Medienschau

"Kunst kann ein Pakt mit dem Teufel sein"

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Die Kulturszene wehrt sich gegen die Sparpläne des Berliner Senats, die Reform des Kulturgutschutzgesetzes war richtig, und Marlene Dumas zweifelt an der Malerei: Das ist unsere Presseschau am Donnerstag

Kulturpolitik

Offene Briefe, Petitionen, Aktionstage – die Berliner Kulturszene wehrt sich gegen die Sparpläne des Berliner Senats. In der Debatte meldet sich jetzt auch Christian Thielemann, Generalmusikdirektor der Staatsoper, zu Wort. "Was hat Berlin denn außer der Kultur und der Wissenschaft", fragt Thielemann im Interview mit der "SZ" und warnt davor, "ungeschickt und rücksichtslos den in Relation zum Gesamthaushalt des Landes relativ kleinen Kulturetat zu beschneiden." Sollte es wirklich dazu kommen, dass die Kulturinstitutionen wie vorgesehen zehn Prozent ihrer Mittel einsparen müssen, drohe Berlins Kultur "auf Provinzniveau" abzusinken. "Natürlich sind wir pragmatisch und kompromissbereit, aber nur, solange es nicht auf Kosten der künstlerischen Qualität geht", sagt Thielemann. Und gibt sich vorsichtig optimistisch: "Ich habe Vertrauen in Joe Chialo, den Kultursenator. Wir hatten viele Gespräche miteinander, und ich bin überzeugt, dass er alles versucht, um die Berliner Kultur zu schützen." Was die möglichen Sparpläne in der Kultur anrichten könnten, versucht ein Autorenteam im "Spiegel" vorauszusehen. 

Als die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters ihre Pläne für eine Reform des Kulturgutschutzgesetzes vorstellte, das die Ausfuhr national wertvoller Kunstobjekte ins Ausland verhindern soll, hagelte es Proteste. Gerade der deutsche Kunsthandel lief Sturm gegen das Vorhaben. Bernd Schultz vom Auktionshaus Grisebach verteufelte das Gesetz als die "Guillotine des Kunsthandels", der Sammler und Vorstandsvorsitzende des Springer-Verlags, Mathias Döpfner, bezeichnete den Entwurf als "DDR in jeder Hinsicht". Nicola Kuhn berichtet im "Tagesspiegel" nun, wie das, was damals im Streit begann, längst Routine geworden ist und sogar Lob erfährt. "Bei der Anhörung im Kulturausschuss des Bundestages anlässlich der Evaluierung gab es stattdessen Anerkennung für das Ministerium und sein mit Bedacht erarbeitetes Gesetz. Sämtliche Parteien spendeten Lob, die geladenen Experten schlossen sich an. So wurden in der Sitzung die geringfügigen, vom BKM vorgeschlagenen Änderungen durchgewunken. Eine Generalrevision sei nicht nötig, so die Grünen-Abgeordnete Awet Tesfaiesius."
 

Malerei

Marlene Dumas ist eine der großartigsten Künstlerinnen der Gegenwart, die nicht zuletzt die Renaissance der politisch-subversiven Porträtmalerei eingeläutet hat. In der Londoner Frith Street Gallery setzt sich die 1953 geborene Südafrikanerin jetzt in einer neuen Bilderserie mit dem Thema der Trauer auseinander und hat dem "Guardian" aus diesem Anlass ein seltenes Interview gewährt, das in ihren Schaffensprozess blicken lässt. "Manchmal schaue ich auf meine Arbeit, fast wie eine dritte Person, und denke: 'Was habe ich getan?", erzählt Dumas im Gespräch mit Adrian Searle. Nach jeder Ausstellung falle es ihr schwer, neu anzufangen. "Ich ekele mich vor mir selbst, vor der Malerei im Allgemeinen, vor meiner eigenen Arbeit. Ich muss mich zwingen, wieder anzufangen." Aber dann, so Dumas, beginne die Farbe Formen zu erzeugen und eine eigene Dynamik setzte ein. "Zuerst kann ich nicht anfangen‚ und dann kann ich nicht mehr aufhören." Searle spricht Dumas auf ein kleines Porträt an, das den Teufel im Profil zeigt, mit struppigem Ziegenbart und sprießenden Hörnern sowie einer Art Homunkulus, der auf seiner Schulter ruht. "Ich denke, dass Kunst ein Pakt mit dem Teufel sein kann", sagt Dumas. "Aber für mich, mit meinem Hintergrund und meiner Beziehung zur Kunst, vertraue ich mir selbst nicht, ich vertraue der Kunst nicht." Warum sie das Gemälde "The Devil May Care" genannt habe, fragt Searle. "Manchmal möchte ich völlig verantwortungslos sein und sagen, dass ich es nicht versuchen werde. Ich möchte wie der Satyr sein und mich betrinken und mich nicht darum kümmern - denn wie soll meine Schuld irgendjemandem helfen? Wozu dient sie?"
 

