Urheberrechtsverletzung, weil die angeblich ihr beigefarbenes Dasein auf Social Media kopiert hat. Was wiederum zur Frage führt: "Kann man einen Vibe urheberrechtlich schützen?"