Gedenkstätten

Zwei Jahre lang musste Anne Frank im Nationalsozialismus in Amsterdam untertauchen. In ihrem Versteck, wo sie mit ihrer Familie und weiteren jüdischen Menschen lebte, schrieb sie ihr berühmtes Tagebuch, ehe sie im August 1944 verhaftet und im Konzentrationslager Bergen-Belsen ermordet wurde. Wie unter anderem die "FAZ" berichtet, wird Franks Versteck in der Amsterdamer Prinsengracht jetzt in New York nachgebaut und im Stil der Zeit eingerichtet. Nach Angaben der Anne Frank Stiftung in Amsterdam soll die Rekonstruktion zum 80. Jahrestag der Befreiung des deutschen Konzentrationslagers Auschwitz in New York ab 27. Januar kommenden Jahres zu sehen sein. Die Stiftung will über die Entstehung des Antisemitismus informieren und zeigen, wie die Nazi-Ideologie zum Holocaust führte. Bis heute sei Anne Frank für viele eine Inspiration, sagte Ronald Leopold, Direktor der Anne Frank Stiftung. "Wir wollen nicht nur die Erinnerung an Anne Frank am Leben erhalten, sondern auch Jugendliche ermutigen, nachzudenken und auf ihre Geschichte und die Bedeutung für heute zu reagieren." Die Ausstellung soll das Leben von Anne Frank zeigen - von ihren Kindheitsjahren in Frankfurt am Main, dem Umzug nach Amsterdam, der Verfolgung, dem Leben im Versteck bis zur Festnahme, Deportation und dem Tod.


Das besondere Kunstwerk

Die US-amerikanische Schriftstellerin Siri Hustvedt schreibt an einem Buch über ihren vor fünfeinhalb Monaten gestorbenen Mann, den weltbekannten Schriftsteller Paul Auster. "Wenige Tage nach Pauls Tod habe ich angefangen, über ihn zu schreiben, ein Memoir. Ich schreibe immer noch daran. Es heißt Ghost Stories. Ich habe jetzt 120 Seiten. Das war mein erster Impuls", sagte Hustvedt in einem Interview der "Zeit". Auster ("Stadt aus Glas", "Mond über Manhattan") starb Ende April mit 77 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung. Das Memoir beginne mit der Nachricht von der Krankheit, erzählt Hustvedt, die selbst eine erfolgreiche Schriftstellerin ist ("Die gleißende Welt"). "Mit Notizen aus der Zeit, die ich aufbewahrt habe, und mit zwölf Briefen an Freunde, die ich schrieb, über die Erkrankung und die Gründe dafür." Sie werde auch das letzte Werk ihres Mannes mit aufnehmen, das er nicht mehr beenden konnte. "Er wollte ein ganz kleines Buch machen, mit Briefen an unseren Enkel, der am 1. Januar dieses Jahres auf die Welt gekommen ist." Bei der Geburt sei sie dabei gewesen. "Paul hätte das Buch für seinen Enkel sehr gern fertig geschrieben, 35 Seiten sind es geworden, dann war er zu schwach. Die Seiten werden in dem Buch gut aufgehoben sein." Es soll eine Collage werden. "Der letzte Brief an unseren Enkel ist schon ziemlich herzzerreißend. Aber schön. Er hat gesagt, dass es ihm leidtut, dass sein Enkel ihn nicht kennenlernen wird. Aber wenn du erst mal weißt, dass es zu Ende geht, stellt sich die Frage, wie du dem begegnest. Er war so mutig. Aber wir alle wissen nicht, wie wir sein werden in unseren letzten Momenten." Auster und Hustvedt lernten sich Anfang der 1980er Jahre in New York kennen. Sie waren mehr als 40 Jahre verheiratet und haben eine gemeinsame Tochter.